Julius Reiter

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Julius Reiter (* 17. Mai 1964 in Neumünster) ist ein deutscher Rechtsanwalt, Autor und Professor für Wirtschaftsrecht mit den Schwerpunkten Bank-, IT-Recht und Compliance an der FOM Hochschule (Düsseldorf), der sich dem Anleger- und Datenschutz sowie dem Rechtsbereich Compliance verschrieben hat. Gemeinsam mit Bundesminister a. D. Gerhart Baum initiierte er mehrere erfolgreiche Verfassungsbeschwerden, unter anderem gegen die so genannte „Online-Durchsuchung“.

Werdegang

Reiter wuchs als Sohn einer italoamerikanischen Mutter und eines deutschen Vaters in Norddeutschland und Italien (Parma) auf und studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Kiel, Paris und Köln. Im Jahr 1995 legte er das erste juristische Staatsexamen ab. Sein juristisches Referendariat absolvierte er am Oberlandesgericht Düsseldorf sowie der Verwaltungsuniversität Speyer. Das Zweite juristische Staatsexamen folgte im Jahr 1998. Anschließend promovierte er an der Humboldt-Universität zu Berlin. Während dieser Zeit war er sieben Jahre lang als wissenschaftlicher Mitarbeiter von Gerhart Baum im Deutschen Bundestag (Bonn) aktiv. Mit Abschluss des Zweiten Staatsexamens begann Reiter seine Tätigkeit als Rechtsanwalt. Im gleichen Jahr wurde er Partner in einer auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei. Im Jahr 2001 gründete er gemeinsam mit Olaf Methner die Kanzlei baum reiter & collegen in Düsseldorf mit Schwerpunkt auf Bankhaftungs-, Kapitalanlage- und Kreditrecht, IT- sowie Arbeitsrecht. Im selben Jahr schloss er den Fachanwaltslehrgang für Arbeitsrecht ab. Seit 2008 ist Reiter Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht. Er wird regelmäßig als Sachverständiger in Gesetzgebungsverfahren des Bundestages bestellt: Finanz-, Rechts- und Verbraucherausschuss. Seit 2011 ist er zudem als Dozent an der FOM Hochschule (Düsseldorf) tätig, an der er Bank- und Kreditrecht sowie IT-Recht lehrt. 2012 erfolgte die Ernennung zum Professor für Wirtschaftsrecht. Seit 2014 ist Reiter Fachanwalt für Informationstechnologierecht. Mit seiner Kanzlei vertrat er Betroffene von Datenskandalen bei der Telekom und der Datenschutzaffäre der Deutschen Bahn AG. Die Direktion der Deutschen Bahn hatte jahrelang 150.000 Mails pro Tag gefiltert.[1] Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, Hartmut Mehdorn, trat daraufhin zurück und gab eine „politische Kampagne“ gegen ihn als Rücktrittsgrund an. Julius Reiter zählt zu den kooptierten Wissenschaftlern des Institute for Strategic Finance (isf).[2] Mit seiner Kanzlei vertritt er etwa über 100 Opfer und Hinterbliebene der Loveparade-Katastrophe von Duisburg. Im VW-Abgasskandal vertritt seine Kanzlei mehrere Tausende betroffener Dieselfahrer. Bei den Koalitionsverhandlungen der Landesregierung NRW 2017 war Reiter in der Arbeitsgruppe Innen-, Recht und Justiz  an den Koalitionsverhandlungen beteiligt. 2017 wurde Reiter in die Bosbach-Regierungskommission „Mehr Sicherheit für Nordrhein-Westfalen“ berufen. Als einer von 16 Experten aus dem Bereich der Inneren Sicherheit bekleidet Reiter das Amt als Experte für Informationstechnologierecht.[3] Außerdem ist er Gründungsmitglied und Beirat der Bürgerbewegung Finanzwende e. V. und der Lobby für Demokratie (Düsseldorf). Seit Juni 2019 ist er Vorstandsmitglied der Transparency International Deutschland e. V. (Berlin).

