Juliane Kinkel

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Juliane Kinkel (* 17. April 1892 in Sossenheim; † 17. August 1986 ebenda) war eine deutsche Widerstandskämpferin und Mitglied der Katholischen-Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) Katholische Christin im Widerstand.

Leben und Wirken

Juliane Kinkel wurde als Tochter des Sossenheimer Gemeindesekretärs Konrad Kinkel und Enkelin des Sossenheimer Bürgermeisters Jakob Kinkel geboren.[1][2][3] Nach Besuch der Sossenheimer Volksschule wechselte sie in die Katholische Privatschule Oberlyzeum Ursulinenschule im Frankfurter Nordend. Sie absolvierte 1912 die Lehrerprüfung und war von 1914 bis 1932 als Lehrerin an verschiedenen Mittelschulen tätig, bis sie 1932 aus gesundheitlichen Gründen pensioniert wurde.[4]

Kinkel war wie ihr Vater engagiertes Mitglied im Katholischen Arbeiterverein von 1897, dem Vorläufer der Katholischen Arbeitnehmerbewegung KAB-Sossenheim.[4] Die Auflösung der katholischen Zentrumspartei 1933, die Zwangsauflösung des Katholischen Arbeitervereins und die vielen Angriffe auf die katholische Kirche St. Michael in Sossenheim prägten ihre generelle Kritik am NS-Regime. Nach 1933 konnten sich die Mitglieder der KAB nur noch privat treffen.

Kinkel bewarb sie sich im August 1940 beim Schulamt Frankfurt als Mittelschullehrerin vergeblich für den Schuldienst.[4] 1940 wurde sie zum Dienst als unbezahlte Dolmetscherin für die Zwangsarbeiter der Firma Noll im Volkshaus Sossenheim und die Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen im örtlichen Kriegsgefangenenkommando STALAG IX B verpflichtet.[4]

Sie betreute auch ca. 30 französische Zwangsarbeiter aus den Pyrenäen in einer Baracke der ZiegeleibetriebsGmbH. Zwischen 1940 und 1945 setzte sie sich für die Belange der Internierten ein und begab sich dabei selbst in Lebensgefahr, was aus Briefen ehemaliger französischer Zwangsarbeiter hervorgeht. Vom Lagerführer wurde sie bedroht und angezeigt.

Sie versorgte im Geheimen erkrankte Zwangsarbeiter und verteilte Lebensmittel, teils aus ihrer eigenen Lebensmittelzuteilung. Sie setzte sich bei Unterbringung, Arbeitsbedingungen und in Notlagen nach Folterungen für die Menschen ein und begleitete sie zur medizinischen Behandlung zu Ärzten und in Krankenhäuser. Auch unterstützte sie die Zwangsarbeiter als Sozialfürsorgerin bei ihren Beschwerden etwa bei der französischen Delegation der Deutschen Arbeitsfront DAF und Gesundheitskommission über die katastrophale Unterbringung und die mangelhafte Verpflegung durch den Lagerleiter.

Wegen ihres Engagements wurde sie mehrfach angezeigt: bei den nationalsozialistischen Dienststellen, der DAF und bei der Gestapo etwa wegen Sympathisierens mit Ausländern und Aufhetzung zur Arbeitsverweigerung. Das Betreten des Lagers Noll wurde ihr schließlich verboten. Dennoch war sie den Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen weiterhin behilflich.

Nach dem Krieg wurde sie von den Nutznießern des Zwangsarbeitersystems angezeigt und beschuldigt, an den verübten Verbrechen beteiligt gewesen zu sein. Dies konnte sie durch die offiziell beglaubigten Briefe und Aussagen von 20 ehemaligen französischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern widerlegen.[5]

Juliane Kinkel starb 1986 in ihrem Haus in Sossenheim.

Auf dem Sossenheimer Friedhof erhielt sie als Widerstandskämpferin ein denkmalgeschütztes Grab. Der Hessische Rundfunk berichtete über ihre Geschichte in einer Sendung der Journalisten Katharina Sperber am 17. November 1988.

Literatur

  • Barbara Bromberger, Katia Mausbach: Frauen und Frankfurt. Spuren vergessener Geschichte. 1987
  • Barbara Bromberger, Katia Mausbach: Arbeiterwiderstand in Frankfurt gegen den Faschismus 1933-1945.
  • Annemarie und Toni Kinkel: Als Sossenheim noch ein Dorf war. 1985, S. 167ff.
  • Juliane Kinkel: Das Leben in Sossenheim vor hundert Jahren. Aufgearbeitet von Günter Moos, 2010

Einzelnachweise

  1. Juliane Kinkel „Das Leben in Sossenheim vor hundert Jahren“, aufgearbeitet von Günter Moos, 2010, S. 75
  2. Chronik der Katholischen Pfarrgemeinde St. Michael – Sossenheim, 2006 S. 93
  3. Auszug Sossenheimer Zeitung 22. November 1913
  4. a b c d Kirchengemeinde St. Michael, Frankfurt-Sossenheim: Juliane Kinkel, Katholische Christin im Widerstand. 24. August 2018, abgerufen am 31. März 2020.
  5. Joachim Rotberg, Barbara Wieland: Zwangsarbeit für die Kirche / Kirche unter Zwangsarbeitern. Band 2, Das Bistum Limburg und der Ausländereinsatz 1939-1945, 2014, S. 640 ff.