Kalonymiden
Als Kalonymiden bezeichnet man eine jüdische Familie, die ursprünglich aus Lucca in Italien stammt und später in der Provence und in Deutschland ansässig wurde. Die Herkunft des Namens ist ungeklärt. Kalonymos (griechisch Καλώνυμος) bedeutet „guter Name“; es könnte sich dabei um eine Übersetzung des hebräischen „Schem-Tov“ handeln. Leopold Zunz weist auf eine Entsprechung mit dem lateinischen Cleonymus hin.[1]
Ein genauer Zeitpunkt, wann Teile des Familienverbandes nach Deutschland zogen, kann nicht eindeutig festgestellt werden. Nach einem Bericht des Thietmar von Merseburg rettete ein Jude mit Namen Qalonymus das Leben Kaiser Ottos II. in der Schlacht am Kap Colonna mit den Sarazenen im Jahre 982. Vom 11. bis zum 13. Jahrhundert war sie eine der führenden jüdischen Familien im deutschen Rheingebiet (Worms, Speyer und Mainz). Wichtige religiöse und kulturelle Führungspersönlichkeiten dieser Zeit waren Kalonymiden. Sie waren vor allem die bekanntesten Vertreter des deutschen Chassidismus. Die Vertreter der Familie brachten italienische Traditionen mit in ihre neue Heimat. Wahrscheinlich waren sie es, die den Pijjut in den jüdischen Gottesdienst in Deutschland einführten. Der erste uns bekannte Pajtan aus dem Familienverband der Kalonymiden war Moshe ben Qalonymus, dessen Arbeiten zum siebten Tag des Pessach in mehrere jüdische Gebetbücher Eingang fanden.
Zu ihren bekannten Vertretern gehören:
- Eleazar ben Jehuda meWorms
- Jehuda ben Samuel he-Chasid
- Kalonymos ben Meschullam[2] war bis 1096 Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Mainz. Als durchsickerte, dass die Kreuzfahrer in Frankreich Pogrome an den Juden begangen hatten, schickte er einen Boten zu Kaiser Heinrich IV. nach Italien, der daraufhin allen weltlichen und geistlichen Fürsten befahl, die Juden zu schützen. Obwohl die meisten versuchten, dies auch zu tun, kam es zu den Judenverfolgungen zur Zeit des Ersten Kreuzzugs, die in der jüdischen Kultur als Gezerot Tatnu bekannt sind.
- Kalonymus ben Kalonymus, ein Vertreter der Familie aus der Provence
- Meschullam ben Kalonymos (Meschullam der Große)
- Samuel ben Kalonymus he-Chassid
- Jehuda ben Qalonymus ben Meir meSpeyer
- Jehuda ben Qalonymus ben Moshe meMainz
- Qalonymus ben Gerschom, Richter in Worms am Ende des 12. Jahrhunderts[3]
- Qalonymus ben Isaak
- Qalonymus ben Jehuda
- Qalonymus ben Me’ir, Banker von Kaiser Friedrich I. (Barbarossa)[4]
- Qalonymus ben Moshe meLucca
Namenspatrone für eine wissenschaftliche Zeitschrift
Die vom Salomon Ludwig Steinheim-Institut herausgegebene Zeitschrift Kalonymos wurde nach den Kalonymiden benannt.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ In der „Zeitschrift“ von Abraham Geiger. Band II, S. 316.
- ↑ Kalonymos ben Meschullam in der Jewish Encyclopedia
- ↑ Ephraim Kanarfogel: The Intellectual History and Rabbinic Culture of Medieval Ashkenaz. Wayne State University Press, Detroit 2013. ISBN 978 0 8143 3024 1, S. 40, 50.
- ↑ Rainer Josef Barzen (Hg.): Taqqanot Qehillot Šum. Die Rechtssatzungen der jüdischen Gemeinden Mainz, Worms und Speyer im hohen und späten Mittelalter. 2 Bände = Monumenta Germaniae Historica. Hebräische Texte aus dem mittelalterlichen Deutschland, Band 2. Harrasowitz, Wiesbaden 2019. ISBN 978-3-447-10076-2, S. 146.