K-Gruppe

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K-Gruppe in Freiburg bei einer Maidemonstration (1. Mai 1972)

Als K-Gruppen wurden ursprünglich die mit dem Zerfallsprozess des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) und dem damit einhergehenden Niedergang der Studentenbewegung der 1960er Jahre entstandenen – überwiegend maoistisch orientierten – Kleinparteien und anderen Vereinigungen bezeichnet, die vor allem in der ersten Hälfte der 1970er Jahre in Westdeutschland eine gewisse Rolle innerhalb der Neuen Linken spielten. Der Begriff „K-Gruppe“ wurde hauptsächlich von konkurrierenden linken Gruppierungen sowie in den Medien benutzt. Er diente als Sammelbezeichnung für die zahlreichen oft heftig zerstrittenen Gruppierungen und spielte auf deren gemeinsames Selbstverständnis als kommunistische Kaderorganisationen an.

Bundesweit relativ einflussreiche Gruppierungen im außerparlamentarischen Milieu der Politischen Linken waren vor allem die Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (KPD/ML) mit ihren zahlreichen Abspaltungen, die KPD/AO, später KPD sowie der Kommunistische Bund Westdeutschland (KBW). Regionale Bedeutung besaßen darüber hinaus der Kommunistische Bund (KB) in Norddeutschland, der Kommunistische Arbeiterbund Deutschlands (KABD) im Südwesten und in Nordrhein-Westfalen sowie der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) in Bayern.

Mitte der 1970er Jahre zählten die verschiedenen K-Gruppen nach Verfassungsschutzangaben insgesamt rund 15.000 Mitglieder. Nach dem Tod ihrer ideologischen Leitfigur Mao Zedong 1976 verloren sie jedoch rasch an Bedeutung. Zahlreiche Aktivisten schlossen sich in der Folgezeit der sich neu formierenden Friedens- und Umweltbewegung und der daraus hervorgegangenen Partei Die Grünen an. Maoistische Aktivisten aus Betriebsinterventionen und Fabrikgruppen, die zunächst auf die unmittelbare Revolution gehofft hatten, engagierten sich nun langfristig in Betriebsräten und Gewerkschaften.[1]

Ursprünglich nicht zu den K-Gruppen gezählt wurden trotzkistische Gruppierungen, die am osteuropäischen Realsozialismus orientierte DKP und die West-Berliner SEW. Heute wird der Begriff in den Medien jedoch zuweilen etwas unscharf als Sammelbezeichnung für sämtliche sozialistisch oder kommunistisch ausgerichteten Kleinparteien und Organisationen jenseits der Parteien Die Linke und der SPD verwendet.

Entwicklung der „historischen“ K-Gruppen

Wurzeln in der Studentenbewegung

Die „historischen“ K-Gruppen entstanden ab etwa 1968, gegen Ende der Hochphase der Studentenbewegung der 1960er Jahre. Die meisten gingen aus verschiedenen Strömungen und regionalen Gruppen des zerfallenden Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) hervor. Obwohl sie sich intensiv um Lehrlinge, Arbeiter und insbesondere um Altmitglieder der 1956 verbotenen KPD bemühten, blieben die meisten K-Gruppen von Studenten und Intellektuellen geprägt.

Als kennzeichnend für viele K-Gruppen galt ein elitärer Habitus ihrer Mitglieder. Anders als von der Studentenbewegung wurde von ihnen oft eine asketische Lebensweise propagiert. In kultureller Hinsicht orientierten sich die K-Gruppen oft an der Arbeiterliteratur der Weimarer Republik, am chinesischen sozialistischen Realismus oder an albanischer Folklore.[2]

Einer These Gunnar Hincks zufolge war die Übernahme autoritärer Macht- und Unterwerfungstechniken durch Kinder mit bürgerlichem Hintergrund oft bedingt durch familiale Brüche der Kriegs- und Nachkriegszeit und eine Orientierungszeit, die ein starkes Bedürfnis nach Anerkennung und Gruppenzugehörigkeit bis hin zum Sektierertum entstehen ließen.[3]

Ideologische Vorbilder

Nahezu alle K-Gruppen sahen sich als legitime Erben der historischen KPD an. Einig waren sie sich zudem in ihrer Ablehnung des osteuropäischen Kommunismus seit der Entstalinisierung ab 1956, den sie als „revisionistisch“ verwarfen. Stattdessen bezogen sie sich zumeist auf das chinesische Sozialismusmodell Mao Zedongs bzw. auf die Sowjetunion vor der Entstalinisierung. Nach dem Tod Maos und dem damit verbundenen Kurswechsel Chinas orientierten sich einige Gruppen zeitweise auch an Albanien unter Enver Hoxha oder dem Regime der Roten Khmer in Kambodscha.

