Kaltluftabflussmodell KLAM 21
Das Kaltluftabflussmodell KLAM_21 (KLAM_21) ist ein vom Deutschen Wetterdienst (DWD)[1] entwickeltes zweidimensionales, mathematisch-physikalisches Simulationsmodell zur Berechnung von Kaltluftflüssen in orographisch gegliedertem Gelände für Fragen der Standort-, Stadt- und Regionalplanung.
Kurzbeschreibung des Modells
Das Modell simuliert die Entwicklung von Kaltluftflüssen und die Ansammlung von Kaltluft in einem beliebig auswählbaren, rechteckig begrenzten Untersuchungsgebiet. Dabei können aus dem Gelände herausragende Hindernisse (z. B. Einzelgebäude, Dämme, Schallschutzwände) modelliert werden, die von der Kaltluft erst dann überwunden werden, wenn sie eine entsprechende Höhe erreicht hat. Das Zusammenspiel dieser Einflussgrößen bestimmt das Entstehen, Fließen und die Ansammlung der Kaltluft. Im Gegensatz zu stark vereinfachenden Modellen, die auf einer „statischen“ Analyse des Reliefs und der Landnutzung beruhen, können mit KLAM_21 Kaltluftbewegungen in ihrer Dynamik und zeitlichen Entwicklung flächendeckend wiedergegeben werden. Als Ergebnis erhält man die flächenhafte Verteilung der Kaltlufthöhe und ihrer mittleren Fließgeschwindigkeit oder der Volumenströme zu beliebig abgreifbaren Simulationszeitpunkten. Der Vergleich von Ist- und Planungszuständen wird mit Differenzenkarten oder zeitlichen Animationen der Kaltlufthöhe, der Fließgeschwindigkeit oder der Volumenströme visualisiert.[2]
Bewertung durch das LANUV NRW
Auch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV NRW) hat KLAM_21 bei der Erstellung der Klimaatlas-Planungskarten zu den Kaltluftabflüssen zugrunde gelegt. Für die Berechnung der Kaltluftflüsse in ganz Nordrhein-Westfalen umfasste das Modellgebiet über 72000 km². Grundlage der Eingangsdaten waren ein digitales Modell für die Geländehöhe sowie aus Satellitendaten abgeleitete Landnutzungsdaten (Corine-Daten) in einem Raster von 200 m. Das LANUV NRW hat das Modell wie folgt bewertet:
"Insgesamt haben Vergleiche mit Messungen gezeigt, dass KLAM_21 in der Regel sehr gute Ergebnisse liefert, das Modell aber auch seine Grenzen hat. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu beachten, dass eine Rasterweite von 200 m recht grob ist. Um z. B. die Wirkung einer Geländestruktur richtig auflösen zu können, sind mindestens drei bis vier Gitterpunkte notwendig. Daraus folgt, dass z. B. die Verhältnisse in einem Tal, das weniger als 800 m breit ist, von den Simulationen nur eingeschränkt wiedergegeben werden können. In der Realität kann in Bodennähe ein Hangabwind quer zur Talachse wehen, während in der Höhe Talabwind herrscht. Da KLAM_21 ein zweidimensionales Modell ist, das die gesamte Kaltluft als eine einheitliche Schicht betrachtet, ist so eine Simulation im Modell nicht möglich. Außerdem können aufgrund der groben Rasterung sehr kleinskalige Muster nicht wiedergegeben werden und in schmalen Tälern oder scharfen Biegungen kann es dazu kommen, dass die Fließgeschwindigkeit unterschätzt wird und es zu unrealistischen Kaltluftstaus kommt. Andererseits werden aufgrund der groben Auflösung lange Hänge zu „glatt“, da kleinere Erhebungen und Vertiefungen nicht oder nur eingeschränkt wiedergegeben werden. Dies führt dazu, dass vor allem an den zum Flachland hin liegenden Hängen der Mittelgebirge die Fließgeschwindigkeit vermutlich überschätzt wird. Sowohl im Modell als auch in der Realität können z. B. starke Zuflüsse aus Seitentälern und ein eingeschränkter Abfluss im Haupttal, dazu führen, dass die Kaltluft talaufwärts fließen muss oder die das Tal begrenzenden Höhen überströmt. Dies ist auch in den Simulationen