Steuerung (Dampfmaschine)

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Triebwerk einer Atlantic-Lokomotive (Pennsylvania Railroad E6s) mit Heusinger-Steuerung (engl. ‚Walschaerts gear‘)

Die Dampfmaschinensteuerung, auch kurz Steuerung genannt, ist der Teil einer Kolbendampfmaschine, der das Einströmen des Dampfes in den und das Ausströmen aus dem Zylinder steuert. Durch den mittels Schieber oder Ventil vermittelten Wechsel zwischen Ein- und Ausströmen kann der Dampf im Dampfzylinder Arbeit verrichten und den Kolben hin und her bewegen. Die Steuerung beeinflusst den Lauf und die Bewegungsrichtung der Dampfmaschine durch Öffnen oder Schließen der Schieber. Über das Verstellen der Ventile oder den Überdeckungsgrad der Schieber kann der Fahrer der Maschine die Füllung der Zylinder und die Expansion des Dampfes im Zylinder beeinflussen und so in einem gewissen Grad Leistung und Geschwindigkeit der Dampfmaschine sowie die Wirtschaftlichkeit ihrer Arbeitsweise bestimmen.

Grundsätzlich ist zwischen den Teilen der inneren Steuerung und denjenigen der äußeren Steuerung zu unterscheiden.

Konstruktives Ziel einer Dampfmaschinensteuerung sind außer der Grundfunktion im Interesse eines niedrigen Dampfverbrauches ein schnelles Öffnen und Schließen der Dampfkanäle zum Zylinder, geringe Dampfgeschwindigkeiten und Strömungswiderstände, keine schädlichen Räume sowie niedrige Wärmeverluste des Dampfes bei Durchströmung der inneren Steuerung.

Allgemeiner Aufbau, Vorbemerkung

Im Folgenden werden im Wesentlichen die Steuerungsbauarten der Dampfmaschinen von Dampflokomotiven beschrieben. Hinsichtlich stationärer Dampfmaschinen sind zum Teil abweichende Baugrundsätze verwirklicht worden.

Innere Steuerung

Unter innerer Steuerung versteht man diejenigen Bauteile, die unmittelbar mit dem Dampf in Berührung kommen und seine Ein- und Ausströmung in den bzw. aus dem Zylinder beeinflussen.

Zentrales Bauteil der inneren Steuerung ist häufig ein Schieber. Dieser kann als Flachschieber (Muschelschieber) oder als Rundschieber (Kolbenschieber) ausgeführt sein. Der Schieber wird vom dampfdichten Schieberkasten umgeben, der sich zu Wartungs- und Reparaturzwecken öffnen lässt. Am Schieberkasten sind teilweise Zusatzventile angeflanscht, die zur Inbetriebnahme der Dampfmaschine und ihrem möglichst widerstandsarmen Leerlauf (Druckausgleicher) erforderlich sein können.

Anstelle von Schiebern können aber auch Ventile zum Einsatz gelangen.

Flachschieber

Der Flachschieber liegt auf einer ebenen Fläche, dem Schieberspiegel auf, in die schlitzförmige Kanäle eingearbeitet sind, durch die der Dampf in den Zylinder und aus diesem wieder zurück gelangt. Die Kanäle werden durch die Schieberbewegung abwechselnd mit der Dampfzufuhr und dem Auspuff verbunden. Der Druck des Frischdampfes lastet von oben auf dem Schieber und drückt diesen dichtend auf den Schieberspiegel. Er kann dadurch nur mit erheblichem Kraftaufwand bewegt werden, was ein wesentlicher Nachteil des Flachschiebers ist. Andererseits liegt er jedoch, vom auf ihm lastenden Druck abgesehen, lose auf dem Schieberspiegel auf und kann sich von der Fläche abheben und so eventuelles Kondenswasser aus dem Zylinder auch bei an sich abgeschlossenen Kanälen ablassen. Letzteres ist ein großer Vorteil des Flachschiebers, da dadurch Schäden an der Dampfmaschine durch Wasserschläge verhindert werden können.

Rundschieber

geteilte Schieberbuchse mit Dampfkanälen für die Einströmung und Ausströmkanal (links) an einer Dampflokomotive
Trofimoff-Schieber als Beispiel für einen Kolbenschieber. Der abgebildete Schieber hat einen Durchmesser von 300 mm. Die jeweils vier Kolbenringe der Schieberkörper sind gut zu sehen.