Zwar erhoben alle K-Gruppen für sich den Anspruch, den von Karl Marx und Friedrich Engels begründeten und von Lenin ausdifferenzierten Marxismus zu vertreten oder diesen in der Gegenwart angemessen weiterzuentwickeln. Aber die Geister schieden sich stets an der Frage, welche der damaligen kommunistischen Richtungen, Führungspersönlichkeiten und Staaten die Linie des wahren Marxismus und der früheren KPD vertrat, zwischen den einzelnen K-Gruppen oder auch innerhalb von ihnen. Dabei kam es zu für Außenstehende oft nur schwer nachvollziehbaren Kontroversen, Abspaltungen und Neugründungen, wobei die eine Gruppe genau das als „revisionistisch“ ablehnte, was die andere ihrerseits als wahren Weg zum Kommunismus favorisierte. Von Kritikern wurde und wird den K-Gruppen daher oftmals eine Tendenz zur ideologischen „Selbstzerfleischung“ und politisches Sektierertum vorgeworfen. Zwar gab es auch Versuche, gemeinsame Inhalte in den Vordergrund zu stellen und die Zersplitterung untereinander zu überwinden. Vereinzelt kam es dabei sogar zur Zusammenarbeit mit früher heftig abgelehnten trotzkistischen Gruppen, so etwa bei der Gründung der VSP (Vereinigte Sozialistische Partei) 1986. Zu diesem Zeitpunkt hatten die K-Gruppen allerdings bereits massiv an Bedeutung verloren.

Verbotsforderungen

Die CDU forderte, K-Gruppen zu verbieten. Das Verbot sollte den Kommunistischen Bund Westdeutschlands (KBW), die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) und die KPD/ML betreffen. Begründet wurde der Vorstoß unter anderem damit, dass die K-Gruppen die Nahtstelle zum Terrorismus seien.[4]

Übergang in die neuen sozialen Bewegungen und zu den Grünen

Keine der damaligen K-Gruppen konnte unmittelbar einen nennenswerten politischen Einfluss auf Bundes- oder Länderebene in Westdeutschland gewinnen. Vereinzelt hatten K-Gruppen-Funktionäre Einfluss in Betriebsräten und einigen Gewerkschaften. Eine bedeutendere Rolle spielten einige K-Gruppen in den 1970er Jahren in den Studentenvertretungen größerer Universitäten. Auch bei den Aktivitäten von Teilen der Neuen Sozialen Bewegungen, etwa der Umweltbewegung, der Friedensbewegung oder der antiimperialistischen Bewegung, brachten Vertreter von K-Gruppen ihre Inhalte ein.

Über diese Bewegungen fanden zahlreiche ehemalige Aktivisten später eine neue politische Heimat bei den Grünen, so zum Beispiel Winfried Kretschmann, Ralf Fücks, Winfried Nachtwei, Krista Sager, Joscha Schmierer (Kommunistischer Bund Westdeutschland) oder Jürgen Trittin (Kommunistischer Bund). Antje Vollmer war Mitglied in der Liga gegen den Imperialismus. Vereinzelt fanden frühere K-Gruppen-Mitglieder aber auch zur SPD (Ulla Schmidt) oder – ab 1990 – zur PDS (Andrea Gysi).

Übersicht

K-Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland (nach Gründungsjahr)

K-Gruppen in Österreich (nach Gründungsjahr)

