Karl Rätsch

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Karl Rätsch (* 19. April 1935 in Gersdorf / Kreis Brunzlau, heute Polen) ist ein diplomierter Bildhauer und lebt als freier bildender Künstler in Lychen in der Uckermark.

Leben

Karl Rätsch stammt aus einer Holzschnitzer-Familie und wurde in Gersdorf im heutigen Polen geboren. Nach vier Jahren allgemeinbildender Schule absolvierte er eine Holzbildhauerlehre[1] in Cottbus, studierte Steinbildhauerei an der Fachschule für angewandte Kunst in Leipzig[1] und ab 1957 an der Hochschule für bildende und angewandte Kunst in Berlin-Weißensee bei Heinrich Drake und Waldemar Grzimek.[1] Ab dem zweiten Studienjahr erhielt er das Goethe-Stipendium. In seiner Diplomarbeit beschäftigte er sich auch mit dem Thema „Sprachwertigkeit der abstrakten Form“.

Rätsch arbeitet seit 1962 freiberuflich als Bildhauer.[1] Von 1962 bis 1974 lebte und arbeitete er in Neubrandenburg, seit 1974 ist er in Lychen[1] in der Uckermark ortsansässig.

Werk

Formfindung

Karl Rätsch bevorzugte zunehmend die freie Herangehensweise an die menschliche Figur ohne Modell. Die Skulptur „Renée“ ist eine der wenigen Arbeiten aus dem Studium von Rätsch, die heute noch im öffentlichen Raum zu betrachten ist. Das 1962 entstandene Gipsmodell wurde Anfang der 70er Jahre in Bronze gegossen und im heute denkmalgeschützten Kulturpark Neubrandenburg gemeinsam mit vielen anderen Plastiken und Skulpturen aufgestellt. Anhand dieser frühen Skulptur lässt sich der künstlerische Werdegang des Bildhauers Rätsch gut ablesen. Während des Studiums das realistische Abbild der Figur suchend, vertraut er nun zunehmend auf die verschiedenen Sprachen der Kunst, die sich den Betrachtern in Formen, Oberflächenstrukturen und Materialien mitteilen. In runden, amorphen Formen entstehen so u. a. Figuren, bei denen sich durch Auslassungen und Verfremdungen von Formen das Wesen der gezeigten Figur mitteilt. Diese Formen weisen bis heute deutlich den Bezug zur menschlichen Figur auf.

Rätsch hat viele seiner monumentalen Skulpturen und Plastiken in Ton aufgebaut und Gipsmodelle angefertigt. Ein Teil seiner überlebensgroßen Auftragsarbeiten brauchten Jahre bis zu ihrer Fertigstellung. Mit der Arbeit an der „Säule des Lebens“, die als eines seiner wichtigsten Werke gilt, hat er 1974 begonnen, 1977 war das Ton-Gipsmodell fertiggestellt, von 1988 bis 1991 erfolgte die Umsetzung in Sandstein und erst 1992 erfolgte die endgültige Aufstellung auf dem Neubrandenburger Waldfriedhof Carlshöhe. „Der kleine Trompeter“ ist in der Zeit von 1969 bis 1973 entstanden und am neuen Friedhof in der Neubrandenburger Oststadt zu sehen. Schon bei der Umsetzung des ersten Auftrages nach seinem Studium und dem Umzug nach Neubrandenburg brauchte er einen langen Atem. Die Skulptur „Vater mit Kind“ mit dem Untertitel „Laßt uns der Zukunft gute Väter sein“ ist in der Zeit von 1962 bis 1967 entstanden. Rätsch musste aufgrund verschiedener Widrigkeiten den Aufbau des Tonmodells immer wieder neu beginnen.

Rückschläge

Umstände, die heute kaum vorstellbar sind, haben dem jungen Bildhauer ein ungeheures Durchhaltevermögen abgetrotzt: Dem Künstler fehlten schlicht die finanziellen Mittel. Mit seiner fünfköpfigen Familie lebte er damals von den schmalen Honoraren, die er und seine Frau als Dozenten verschiedener Zirkelkurse verdienten, gerade genug für etwas Margarine und Milch am Wochenende, die Wochentage waren geprägt von Nahrungsmitteln, die sie im Garten ernteten und im Wald und auf den Wiesen fanden.

Wende und Wandel

Rätsch vollendet noch in den Wendejahren ein Mammutprojekt, das ihn über Jahre begleitete: den Auftrag für die Gestaltung der „Säule des Lebens“ auf dem großen Waldfriedhof Neubrandenburgs, der „Carlshöhe“.