Bei dem Rund- oder auch Kolbenschieber handelt es sich um die zylindrische Ausführung eines Schiebers. Anstelle der ebenen Fläche des Schieberspiegels tritt hier die Wandung der zylindrischen Schieberbuchse, die von den Dampfkanälen durchbrochen ist. Der eigentliche Schieber besteht aus zwei Kolbenkörpern, die je nach Bauart auf einer gemeinsamen Schieberstange fest oder „fliegend“ angeordnet sind. Da der Dampfdruck die Schieberkörper nicht wie beim Flachschieber einseitig-flächig beaufschlagt, sondern auf beide Außenflächen wirkt, lassen sich Kolbenschieber ohne großen Kraftaufwand und unabhängig vom Dampfdruck relativ frei bewegen. Kolbenschiebersysteme können allerdings bei einem Wasserschlag die abgeschlossenen Dampfkanäle nicht wie Flachschieber durch "Abheben" freigeben und müssen deshalb mit zusätzlichen Armaturen wie Zylindersicherheitsventilen oder Bruchplatten versehen werden.

Der Kolbenschieber ist bei europäischen Dampflokomotiven die meistverbreitete Bauform der inneren Steuerung und in etlichen Bauarten anzutreffen. Man unterscheidet feste Regelkolbenschieber, bei denen der Druckausgleich für den Leerlauf der Dampfmaschine durch externe Ventile ermöglicht wird, von kombinierten Druckausgleich-Kolbenschiebern. Die davon bekanntesten Bauarten sind der Karl-Schultz-Schieber (Nicolai-Kolbenschieber), der Müller-Schieber und der Trofimoff-Schieber.

Ventilsteuerung

Besonderheiten der Ventilsteuerung

Anstelle der relativ schweren Flach- bzw. Rundschieber können zur Regelung des Dampfeintrittes und -auslasses auch kleinere und leichtere Ventile verwendet werden, ähnlich denjenigen, die in Verbrennungsmotoren zum Einsatz kommen. Bekannt sind insbesondere die Lentz-Steuerung sowie die Caprotti-Steuerung. Die Ventilbetätigung kann sowohl über sich hin und her bewegende Nockenstangen als auch über zentrisch bzw. exzentrisch schwingende oder aber auch rotierende Nockenwellen erfolgen.

Während leichte Tellerventile gegen den Dampfdruck öffnen müssen, sind Doppelsitzventile (Rohrventile) und Kolbenventile druckentlastet. Ventile bieten gegenüber Schiebersteuerungen den Vorteil großer Ein- und Auslassquerschnitte, kleiner schädlichen Räume und geringerer Drosselung. Sie sind daher für Schnellläufer geeignet[1].

Lentz-Steuerung

Die Lentz-Steuerung ist benannt nach ihrem Entwickler, dem Ingenieur Hugo Lentz.

Lentz-Steuerung mit stehenden Ventilen und Ventilbetätigung über Nockenstangen
Datei:Lenz-Ventilsteuerung.jpg
Foto der Ventilsteuerung nach Bauart MF Esslingen
(aus Messerschmidt: Lokomotivtechnik im Bild)

Bei dem gängigsten Lentz-Ventilsteuerungssystem befinden sich oberhalb des Dampfzylinders vier in Reihe stehende Ventile. Die beiden äußeren Ventile dienen dem Dampfaustritt, die beiden inneren Ventile dem Dampfeinlass. Die Ventile sind als Doppelsitzventile aus Flussstahl gefertigt. Auf den hohlgebohrten Ventilschaft aufgeschraubt ist der Ventilbetätigungskopf. Durch diesen radial hindurchgeführt ist die Nockenstange mit den die Ventile betätigenden Hubkurven; der federdruckbelastete Ventilkopf wälzt sich über glashart gehärtete Rollen auf der hin und her gehenden Nockenstange ab. Die Bewegung der Nockenstange parallel zum Kolben wird von einer gewöhnlichen Dampflokomotivsteuerung nach Heusinger erzeugt, allerdings mit vergrößertem Hub im Interesse raschen Öffnens;[2] die Steuerung ist daher auch wie eine gewöhnliche Schiebersteuerung zu handhaben.

Aufgrund der federdruckbelasteten Ventile bedarf es zum Schutz des Zylinders gegen Wasserschlag keiner Sondereinrichtungen. Ferner kann durch eine Sondereinrichtung, bei der mittels Druckluft oder Dampf der Ventilspindelkopf von der Nockenstange abgehoben werden kann und so eine dauerhafte Ventilöffnung möglich ist, ein besonders leichter Leerlauf der Lokomotive erreicht werden.[3] Als Vorteil gegenüber der Kolbenschiebersteuerung wurde auch angesehen, dass sich der Ventilsitz ohne aufwendige Werkzeugmaschinen nachschleifen lässt und die zu Undichtigkeiten neigenden Stopfbuchsen der Kolbenschieber entfielen.[4]

Lentz-Steuerung mit schwingender zentrischer Nockenwelle

Bei dieser Ausführungsart der Lentz-Ventilsteuerung werden die Ventile nicht durch eine Nockenstange, sondern eine achsparallel liegende, vertikal oszillierende (also nicht ständig gleichsinnig drehende) Nockenwelle betätigt. Die Ventile sind hierbei auf dem Dampfzylinder liegend angeordnet. Die Nockenwelle wird von der Treibachse aus über Stangen und eine Gegenkurbel angetrieben.