  • Marxisten-Leninisten Österreichs (MLÖ) – 1966–1967, Abspaltung von KPÖ, siehe MLPÖ:
  • Marxistisch-Leninistische Partei Österreichs (MLPÖ) – seit 1967, umbenannte Mehrheitsströmung der MLÖ; gibt die 1963 gegründete Zeitschrift "Rote Fahne" heraus.
  • Vereinigung revolutionärer Arbeiter Österreichs (VRA) – 1968 von MLÖ-Minderheit gegründet, seit 2000 nicht mehr aktiv, gab bis 2000 die Zeitschrift "Für die Volksmacht" heraus.
  • Kommunistischer Bund Österreichs (KBÖ) – 1976–1981, politische Wochenzeitung "Klassenkampf", monatliche Theoriezeitschrift "Kommunist"; Partnerorganisation des KBW
  • Kommunistische Aktion – marxistisch-leninistisch (KOMAK-ML) – 2002–2007, aus Zusammenschluss von Kommunistische Aktion, Initiative Marxist/innen-Leninist/innen und Wiener Anhängern von Bolsevik Partizan entstandene Kleingruppe, gab vierteljährlich die "Proletarische Rundschau" heraus.
  • Kommunistische Initiative (KI) – seit 2005 bestehende, orthodox-marxistische Abspaltung von der KPÖ.
  • IA.RKP (Initiative für den Aufbau einer Revolutionär Kommunistischen Partei) im Dezember 2007 aus der Umbenennung der KOMAK-ML auf ihrer 7. Konferenz entstanden. Ebenfalls umbenannt wurde die Zeitschrift in "Proletarische Revolution", die etwa 5–6 Mal im Jahr in einem Umfang von ca. 50 Seiten erscheint.

K-Gruppen in der Schweiz

Ähnliche Organisationen in weiteren Ländern

Auch in anderen Staaten Westeuropas wie auch Nordamerikas, in denen es in den 1960er Jahren linke außerparlamentarische Studentenbewegungen gab, traten und treten den deutschen K-Gruppen in inhaltlicher und struktureller Hinsicht vergleichbare Gruppen und Splitterparteien auf, die untereinander ebenfalls ideologisch zerstritten waren.

In einigen Ländern (Italien, Belgien, Österreich) entstanden bereits ab etwa 1963 maoistische Parteien als Abspaltungen von den moskauorientierten Kommunistischen Parteien.

K-Gruppen im Verhältnis zu etablierten Kommunistischen Parteien

Die gesellschaftspolitische Erscheinung der K-Gruppen war relativ unabhängig von der Existenz etablierter und einflussreicher sozialistischer und kommunistischer Parteien, wie es vor allem in Westeuropa etwa in Italien oder Frankreich und einigen anderen Ländern der Fall war, in denen große Kommunistische Parteien als Vertreter des den Pluralismus anerkennenden Eurokommunismus als relativ starke politische Kraft bis heute in den jeweiligen nationalen Parlamenten vertreten sind.

Assoziative Abwandlungen in Bezug zur CDU

In Anspielung auf die Eigenschaft der K-Gruppen als eingeschworene Zirkel wurde der Begriff in Westdeutschland auch auf andere, den originären K-Gruppen ideologisch entgegengesetzte politische Zusammenhänge übertragen. So wurden in den 1970er/1980er Jahren zeitweilig die Zirkel um Jungpolitiker des rechten Flügels der CDU, deren Nachname mit dem Buchstaben K beginnt, in den Medien mehrfach als K-Gruppe bezeichnet. So beispielsweise ein informelles Netzwerk um den (West-)Berliner CDU-Politiker Peter Kittelmann (mit Dankward Buwitt, Eberhard Diepgen, Klaus Finkelnburg, Wighard Härdtl, Jürgen Klemann, Klaus-Rüdiger Landowsky, Heinrich Lummer, Peter Radunski, Peter Raue, Gero Pfennig, Wulf Schönbohm, Heinz-Viktor Simon und Jürgen Wohlrabe) oder um den späteren hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch.[5]

