Der Kaiser von Atlantis

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Kaiser von Atlantis)
Operndaten
Originaltitel: Der Kaiser von Atlantis oder Die Tod-Verweigerung
Kaiser Atlantis.jpg

Aufführung in der Gedenkstätte Risiera di San Sabba in Triest 2012

Form: Kammeroper in einem Akt
Originalsprache: Deutsch
Musik: Viktor Ullmann
Libretto: Viktor Ullmann und Peter Kien
Uraufführung: 16. Dezember 1975
Ort der Uraufführung: Amsterdam
Spieldauer: ca. 1 Stunde
Personen

Der Kaiser von Atlantis oder Die Tod-Verweigerung ist eine Kammeroper (Originalbezeichnung: „Spiel in einem Akt“) von Viktor Ullmann, das Libretto verfasste Ullmann unter Mitarbeit von Peter Kien[1], beide befanden sich damals als Häftlinge im Ghetto Theresienstadt. Das Werk wurde in den Jahren 1943 und 1944 in Theresienstadt geschaffen. Erst am 16. Dezember 1975 wurde die Oper in Amsterdam uraufgeführt. Unter der musikalischen Leitung von Dennis Russell Davies und in der Inszenierung von Ernst Poettgen fand am 4. Februar 1985 im Kammertheater des Staatstheaters Stuttgart unter dem Titel Der Kaiser von Atlantis oder Der Tod dankt ab die deutsche Erstaufführung statt. Zehn Jahre später, am 23. Mai 1995, wurde das Werk erstmals in Theresienstadt gespielt, 51 Jahre nach den ersten Proben.[2]

Inhalt

Prolog

Der Lautsprecher stellt die Oper und deren Charaktere vor.

Szene 1

Der Tod als ein abgedankter Soldat in einer Uniform der k.u.k. Wehrmacht und Harlekin, der das Leben darstellt, reflektieren über Tod und Leben. Es tritt der Trommler auf und verkündet im Namen seiner Majestät des Kaisers Overall den Krieg aller gegen alle. Der Tod zerbricht sein Schwert und verweigert seine Dienste.

Szene 2

Von seinem Palast aus versucht der Kaiser mit Hilfe des Lautsprechers als Beobachter der Schlachten, den Krieg zu gewinnen. Doch eine seltsame Krankheit ist ausgebrochen, die Soldaten können nicht sterben. Da der Erreger dieser Krankheit nicht gefunden werden kann, verspricht der Kaiser allen das ewige Leben.

Szene 3

Im Nahkampf stellen sich zwei Soldaten dem Kampf, wobei im Verlaufe dieses Zweikampfes sich der eine, Bubikopf genannt, als Mädchen entpuppt. Sie verlieben sich, vergeblich versucht der Trommler die beiden zur Fortführung des Kampfes zu bewegen, die Liebe der beiden siegt und beide weigern sich, des Kaisers Trommler zu folgen.

Szene 4

Der Kaiser versucht den Krieg weiterzuführen. Eine Revolte bricht gegen Kaiser aus. Schließlich tritt der Tod dem Kaiser im Spiegelbild entgegen. Der Tod wäre bereit, seine Tätigkeit wiederaufzunehmen, wenn der Kaiser der erste sei, dem zu folgen. Der Kaiser nimmt Abschied und geht in den neuen Tod. Im Schlusschoral der Oper heißt die letzte Zeile als moralische Botschaft an alle: „Du sollst den großen Namen Tod nicht eitel beschwören“.

Instrumentation

Die Instrumentalbesetzung der Oper enthält die folgenden Instrumente:[3]

Werkgeschichte

Entstehung

Sowohl Ullmann als auch Kien waren Gefangene in Theresienstadt. Im Sommer 1944 wurde das Werk im Rahmen der Freizeitgestaltung geprobt, aber nach der Generalprobe abgesetzt, dieser Vorgang ist heute nicht mehr rekonstruierbar, wie Herbert Thomas Mandl berichtete, der selbst den Probenprozess mitverfolgte und zu jener Zeit Sekretär des Judenrats in Theresienstadt war.[4][5]

Ullmann und Kien starben im KZ Auschwitz. Ullmann vertraute seine Manuskripte zwei seiner Mitgefangenen an, die überlebten: Emil Utitz, einem ehemaligen Professor für Philosophie an der Deutschen Universität in Prag, der als Bibliothekar des Lagers wirkte, und an Hans Günther Adler, von dessen Dichtungen Ullmann einige vertont hatte. Die Oper wurde erstmals 1975 von De Nederlandse Opera im Bellevue Zentrum[6] in Amsterdam gespielt, auf der Grundlage einer Ausgabe von Kerry Woodward, der auch musikalischer Leiter der Aufführung war.