Autor

Im Jahr 2009 veröffentlichte Julius Reiter gemeinsam mit Gerhart Baum und Olaf Methner das Fachbuch „Abkassiert. Die skandalösen Methoden der Finanzbranche“, worin die Autoren an mehr Verbraucherschutz in der Finanzbranche appellieren. Im Jahr 2012 erschien sein Fachbuch „Mit Compliance Wirtschaftskriminalität vermeiden“. Das Buch erörtert Methoden zur Aufdeckung und Prävention von Straftaten wie z. B. Bilanzverschleppung, unter gleichzeitiger Beachtung von Compliance. Reiter ist Autor verschiedenster Veröffentlichungen in juristischen Fachzeitschriften und Fachbüchern.

Soziales Engagement

Im Jahr 2003 gründete Julius Reiter den Lions Club Düsseldorf-Schloss Benrath. Das besondere Ziel dieses Service-Clubs ist die Förderung von Projekten für hilfsbedürftige Kinder und Jugendliche im Düsseldorfer Süden.[4]

Besondere Fälle

  • Zusammen mit Gerhart Baum und Peter Schantz legte Julius Reiter erfolgreich Verfassungsbeschwerde gegen die Online-Durchsuchung ein. Das Bundesverfassungsgericht erklärte am 27. Februar 2008 weite Teile des Gesetzes für verfassungswidrig. In der Urteilsbegründung hieß es, dass es „einen Kernbereich unbeobachteter Kommunikation geben muss.“[5] Das Bundesverfassungsgericht begründete auf Grund dieser Verfassungsbeschwerde in dem Verfahren das so genannte „Computer-Grundrecht“ in Fortschreibung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
  • Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung: In diesem Verfahren war Gerhart Baum Beschwerdeführer, die Kanzlei von Julius Reiter (baum reiter & collegen) trat als Prozessbevollmächtigte vor dem Bundesverfassungsgericht auf. Die Beschwerde richtete sich gegen die gesetzliche Verpflichtung, anlasslos alle telefonischen Verbindungsdaten für sechs Monate zu speichern. Dieses Gesetz wurde auf Grund der Verfassungsbeschwerde für verfassungswidrig und nichtig erklärt.[6]
  • Verfassungsbeschwerde gegen „ELENA“ (Elektronisches Entgeltnachweis-Verfahren): In diesem Gesetzgebungsverfahren ging es um die Möglichkeit der zentralen Speicherung sämtlicher Beschäftigtendaten. Die Kanzlei vertrat als Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführer u. a. einen Berufsrichter, die Umsetzung des Gesetzes wurde jedoch vor einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf Grund der erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken wieder eingestellt. Dieses Verfahren zeigt, dass es sinnvoll ist, die gesetzgeberischen Aktivitäten mit Öffentlichkeitsarbeit so früh wie möglich zu begleiten.
  • Verfassungsbeschwerde gegen die Neufassung des BKA-Gesetzes: In diesem Verfahren war Reiters Kanzlei Prozessbevollmächtigte und vertrat Repräsentanten der Berufsgruppen Ärzte, Journalisten, Rechtsanwälte u. a. Die Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen die gesetzliche Möglichkeit, selbst Geheimnisträger abhören zu dürfen. Die Verfassungsbeschwerde gegen das BKA-Gesetz war erfolgreich.
  • Telekom-Bespitzelungsaffäre: Die Kanzlei von Julius Reiter vertrat die von rechtswidrigen Bespitzelungen aus der Zeit ab 2006 betroffenen Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat der Deutschen Telekom sowie betroffene Betriebsräte und deren Mitarbeiter. Von der Telekom wurden Entschädigungszahlungen für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geleistet. Die strafrechtlichen Verfahren gegen die Verantwortlichen sind noch nicht vollständig abgeschlossen.
  • Datenschutzaffäre Deutsche Bahn AG: Die Kanzlei von Julius Reiter wurde 2009 vom Aufsichtsrat der Deutschen Bahn beauftragt, Sonderermittlungen zur Aufklärung der Datenschutzaffäre bei der Deutschen Bahn durchzuführen. Dabei ging es um Personaldaten-Screening, E-Mail-Filterung und die Bespitzelung von Bahnkritikern aus dem parlamentarischen Umfeld. Auf Grund des Abschlussberichtes wurde als Konsequenz fast der gesamte Vorstand der Deutschen Bahn AG ausgewechselt.
  • Loveparade-Verfahren: Die Kanzlei vertritt über 100 Opfer und Hinterbliebene der Loveparade-Katastrophe von Duisburg. Mit der Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluss des LG Duisburg, sorgte Reiter dafür, dass das OLG Düsseldorf den Beschluss aufhob und die Eröffnung des Strafprozesses anordnete.