Die Lentz-Steuerung mit schwingender zentrischer Nockenwelle fand zunächst im stationären Dampfmaschinenbau, sodann aber auch bei Heißdampf-Verbund-Lokomobilen der Firma Lanz Verwendung. Ein erster Einsatz im Lokbau erfolgte in Italien 1906. Als Vorteil dieser Bauart galt insbesondere die einfachere Fertigung rotierender Bauteile.[5]

Lentz-Steuerung mit exzentrisch schwingender Nockenwelle

Im Gegensatz zur vorgenannten Nockenwellen-Bauart der Lentz-Ventilsteuerung schneiden sich bei dieser Ventilspindelachse und Nockenwellenachse nicht, sondern gehen in einer gewissen Entfernung, also exzentrisch, aneinander vorbei.[5]

Äußere Steuerung

Komponenten einer Heusinger- oder Walschaerts-Steuerung:
1 - Gegenkurbel, 2 - Schwingenstange, 3 - Steuerstange, 4 - Hängeeisen, 5 - Aufwerfhebel, 6 - Steuerstangenhebel, 7 - Schwinge, 8 - Schieberschubstange, 9 - Lenkeransatz am Kreuzkopf, 10 - Schieberstangenführung, 11 - Lenkerstange, 12 - Voreilhebel, 13 - Schieberstange, 14 - Kolbenschieber
Wechsel von Vorwärts- nach Rückwärtsfahrt.

Als äußere Steuerung bezeichnet man alle mechanischen Antriebsorgane wie Hebel, Kurbeln, Exzenter oder andere Übertragungselemente, die die Bauteile der inneren Steuerung bewegen. Die Ansteuerung wird dabei direkt von der Bewegung des zu steuernden Dampfmaschinenkolbens abgeleitet. Durch veränderliche Hebelübersetzungen können der Hub des Schiebers und somit der Füllungsgrad und sogar die Drehrichtung der Dampfmaschine verändert werden. Dabei spricht man dann von einer Kulissensteuerung. Ventilsteuerungen werden durch verstell- oder verschiebbare Nocken oder Nockenwellen reguliert.

Bevor umstellbare und regelbare Steuerungen entwickelt wurden, konnte die Dampflokomotive nur mit dem Dampfregler gesteuert werden; für die Umkehr der Fahrtrichtung mussten Teile des Triebwerks in aufwendiger „Handarbeit“ umgestellt werden, wie aus der Beschreibung der von Robert Stephenson 1831 gebauten Lokomotive John Bull ersichtlich wird.

Da der prinzipielle Aufbau der äußeren Steuerung unabhängig von der inneren Steuerung ist, werden Steuerungsbauarten nach dem Aufbau der äußeren Steuerung benannt.

Steuerungsbauarten

Einige Bauarten von Dampfsteuerungen sind:

Steuerungsanordnungen

Im Dampflokomotivbau wird bezüglich der Anordnung zwischen Innensteuerung und Außensteuerung unterschieden.

Als Innensteuerung wird bezeichnet, dass das Steuerungsgestänge mitsamt den Schieberkästen sich im Innenbereich zwischen den Treibrädern befindet wie beispielsweise bei der Preußische G 3. Fallweise kann sich auch die Treibgestänge-Anordnung in diesem Bereich befinden. Häufig, aber nicht zwangsläufig ist damit auch eine Außenrahmen-Bauweise verbunden, die genügend Platz für die Innensteuerung belässt, wie beispielsweise bei der MÁV IIIe.

Als Außensteuerung wird bezeichnet, dass das Steuerungsgestänge mitsamt den Schieberkästen sich außen neben den Treibrädern befindet. Meist sind dabei die Zylinder und das gesamte Treibgestänge auch außen angeordnet, wie die obigen Steuerungsbilder es zeigen. Fallweise können sich aber auch die Zylinder und Treibstangen im Innenbereich befinden, während die Kuppelstangen außen platziert sind, siehe beispielsweise die kkStB 9.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Tieroff: Die Dampfmaschine, Band I, Fachbuchverlag Leipzig 1956, Seite 164
  2. Max Heinrich Philipp Osthoff: Dissertation über die Ventilsteuerung nach Lentz, TH Berlin, Referent: Obergehtmann, Koreferent: Stumpf, Berlin 1908, S. 12
  3. Hanomag-Nachrichten, Heft 100, S. 26 ff., Februar 1922: Beschreibung und Anweisung zur Behandlung der Lokomotiven mit Lentz-Ventilsteuerung.
  4. Erich Metzeltin: Lokomotiven mit Ventilsteuerung, gebaut von der Hanomag, vormals Maschinenfabrik G. Eggestorff. Aufsatz in Zeitschrift des VDI, 1906
  5. a b Max Heinrich Philipp Osthoff: Dissertation über die Ventilsteuerung nach Lentz, TH Berlin, Referent: Obergehtmann, Koreferent: Stumpf, Berlin 1908