Fassungen

Erstaufführung in Theresienstadt 23. Mai 1995

Die Produktion der Uraufführung wurde im Jahr 1976 in Brüssel und Spoleto wiederholt, diese Einrichtung wurde auch für die erste amerikanische Aufführung im April 1977 von der San Francisco Opera (Theater Frühling) verwendet. Am 18. Mai 1977 präsentierte das New Opera Theater New York seine Premiere im Lepercq Raum mit der Brooklyn Academy of Music. Alle diese Ausführungen wurden von Woodward durchgeführt.

Im Jahr 1981 erarbeiteten Michael Graubart und Nicholas Till eine Ausgabe, die der von Hans Günther Adler geretteten Partitur weit getreuer folgte. Sie verwarf nicht alle Entscheidungen von Woodward. Die Ausgabe von Graubart und Till war die Grundlage für die britische Premiere vom 15. Mai 1981 bis zum Studio Theatre of Morley College in London und den Vorstellungen im Imperial War Museum im Mai 1985.

Eine Rekonstruktion der ursprünglichen Partitur wurde von 1992 bis 1998 durch Ingo Schultz gemacht auf Grundlage von Dokumenten und Berichten von überlebenden Künstlern aus Theresienstadt: Karel Berman (dem Sänger der Partie des Todes der Theresienstädter Proben und dessen Rollenbuch der Oper), Herbert Thomas Mandl (Violinist in Produktionen von Ullmann in Theresienstadt) sowie Paul Kling (Geiger und Konzertmeister der Theresienstädter Proben der Oper[7]). Zum ersten Mal waren somit überlebende Musiker des Lagers an einer Produktion beteiligt. Darauf legte der Regisseur Herbert Gantschacher größten Wert, denn die Ausgabe erarbeitet von Schultz mit Berman, Kling und Mandl war die Grundlage der Produktion von ARBOS – Gesellschaft für Musik und Theater, die in Österreich (Klagenfurt, Hallein, Wien 1993–2001), in der Tschechischen Republik 1993 in Prag im Národní Památník (Musiktheaterproduktion des Jahres 1993 in der Tschechischen Republik[8]), sowie 51 Jahre nach der Generalprobe 1995 in Theresienstadt, ferner 1998 im Prager Messepalast, außerdem in Deutschland (Hellerau, Dresden 1994), Schweden (Stockholm, Kulturhuset 1995), Kanada (National Arts Centre Ottawa[9][10][11] Montreal 1994–1996) und in den Vereinigten Staaten von Amerika im Jahr 1998, darunter ein Auftritt im United States Holocaust Memorial Museum in Washington D.C.[12] und Los Angeles Museum of the Holocaust im American Legion Gebäude in Hollywood unter der Schirmherrschaft von E. Randol Schoenberg, dem Enkel des Komponisten Arnold Schönberg.[13]

1989 und 2000 spielte die Neuköllner Oper in Berlin eine Fassung von Winfried Radeke.[14] 1992 gab es am Staatstheater Saarbrücken eine Produktion von Ullmanns Werk, die vom Schott-Verlag betreut wurde. Die Originalversion benutzte auch der Regisseur Tibor Egervari[15] 1998 für seine Inszenierung in Halifax (Nova Scotia / Kanada).[16] Andere erfolgreiche Vorstellungen wurden von der City Opera Vancouver (2009), der Long Beach Opera (2009), der Boston Lyric Opera (2011), Dioneo Opera (London, 2011), durch die English Touring Opera in London und anderen Städten in Großbritanniens (2012) und der Staatsoper Berlin (2013) produziert. In Italien wurde das Werk 2002 am Teatro Massimo in Palermo inszeniert (Regisseur Giuseppe Bruno, Übersetzung des Librettos ins Italienische von Valerio Valoriani), im Jahr 2004 beim Festival dei due mondi in Spoleto (Dirigent James Conlon) sowie am 11. März 2010 in Barletta (Dirigat: Paolo Candido), am 27. September 2012 im Teatro Verdi in Muggia und am 2. Oktober 2012 in Risiera di San Sabba bei Triest, dem einzigen Konzentrationslager auf italienischem Staatsgebiet (musikalische Leitung: Davide Casali, Regie: Lino Marrazzo, Bühnenbild: Endree Kosturi). Die Gruppe „Opera Moderne, NYC“ und die „Schlüterwerke“ produzierten 2012 eine Version in der Regie von Markus Kupferblum, die auch 2013 in Wien in der Maria Theresienkaserne (1941 erbaut als Stützpunkt der Waffen-SS erbaut) zu sehen war. 2014 produzierte ARBOS – Gesellschaft für Musik und Theater anlässlich des 70. Todestages von Viktor Ullmann die erste Inszenierung für Puppen- und Figurentheater ausgestattet von Burgis Paier, in der Dramaturgie des bosnischen Dichters Dževad Karahasan und in Szene gesetzt von Herbert Gantschacher für das Festival Musica Suprimata in Hermannstadt. Weitere Aufführungen folgten unter anderem in Klausenburg, Prag und Sankt Petersburg. Diese Inszenierung widmete sich auch den Spuren Ullmanns im Ersten Weltkrieg, da die Oper auf den eigenen Kriegserfahrungen Ullmanns beruht.[17]

