Karl Wirth (Klavierbauer)

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Karl Wirth (* 1800 in Augsburg; † 1882 in Stuttgart) war ein deutscher Orgel- und Klavierbauer, der zwischen 1827 und 1854 eine große Klavierbaufabrik in Sankt Petersburg aufbaute.

Leben und Wirken

Karl Wirth war der Sohn von Franz Joseph Wirth (1760–1819), einem in Augsburg tätigen Orgel- und Klavierbauer.[1] Nach dem Tod des Vaters übernahm Karl Wirth den Betrieb, siedelte jedoch aufgrund der dort besseren Auftragslage nach Sankt Petersburg um. Karl Wirths Fabrik hatte bald 100 Arbeiter. In der Fabrik arbeitete auch Friedrich Wilhelme Schiller als Geselle, dieser eröffnete später seine eigene Fabrik.[2]

Wirth arbeitete und wohnte in seinem eigenen Haus in der Malaâ Morskaâ Straße 22 (gegenwärtig 21). Für sein „Aeolodikon“, ein Tasteninstrument mit frei schwingenden Zungen, einem Vorläufer des Harmoniums erhielt er 1829 die Große Silbermedaille auf der Ersten Öffentlichen Ausstellung der Russischen Manufakturwaren in Sankt Petersburg.

In den 27 Jahren, in denen er in Petersburg aktiv war, baute er 2700 Instrumente.[3] In Clara Schumann fand Wirth eine prominente Klaviervirtuosin, die viel Gutes über seine Pianos berichtete, was er als Werbemittel einsetzen konnte. Über ihre Reise nach Sankt Petersburg erwähnte sie, dass um 1850 in der russischen Hauptstadt überall Deutsch gesprochen wurde, erst 10 Meilen außerhalb soll das Russische überwogen haben.[4] Damit wird sie auch die Vielzahl an weiteren deutschen Instrumentenbauern gemeint haben, denen sie in Sankt Petersburg begegnete. 1841 kam es zu einem Brand in Wirths Fabrik, bei dem ein Großteil der Werkzeuge und des Materials vernichtet wurde.

Eine auf Wirth zurückgehende Orgel aus Sankt Petersburg (1833) befindet sich seit 1875 in der finnischen Gemeinde Myrskylä

„Mit Beginn der dreißiger Jahre trat Carl Wirth hervor mit ſeinen, tatsächlich wundervollen Flügeln, welche den Tischner'schen Inſtrumenten an Solidität nichts nachgaben, dabei jedoch, was Elastizität der Spielart und weichen, gesanglichen Ton anbelangt, sie bedeutend übertrafen. Es war ein wahrhafter Hochgenuß auf einem Wirth'schen Flügel zu spielen, weil der Mechanismus desſelben jeden Anschlag des Spielers auf's präziseste je nach dessen Intentionen nüancirt wiedergab und zugleich der zu Tage kommende Ton der menschlichen Stimme ähnelte. Ich bin auf's festeste überzeugt, daß Jeder, der jemals Gelegenheit hatte, ein echtes Carl Wirth'sches Inſtrument (aus der Zeit von 1840–55) zu ſpielen, mir vollkommen beistimmen wird. Carl Wirth's Flügel konkurrierten siegreich mit den damals weltberühmten Erard'schen Fabrikaten, und verdrängten zuletzt dieselben sogar aus den Palästen unserer, allem Pariser Chic so ergebenen Aristokratie.“

Jouryi von Arnold[5]

Friedrich Eschenbach wird in der Forschung als Nachfolger von Karl Wirths Pianofabrik gesehen, da Eschenbach in den Jahren nach Wirths Rückkehr in die Heimat die Produktion der bekannten Klaviere unter demselben Namen fortsetzte. Eschenbach war wahrscheinlich der Sohn von Wirths Schwager Adam Eschenbach.[6]

Die Familie von Wladimir Iljitsch Lenin schaffte um 1870 einen Wirth-Flügel an. In den drei Gedenkstätten in Simbirsk, Kasan und in Samara wurden zu Sowjetzeiten extra Wirth-Flügel beschafft, um das historisch getreue Ambiente erlebbar zu machen.

Einzelnachweise

  1. Sergeev M. V. «On ostavlyaet po sebe dobruyu pamyat, ne oskorbiv nichego slukha»: peterburgskiy fortepiannyy master K. Virt [«He Leaves a Good Memory about Himself, without Offending Anyone’s Hearing»: St. Petersburg Piano Maker C. Wirth] // Nauchnyy vestnik Moskovskoy konservatorii [Journal of Moscow Conservatory]. 2017. № 1. P. 18-33. (Russian).
  2. Sergeev M.V. Fortepiannoe delo v Peterburge XIX veka: (Po materialam russkoy periodicheskoy pechati) [Piano making in St. Petersburg of the XIX century: (According to the Russian periodical press)]. Rossiyskaya kultura glazami molodykh uchenykh [Russian culture through the eyes of young scientists]. Vol. 3. St. Petersburg, 1994. P. 74–92. (Russian).
  3. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 8. Dezember 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/izi.travel Seitenaufruf am 27. November 2015
  4. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 8. Dezember 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.forgottenbooks.com
  5. Zitiert aus Neue Zeitschrift für Musik: 1896, Band 92, Teil 2 [1]
  6. Sabine Katharina Klaus: Studien zur Entwicklungsgeschichte besaiteter Tasteninstrumente bis etwa 1830: Quellen und Studien zur technischen Entwicklung. Münchner Stadtmuseum. Musikinstrumentenmuseum H. Schneider, 1997. S. 398.