für Nordrhein-Westfalen, z. B. im Ruhrtal oder dem Wuppertal, zu beobachten. Aufgrund der begrenzten Auflösung und der Zweidimensionalität des Modells ist dies ein Hinweis darauf, dass es an diesen Stellen zu solchen Phänomenen kommen kann. Ob dies in der Realität auch so ist, muss aber im Einzelfall, z. B. anhand von Messungen und/oder detaillierteren Modellierungen, nachgeprüft werden. Trotz der genannten Einschränkungen bei der kleinräumigen Interpretation der Karten, liefern die Ergebnisse der KLAM_21-Berechnungen eine gute Ausgangslage zur Beurteilung von Kaltluftabflüssen z. B. im Rahmen der Regionalplanung."[3]
Konkrete Anwendung am Beispiel der Stadt Aachen
Als aktuelles Beispiel für die Anwendung des Kaltluftabflussmodells KLAM_21 ist die Stadt Aachen anzuführen. Soweit ersichtlich werden dort bei der Neuaufstellung eines neuen Flächennutzungsplans (FNP) erstmals in einer deutschen Großstadt Belange des Klimaschutzes entsprechend der Baugesetzbuch-Klimaschutznovelle von 2011 systematisch Berücksichtigung finden; 2013/2014 hat das Geographische Institut der RWTH Aachen, Arbeitsgruppe Klimatologie, Prof. Dr. C. Schneider und Dr. Gunnar Ketzler, zusammen mit dem Fachbereich Umwelt der Stadt Aachen ein Klimafolgen-Anpassungskonzept (KFK) erstellt, das u. a. ein Gesamtstädtisches Klimagutachten aus 2000 sowie frühere Untersuchungen etwa zu den lokalen Kaltluftströmenverhältnissen einbezieht.[4]
Ergänzend wurden aktuell neben zahlreichen meteorologischen Messungen auch umfangreiche Modell-Berechnungen unter Zuhilfenahme des Kaltluftmodells KLAM_21 durchgeführt. Dabei wurde eine Konfiguration entwickelt, so dass mit vorhandenen Messdaten übereinstimmende Ergebnisse erzielt wurden; der Modelloutput wurde so aufbereitet, dass die Ergebnisse in Anlehnung an die VDI-Richtlinie 3787, Blatt 1, Umweltmeteorologie – Klima- und Lufthygienekarten für Städte und Regionen,[5] planerisch sinnvoll verarbeitet werden konnten.[6] Mit diesen ergänzenden Untersuchungen der RWTH Aachen konnten die grundlegenden Erkenntnisse zu nächtlicher Kaltluftbildung und deren Wirksamkeit im klimatisch-lufthygienisch besonders belasteten Aachener Talkessel weiter vertieft und eine flächig anwendbare Kartengrundlage entwickelt werden.
In dem zusätzlichen Modelllauf mit dem KLAM_21 wurde für 2030 fiktiv zusätzliche Bebauung im Umfang der aktuellen FNP-Prüfflächen angenommen. Diese prognostische Untersuchung konnte belegen, dass mit einer zukünftigen Bebauung der relevanten Kaltluftentstehungs- und abflussgebiete eine gebietsweise deutlich reduzierte nächtliche Abkühlung einherginge; die kartographische Darstellung der Veränderungen 2030 gegenüber 2010 verdeutlicht, dass eine Abnahme nächtlicher Abkühlung mit Werten bis über 1,0 °C vor allem am südlichen und westlichen Innenstadtrand sowie am Rand des Burtscheider Kernbereichs (Beverau) einträte.[7]
Literatur
- SIEVERS, U., 2005: Das Kaltluftabflussmodell KLAM_21. Theoretische Grundlagen, Anwendung und Handhabung des PC-Modells: Bericht des DWD Band 227 (Abstract).
Fußnoten
- ↑ Internetseite des DWD zu Klam_21
- ↑ Informationsblatt des DWD zum Kaltluftabflussmodell KLAM_21, DWD PDF-Datei
- ↑ Klimaatlas NRW - Kaltluftabflüsse - Karteninterpretation (Memento des Originals vom 29. Juli 2017 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ G. Ketzler u. a.: Aachener Klimawandelanpassungskonzept: Umsetzung von Ergebnissen stadtklimatologischer Forschung bei einer FNP-Aufstellung
- ↑ VDI-Richtlinie 3787
- ↑ Aachener Klimafolgen-Anpassungskonzept (AKA), Geographisches Institut der RWTH Aachen
- ↑ Vorlage an den Aachener Umweltausschuss vom 28. Juni 2016