Die Konzeption des Friedhofes sah in den 70er Jahren vor, dass in der parkähnlichen Anlage auch Skulpturen aufgestellt werden sollten. Karl Rätsch erarbeitete ein Modell, bei dem die verschiedenen gesellschaftlichen Kräfte zusammenkommen. Alt und Jung, Frauen und Männer, Kinder und Liebende, der Zweifler, der Träumende… – die das Leben stabilisieren und aufeinander bauen. Materialmangel erschwerte die Umsetzung. Der mit der Stadt Neubrandenburg als Auftraggeber geplante Bronzeguss konnte nicht umgesetzt werden, da die notwendigen Gusskapazitäten in den folgenden 10 Jahren nicht zu bekommen waren. Rätsch erwog die Umsetzung in Kalkstein. Nach langen Verhandlungen mit dem Wirtschaftsministerium bekam er die Zusage, dass ihm zwei Blöcke Kalkstein geliefert werden. Er erwirkte hierfür sogar die Wiederaufnahme eines bis dahin stillgelegten Steinbruchs in Thüringen (Oberdorla). Doch die für ihn vorgesehenen Kalksteinblöcke kamen nie bei ihm an. So entschied er sich, die Säule aus vier Sandsteinblöcken, die aufeinander montiert wurden, zu schlagen. In nur drei Jahren, von 1988 bis 1991, setzte er die nahezu fünf Meter hohe „Säule des Lebens“ mit traditionellen Steinmetz-Techniken um.

Derweil hatte die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten begonnen und mit dieser verringerten sich die öffentlichen Mittel für die Vergabe von Aufträgen. In den folgenden Jahren arbeitete Rätsch fast ausschließlich an Arbeiten für Ausstellungen. Es beginnt in dieser Zeit ein Wandel in seinen Arbeiten, der sich schon unter der Arbeit an der „Lebenssäule“ ankündigte.

Bereits 1969 hatte er bei einem Urlaub mit der Familie einen kleinen weiblichen Torso aus Holz geschnitzt. Dieser knapp sechs Zentimeter hohe, honigfarbene Torso liegt wie ein wunderschöner Handschmeichler in der Hand. Er habe mit dieser Arbeit eine Erkenntnis praktisch erprobt, die seine Arbeiten in Material und Sujet verändern sollte, die Einsicht nämlich, dass er eine menschliche Figur auch in sich geschlossenen Formen umsetzen kann, bei der ein hoher Abstraktionsgrad es überflüssig macht alle Körperteile abzubilden. Das Auge der Betrachter sei dabei angeregt zu ergänzen und sich ästhetisch an den runden Formen zu erfreuen.

In der Nachwendezeit entwickelt er diese Erkenntnis in vielen Werken weiter. Menschliche Figuren werden zu rundlichen Gebilden abstrahiert, die Assoziationen an Bewegung und Aufbruch wecken und damit sehr überzeugen. Neben diesen stark abstrahierten Werken stehen auch weiterhin deutlich erkennbare menschliche Figuren, mit denen Rätsch in der Pose der dargestellten Menschen und in der Überspitzung einzelner Teile des Körpers einen Ausdruck seines politischen, gesellschaftlichen und moralischen Zweifels formuliert.

Ausstellungen (Auswahl)

  • 1981: Büro für Kunstausstellungen Koszalin/Polen
  • 1985: Galerie im Friedländer Tor Neubrandenburg
  • 1987: Pädagogische Hochschule Güstrow
  • seit 1988: ständige Ausstellung in Lychen (etwa 100 Plastiken in Holz, Stein, Terrakotta, Bronze, Kunstharz und Zeichnungen)
  • 1989: Staudenhofgalerie Potsdam
  • Museum der Stadt Neustrelitz
  • Schlosskirche Neustrelitz
  • 1992: Rathausgalerie Templin
  • 1995: Galerie „Alte Tankstelle“ Templin
  • Galeriekirche Zachow b. Neubrandenburg
  • Kleine Galerie Feldberg
  • 1996: PCK Schwedt/Oder / Lychen-Information
  • 1999: Europäische Akademie Wartin
  • 2000: Schlosskirche Neustrelitz
  • Multikulturelles Zentrum Templin
  • 2003: Historisches Rathaus Münster
  • Eberswalde Rathausgalerie
  • Schwedt Galerie im Ermelerspeicher
  • 2005: Galerie Montmartre Paris
  • 2006: Galeriekirche Zachow b. Neubrandenburg
  • 2010: Helenenkapelle Lychen
  • 2015: Helenenkapelle Lychen Burg Storkow
  • 2016: Kirche Kappe (LKR OHV)
  • 2018: Galerie Bärmisch in Beenz
  • 2021: Theater mit Puppen Passentin

Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl)

  • Alle Bezirkskunstausstellungen in Neubrandenburg von 1962 – 1990
  • VI., VII., VIII., IX. und X. Kunstausstellung der DDR in Dresden
  • VII. Biennale der Ostseeländer, Norwegens und Islands, Rostock 1977
  • „Großer Kreis“, Wanderausstellung der Künstler der Uckermark
  • Gruppenausstellungen in Moskau, Sofia, Petrosawodsk, Budapest, Wien, Bern, Berlin, Flensburg, Bonn, Hamburg (Norderstedt), Münster, Dresden, Rostock, Schwedt, Eberswalde, Prenzlau, Greifswald, Waren/Müritz, Demmin

Literatur

  • Marieken Matschenz, Ute Köpke, Anke Müller, Stephan Rätsch, Kerstin Zegenhagen: Symphonien der Formen. Verein simsalArt e.V., Passentin 2022.

Weblinks

Commons: Karl Rätsch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e Kunstausstellung von Volkmar Haase und Karl Rätsch. In: Amt Brüssow. Abgerufen am 29. Juni 2022.