Eine Liste der Aufführungen seit 1992 ist auf der Website des Schott-Verlags einzusehen. Dort sind in den dreißig Jahren bis 2022 ca. 80 Produktionen vermerkt.[18]

Besetzung wichtiger Aufführungen

Rolle Stimmfach Theresienstadt
Proben
Uraufführung
16. Dezember 1975
Deutsche Erstaufführung
4. Februar 1985
Premiere in Theresienstadt
23. Mai 1995
Kaiser Overall Bariton Walter Windholz[19] Meinard Kraak[20] Klaus Hirte Steven Swanson[21]
Der Lautsprecher Bassbariton Bedrich Borges[19] Lodewijk Meeuwsen[20] Cornelius Hauptmann Rupert Bergmann[21]
Ein Soldat Tenor David Grünfeld[19] Rudolf Ruivenkamp[20] Jerrold van der Schaaf Johannes Strasser[22]
Harlekin (Pierrot) Tenor David Grünfeld[19] Adriaan van Limpt[20] Oly Pfaff Johannes Strasser[22]
Bubikopf (Ein Mädchen) Sopran Marion Podolier[19] Roberta Alexander[20] Yasko Kozaki Stefanie Kahl[22]
Der Tod Bassbariton Karel Berman[19] Tom Haenen[20] Rayond Wolansky Krassimir Tassev[22]
Der Trommler Mezzosopran Hilde Aronson‐Lindt[19][23] Inge Frölich[20] Elke Estlinbaum Ingrid Niedermair[22]

Ausgabe

  • Henning Brauel, Andreas Krause (Hrsg.): Der Kaiser von Atlantis oder die Todverweigerung (Partitur) bei Schott 1992.

Diskografie

  • Der Kaiser von Atlantis (Oper) + Hölderlin-Lieder (1943/44); Ausf.: Kraus, Berry, Vermillion, Mazura, Lippert, Gewandhausorchester Leipzig, Dir: Zagrosek; Decca 1994.
  • Der Kaiser von Atlantis Ersteinspielung der Originalfassung für Kammerorchester durch ARBOS – Gesellschaft für Musik und Theater produziert von Studio Matouš Prag 1995.
  • Der Kaiser von Atlantis (Oper); Ausf.: Eröd, Nazmi, Woldt, Chum, Loetzsch, Zara, Münchner Rundfunkorchester, Dir: Patrick Hahn; BR-Klassik 2022.

Literatur

  • Theodor Veidl: Viktor Ullmann, der Lineare. In: Der Auftakt 9, 1929, S. 77–78
  • Spuren zu Viktor Ullmann. Mit Beiträgen von Viktor Ullmann, Herbert Thomas Mandl, Paul Kling, Dževad Karahasan, Ingo Schultz, Jean-Jacques Van Vlasselaer und Herbert Gantschacher (Hrsg. ARBOS – Gesellschaft für Musik und Theater / Wien: edition selene 1998), ISBN 3-85266-093-9
  • Herbert Thomas Mandl: Spuren nach Theresienstadt (DVD über Theresienstadt und Viktor Ullmann). ARBOS, Wien/Salzburg/Klagenfurt 2007
  • Initiative Hans Krása, Verein der Freunde und Förderer der Theresienstädter Initiative e.V. (Hrsg.): Komponisten in Theresienstadt. 2. Auflage. Hamburg 2001, ISBN 3-00-005164-3
  • Zeuge und Opfer der Apokalypse. Ausstellungskatalog über Viktor Ullmann, Erster Weltkrieg und die Oper „Der Kaiser von Atlantis oder Die Todt-Verweigerung“ von Herbert Gantschacher, ARBOS Wien-Salzburg-Klagenfurt-Arnoldstein-Prora 2007–2008[24]
  • Erich Heyduck / Herbert Gantschacher: Viktor Ullmann – Weg an die Front 1917 (DVD). ARBOS, Wien/Salzburg/Klagenfurt 2007
  • Hans-Günter Klein (Hrsg.): Viktor Ullmann – Materialien. Hamburg 1997, ISBN 3-928770-40-3
  • Hans-Günter Klein (Hrsg.): „… es wird der Tod zum Dichter“. Die Referate des Kolloquiums zur Oper „Der Kaiser von Atlantis“ von Viktor Ullmann in Berlin am 4. und 5. November 1995; ISBN 978-3-928770-66-8; 120 S., Hamburg 1996
  • Ingo Schultz: Viktor Ullmann. Leben und Werk. Kassel 2008, ISBN 978-3-476-02232-5
  • Ingo Schultz: Ullmann und andere. musica reanimata Mitteilungen Nr. 73/74, Berlin 2010, ISSN 0943-5093
  • Viktor Ullmann: 26 Kritiken über musikalische Veranstaltungen in Theresienstadt. Hrsg. und kommentiert von Ingo Schultz. Zweite Auflage. Neumünster 2011, ISBN 3-928770-08-X
  • Amanda Holden (Hrsg.): The New Penguin Opera Guide. Penguin Putnam, New York 2001, ISBN 0-14-029312-4
  • James Conway: The Emperor of Atlantis: Director’s Notes. In: English Touring Opera’s Autumn 2012 programme book. S. 22–23
  • David Fligg (Ph.D.): Creativity in Adversity. In: English Touring Opera’s Autumn 2012 programme book. S. 24–29
  • Herbert Gantschacher: Viktor Ullmann – Zeuge und Opfer der Apokalypse / Witness and Victim of the Apocalypse. ARBOS-Edition, Arnoldstein et al. 2015, ISBN 978-3-9503173-3-6