Literatur

Deutschsprachiger Raum
  • Sebastian Gehrig, Barbara Mittler, Felix Wemheuer (Hrsg.): Kulturrevolution als Vorbild? Maoismen im deutschsprachigen Raum. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-631-57641-0.
Deutschland
  • Autorenkollektiv: Wir warn die stärkste der Partein… Erfahrungsberichte aus der Welt der K-Gruppen. Rotbuch-Verlag, Berlin 1977, ISBN 3-88022-177-4.
  • Jens Benicke: Die K-Gruppen. Entstehung – Entwicklung – Niedergang, Springer VS, Wiesbaden 2019, ISBN 978-3-658-24768-3
  • Sven Gringmuth: Was war die Proletarische Wende? Ein Beitrag zur Mentalitätsgeschichte der bundesrepublikanischen Linken, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2020. ISBN 978-3-89691-049-3.
  • Frank D. Karl: Die K – Gruppen. Entwicklung, Ideologie, Programm. KBW, KPD, KPD/ML. Dietz, Bonn 1989, ISBN 3-87831-240-7.
  • Heiner Karuscheit: Zur Geschichte der westdeutschen ml-Bewegung. 2., gekürzte Auflage. VTK-Verlag, Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-88599-023-7.
  • Gerd Koenen: Das rote Jahrzehnt: unsere kleine deutsche Kulturrevolution 1967–1977. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2001, ISBN 3-462-02985-1.
  • Andreas Kühn: Stalins Enkel, Maos Söhne. Die Lebenswelt der K-Gruppen in der Bundesrepublik der 70er Jahre. Campusverlag, Frankfurt/ New York 2005, ISBN 3-593-37865-5.
  • Gerd Langguth: Die Protestbewegung in der Bundesrepublik Deutschland 1968–1976. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1976. (vgl. auch die erw. Ausgabe unter dem Titel: Protestbewegung. Entwicklung – Niedergang – Renaissance. Die Neue Linke seit 1968. Köln 1983.)
  • Joscha Schmierer: „K-Gruppen“ oder: Die kurze Blüte des westdeutschen Maoismus. In: Christiane Landgrebe: 68 und die Folgen. Ein unvollständiges Lexikon. Verlag Argon, Berlin 1998, ISBN 3-87024-462-3, S. 133–137.
  • Jürgen Schröder: Ideologischer Kampf vs. regionale Hegemonie. Ein Beitrag zur Untersuchung der K-Gruppen. In: Berliner Arbeitshefte und Berichte zur sozialwissenschaftlichen Forschung 40. Berlin 1990. (mao-projekt.de)
  • Christian Semler: Wiedergänger. Versuch über das Nachleben der K-Gruppen-Motive. In: Christiane Landgrebe: 68 und die Folgen. Ein unvollständiges Lexikon. Verlag Argon, Berlin 1998, ISBN 3-87024-462-3, S. 133–137.
  • Jochen Staadt: Der Versuch, sich an der Glatze aus dem Sumpf zu ziehen. Die K-Gruppen. In: Gabriele Dietz, Maruta Schmidt, Kristine von Soden: Wild + zahm: die siebziger Jahre. Elefanten Press, Berlin 1997, ISBN 3-88520-613-7.
  • Richard Stöss (Hrsg.): Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945–1980. 2 Bände. Westdeutscher Verlag, Opladen 1983. (Sonderausgabe in 4 Bänden 1986)
  • Anton Stengl: Zur Geschichte der K-Gruppen – Marxisten-Leninisten in der BRD der 70er Jahre. Zambon Verlag, Frankfurt 2011, ISBN 978-3-88975-177-5.
  • Winfried Wolf, Kurt Beiersdorfer: Kritik des westdeutschen Maoismus. Frankfurt am Main 1975.
für Österreich
für die Schweiz
  • Angela Zimmermann: Maoisten in der Schweiz. Das lange rote Jahrzehnt der KPS/ML im Kontext der schweizerischen Linken 1972–1987. unveröffentlichte Lizentiatsarbeit. Zürich 2006, OCLC 637485412.
  • Angela Zimmermann: Das lange rote Jahrzehnt der Kommunistischen Partei der Schweiz/ Marxisten-Leninisten (KPS/ML). Erinnerungen an ein fast vergessenes Kapitel der schweizerischen Linken. In: Sebastian Gehrig u. a. (Hrsg.): Kulturrevolution als Vorbild? Maoismen im deutschsprachigen Raum. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-631-57641-0, S. 77–106.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. dazu den Zeitzeugenbericht von Rainer Knirsch: David gegen Goliath - Betriebsarbeit im BMW-Motorradwerk Berlin 1975–2003. In: Arbeit – Bewegung – Geschichte. I/2017, S. 102–117.
  2. Andreas Kühn: Stalins Enkel, Maos Söhne. Die Lebenswelt der K-Gruppen in der Bundesrepublik der 70er Jahre. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-593-37865-5.
  3. Gunnar Hinck: Wir waren wie Maschinen. Die bundesdeutsche Linke der 70er-Jahre. Rotbuch Verlag, Berlin 2012.
  4. CHRONIK DEUTSCHER HERBST - Politik. In: fr.de. 26. September 2007, abgerufen am 21. Mai 2021.
  5. Mathew D. Rose: Berlin. Hauptstadt von Filz und Korruption. S. 18f.