Ranking

Der US-Verlag Best Lawyers führt regelmäßig unter deutschen Rechtsanwälten eine Befragung empfehlenswerter Kollegen für das Handelsblatt durch.[7] Von 2013 bis 2020 wurde Reiter als Experte für Bank- und Bankaufsichtsrecht von der Konkurrenz benannt,[8] 2018 als Experte für Finanzrecht.[9]

Veröffentlichungen (Auswahl)

Fachliteratur

  • mit Michael Harz, Raimund Weyand, Olaf Methner und Daniel Noa: ‚Mit Compliance Wirtschaftskriminalität vermeiden‘, Risikoprävention, Früherkennung, Fallbeispiele. Schäffer-Poeschel Verlag, 2012, ISBN 978-3-799-26472-3.
  • mit Gerhart Baum und Olaf Methner: „Abkassiert – die skandalösen Methoden der Finanzbranche“. Rowohlt Verlag, 2009, ISBN 978-3-498-00662-4.
  • Entstehungsgeschichte und staatsrechtliche Theorie der italienischen Carta del Lavoro (= Rechtshistorische Reihe, Bd. 316). Peter Lang Verlag, 2005, ISBN 978-3-631-54340-5.

Kommentierungen und Beiträge

  • mit Gerhart Baum und Olaf Methner. In: Derleder/Bamberger/Knops: Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht § 34: Beendigung des Darlehensvertrages. Springer Verlag, Wien, ISBN 978-3-540-76644-5.
  • mit Olaf Methner. In: Haufe-Praxishandbuch Betriebliche Altersversorgung Gruppe 3, S. 13 ff.: Inhalt, Schranken und Gleichbehandlungsgrundsatz bei Versorgungszusagen. Haufe, ISBN 978-3-448-08329-3.
  • mit Olaf Methner. In: Datenschutz im Gesundheitswesen. Grundlagen, Konzepte, Umsetzung, S. 377–388: Compliance. Berlin 2016, ISBN 978-3-95466-257-9.

Aufsätze und Entscheidungssprechungen

  • mit Stefan Heinemann und Alexander Zureck: Wert der Karriere versus Karriere mit Werten? In: bdvb aktuell, 2012, Jg. 118, Nr. 4, S. 26–27.
  • BGH: Aufklärungspflicht des Vertragspartners eines Kapitalanlegers über die Zahlung von Vertriebsprovisionen. In: BetriebsBerater, 2012, Nr. 9, S. 538.
  • Produktinformationsblätter und Haftung. In: H. Koschyk, S. Leible, K. Schäfer (Hrsg.): Anlegerschutz und Stabilität der Finanzmärkte, JWV Jenaer Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Jena 2012, S. 229–234.
  • „Claims-made-Prinzip“ und Nachhaftungsbegrenzung bei der D & O-Versicherung (Anmerkung zu OLG München, Urt. v. 8. Mai 2009) Entscheidungsbesprechung. In: VuR 2009, 306–307.

mit Olaf Methner:

  • Datenschutz im Fahrzeug. In: Zeitschrift zum Innovations- und Technikrecht, Frankfurt am Main 2015, 29–34.
  • Die Interessenkollision beim Anlageberater – Unterschiede zwischen Honorar- und Provisionsberatung -. In: WM 2013, 2053–2059.
  • Unzulässige Entgeltumwandlung: Gezillmerte Tarife bei der betrieblichen Altersversorgung. In: VuR 2010, 136–140.
  • Gesetzentwurf zum Anlegerschutz – Wiederherstellung von Vertrauen in Zeiten der Finanzkrise. Gastkommentar. In: Der Betrieb 2009, Heft 14, Editorial.
  • Die Vollstreckungsunterwerfung bei verkauften Darlehenssicherheiten – Aktuelle Rechtsprechung und Rechtslage nach dem Risikobegrenzungsgesetz – Aufsatz. In: ZGS 2009, 163–169.
  • „Einheits“- oder „Stichtags“-Lösung? Zur Auslegung der verjährungsrechtlichen Überleitungsvorschrift des Art 229 § 6 EGBGB. In: VuR 2006, 424–429.
  • Entscheidungsbesprechung | Fortwirkung nichtiger Treuhändervollmacht auch bei Prolongation . In: VuR 2005, 327–332.
  • Perspektiven beim „Immobilienwiderruf“ – Anmerkung zu den Schlussanträgen des Generalanwalts Philippe Leger, Rs C-229/04. In: VuR 2005, 281–285.
  • Staatshaftung wegen europarechtswidriger Widerrufsregelung . In: VuR 2004, 52–58.
  • Entscheidungsbesprechung | Praxisnahe Rechtsfortbildung des BGH bei kreditfinanzierten Kapitalanlagen (zugleich Anmerkung zu BGH, Urt v 14-6-2004 , Az II ZR 393/02). In: VuR 2004, 365–371.
  • Entscheidungsbesprechung | BGH-Urteil zur Unwirksamkeit der Treuhändervollmacht bei geschlossenen Immobilienfonds – Anmerkung zu BGH, Urt. vom 16-12-2002 (II ZR 109/01). In: VuR 2003, 172–176.
  • mit Olaf Methner und Bernd Müller: Marktüblichkeit der Hypothekenzinsen bei Verbraucherdarlehen. In: BKR 2003, 824–830.
  • Entscheidungsbesprechung | Haftung der Bank für Aufklärungsfehler des Vermittlers. In: VuR 2003, 219–223.
  • Die Bedeutung von Kapitalanlagebetrug und anderen Wirtschaftsstraftaten am Beispiel eines aktuellen Falles – Erweckung des § 264a StGB aus dem Dornröschenschlaf. In: VuR 2003, 128–134.
  • Entscheidungsbesprechung | Grundsatzentscheidung zur Haftung wegen Beratungsverschuldens beim geschlossenen Immobilienfonds („Dreiländerfonds DLF 94/17“ – Finanzdienstleister AWD). In: VuR 2002, 398–403.
  • Entscheidungsbesprechung | Erwiderung zum Aufsatz Reiter/Methner, „Unwirksamkeit einer Treuhändervollmacht zur Entreicherung. In: VuR 2002, 227–228.
  • Entscheidungsbesprechung | Unwirksamkeit einer „Treuhändervollmacht zur Entreicherung“ – Anmerkung zu BGH, Urt vom 18-9-2001 (Az XI ZR 321/00) und Urt vom 11-10-2001 (Az III ZR 182/00). In: VuR 2002, 57–62.
  • Entscheidungsbesprechung | Einzelheiten zur Anwendbarkeit des Haustürwiderrufsgesetzes auf Immobilienkreditverträge – Richtungweisende Rechtsfortbildung. In: VuR 2002, 316–320.
  • Entscheidungsbesprechung | Anwendbarkeit des Haustürwiderrufsgesetzes auf Kreditverträge – Stärkung des Verbraucherschutzes oder Rechtstheorie?. In: VuR 2002, 90–93.
  • Entscheidungsbesprechung | Neue Rechtsprechung zu Treuhandmodellen – Anmerkung zu BGH, Urteil vom 28-9-2000 (VuR 2001, 63). In: VuR 2001, 193–198.

mit Gerhart Baum:

  • Gesetzgeberischer Nachholbedarf für einen verbesserten Anlegerschutz. In: BKR 2002, 851–856.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Deutsche Bahn soll jahrelang 150.000 Mails pro Tag gefiltert haben Heise online vom 28. März 2009.
  2. Deutsches Institut für Portfolio Strategien, abgerufen am 24. Februar 2014.
  3. Die Mitglieder der Regierungskommission | Das Landesportal Wir in NRW. 17. Januar 2018, abgerufen am 21. März 2018.
  4. Lions Club Düsseldorf-Schloss Benrath, abgerufen am 24. Februar 2014.
  5. Bundesverfassungsgericht, Urteil des ersten Senats vom 27. Februar 2008.
  6. Bundesverfassungsgericht, Urteil des ersten Senats vom 2. März 2008, 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08.
  7. Handelsblatt: Die besten Anwälte Deutschlands Quelle: Best Lawyers Stand: Juni 2017.
  8. Best Lawyers. 5. Oktober 2017, abgerufen am 5. Oktober 2017.
  9. Deutschlands beste Anwälte. Abgerufen am 21. September 2018.