Weblinks

Commons: Der Kaiser von Atlantis – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Herbert Gantschacher: Viktor Ullmann – Zeuge und Opfer der Apokalypse / Witness and Victim of the Apocalypse. ARBOS-Edition, Arnoldstein et al. 2015, ISBN 978-3-9503173-3-6, S. 82 und S. 97
  2. Herbert Gantschacher: Viktor Ullmann – Zeuge und Opfer der Apokalypse / Witness and Victim of the Apocalypse. ARBOS-Edition, Arnoldstein et al. 2015, ISBN 978-3-9503173-3-6, S. 95
  3. Bernhard Heimich: Der Kaiser von Atlantis oder Die Todverweigerung. In: Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters. Band 6: Werke. Spontini – Zumsteeg. Piper, München/Zürich 1997, ISBN 3-492-02421-1, S. 362–364.
  4. youtube.com
  5. Herbert Gantschacher: Viktor Ullmann – Zeuge und Opfer der Apokalypse / Witness and Victim of the Apocalypse. ARBOS-Edition, Arnoldstein et al. 2015, ISBN 978-3-9503173-3-6, S. 1 und S. 124
  6. Theater Bellevue (Memento vom 18. Februar 2016 im Internet Archive).
  7. Oe Culture No. 1/98 (PDF) auf austrian-canadian-council.ca, abgerufen am 29. August 2018.
  8. muzikus.cz
  9. The Austrian-Canadian Council 1995–2005: A Historical Overview (PDF) auf austrian-canadian-council.ca, abgerufen am 29. August 2018.
  10. History of the ACC auf austrian-canadian-council.ca, abgerufen am 29. August 2018.
  11. ncos.ca
  12. thefreelibrary.com
  13. articles.latimes.com
  14. Die Neukoellner Oper spielt wieder Ullmanns Kaiser von Atlantis
  15. ecampus.com
  16. Oe Culture No. 2/98 (PDF) auf austrian-canadian-council.ca, abgerufen am 29. August 2018.
  17. Herbert Gantschacher: Viktor Ullmann – Zeuge und Opfer der Apokalypse / Witness and Victim of the Apocalypse ARBOS-Edition, Arnoldstein et al. 2015, ISBN 978-3-9503173-3-6, S. 83–97
  18. Werkinformationen und Aufführungsmaterial beim Verlag Schott Music, abgerufen am 6. Juni 2022.
  19. a b c d e f g Jacobo Kaufmann: The Emperor of Atlantis in Terezin auf jewish-theatre.com (englisch) (Memento vom 20. Januar 2015 im Internet Archive)
  20. a b c d e f g 16. Dezember 1975: „Der Kaiser von Atlantis“. In: L’Almanacco di Gherardo Casaglia..
  21. a b „The Emperor of Atlantis or The Disobedience of Death“ – Terezín, Mai 1995
  22. a b c d e Theresienstädter Gedenkfestival 21.–23. Mai 1995 unter der Schirmherrschaft von Karel Berman.
  23. Joža Karas: Music in Terezín, 1941–1945. Pendragon Press, Hillsdale, NY 1990, S. 35.
  24. youtube.com