Koledari
Koledari (serbisch-kyrillisch Коледари) sind slawische Weihnachtssänger (altslawisch колѧда/kolęda, „Winterfest“). Das als Koledovanie (bulgarisch Коледуване, polnisch Kolędowanie, slowenisch Koledovanje, serbisch-kyrillisch koleda, russisch Колядование, ukrainisch Колядування) bezeichnete Weihnachtssingen ist ein weit verbreiteter Brauch in Bulgarien, Serbien, Russland, der Ukraine, Belarus, der Tschechischen Republik, der Slowakei und Polen.[1] Der Weihnachtsfeiertag, der schon vor der Einführung des Christentums als Geburtstag der Sonne gefeiert wurde, ist besonders in den ländlichen Regionen Bulgariens ein großes musikalisches Ereignis.
Brauchtum in Bulgarien
Ein bis zwei Monate vor dem Weihnachtstag kommen junge Männer zusammen, ordnen sich zu Gruppen und üben täglich hunderte von Weihnachtsliedern, die von ihren Vorvätern überliefert wurden. Nicht jeder kann ein Koledar (= Weihnachtssänger) sein. Dazu sind musikalische Begabung und eine klangvolle, starke Stimme erforderlich. Nach anderen Angaben beginnen die Gruppen erst am 20. Dezember (Ignaschden – bulg.
) mit ihren Proben. Das bulgarische Weihnachten, Koleda oder Roschdestwo Christowo, findet am 25. Dezember statt. Das Fest markiert das Ende einer am 15. November beginnenden Fastenzeit der orthodoxen Kirche. Die Weihnachtslieder werden hauptsächlich an Heilig Abend gesungen. Traditionell singen sie ab Mitternacht bis Sonnenaufgang des ersten Weihnachtstages. Die Weihnachtssänger ziehen dabei als Gruppe von bis zu 19 jungen Männern, überwiegend Junggesellen, von Haus zu Haus. Angeführt werden sie von einem Mitglied ihrer Gruppe, den sie sich zum Anführer wählen und der Stanenik (bulg.
) oder Tschetnik
genannt wird. Meist ist das ein etwas älteren Mann, der verheiratet ist und bereits Übung mit dem Singen der Weihnachtslieder hat. Gekleidet sind die Koledari in der Feiertagsversion der örtlich üblichen Nationaltracht. Wichtigstes Erkennungszeichen ist der Umhang (der gegen die Kälte schützt) und der große Stock (bulg. koledárki), der beim Gang durch den Schnee hilf und Schutz vor Hunden bietet.
Eine Gruppe beschränkt sich meist auf die Häuser ihres Viertels. Häuser in denen getrauert wird, werden jedoch nicht besucht. Vor den einzelnen Häusern und auf dem Weg zum nächsten Haus singen sie ihre Lieder.
Ihrer hauptsächlichen Bestimmung nach lassen sich die Weihnachtslieder in mehrere Gruppen unterteilen: Es gibt unter anderem
- Lieder für unterwegs, ehe das Haus erreicht ist, wo gesungen werden soll,
- Lieder, die beim Eintritt in das Haus vorgetragen werden,
- Lieder für das Haus,
- Lieder für die einzelnen Hausbewohner – für den Hausherrn, für die alte Frau, für die jungen Männer, die junge Braut, für die kleinen Mädchen und Jungen, für den Soldaten, für den Geistlichen, für den Schäfer, für den Jäger usw.
Die Koledari wünschen Gesundheit, Glück und Wohlstand für das kommende Jahr und tätscheln den Rücken der Leute mit dekorierten Stöcken aus Kornelkirschen. Mit ihren Liedern sollen sie die bösen Geister verjagen. Die Leute beschenken die Koledari mit Brezeln, Wein oder auch Geld. Für das Tragen dieser Geschenke ist ein Gruppenmitglied zuständig, genannt Trochober (bulg.
/Scherfleineinsammler) oder Magare (bulg.
/Esel). Er verstaut die Geschenke in einem Doppelsack. Ein weiterer Träger sammelt die Speisen ein, die nicht an Fastentagen gegessen werden dürfen, er heißt Kotka (bulg.
/Katze) oder Matzka (bulg.
/ebenfalls Katze). Nach anderen Angaben haben die "Katzen" hauptsächlich die Aufgabe, vor dem Eintreffen der Hauptgruppe bereits vor dem nächsten Haus zu Miauen, um das Eintreffen der Koledari anzukündigen.
Dann gehen die Koledari weiter zum nächsten Haus, und das gleiche Schema wiederholt sich. Natürlich können nicht alle Lieder an dem Feiertag vorgetragen werden, da das Vorsingen dem Wunsch der Hausbesitzer entsprechend erfolgt. Insgesamt singen die Koledari 60 bis 70 unterschiedliche Weihnachtslieder.
Die Weihnachtslieder sind optimistisch und lebensfroh. Ihre Melodien sind festlich, feierlich und die Texte besonders poetisch. Sie werden antiphon ausgeführt, das heißt, die Männer teilen sich in zwei Gruppen, von denen die eine zu singen beginnt, während die zweite zunächst wartet und erst einsetzt, sobald die erste Gruppe das Ende der ersten musikalischen Periode erreicht hat. So kommt eine besondere Art von Zwiegesang (Wechselgesang) zustande.
Ein Junge wurde gewöhnlich genau vor Weihnachten in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen. Er zog erstmals ein besticktes Hemd und die Hosen der Erwachsenen an und nahm an einer Gruppe der männlichen Weihnachtssänger teil. Fortan konnte er am Sonntag und an Feiertagen an den Tänzen der Erwachsenen teilnehmen (Reigentanz Horo) und sich unter den jungen Frauen nach einer Verlobten umsehen.
Zu unterscheiden von den Koledari sind die Koledartscheta (bulg.
). Das ist die Verkleinerungsform von Koledari mit dem bestimmten Artikel („Die Weihnachtssängerlein“). Hierbei handelt es sich um Kindergruppen, die bereits am frühen Abend von Haus zu Haus ziehen und ebenfalls Weihnachtslieder vorsingen.
Der Brauch ist seit 2013 Namensgeber für den Koledari Knoll, einen Hügel in der Antarktis.
Mythologie
Traditionell singen die Koledari von Heilig Abend Mitternacht bis zum Sonnenaufgang. Im Volksglauben erscheinen zu dieser Zeit besondere Ungeheuer (ein Karakondschul bulg.
– ein stark behaartes menschenähnliches Wesen mit einem großen Kopf, Hörnern, einem Schwanz, nur einem Auge und nur einem Bein; halb Mensch, halb Pferd), Vampire, böse Geister (Talasam – bulg.
) und andere übernatürliche Wesen. Im bulgarischen Volksglauben haben die Koledari die Kraft, diese Wesen durch ihren Gesang zu vertreiben. Mit Sonnenaufgang verlieren diese Wesen ihre Kraft und das Weihnachtssingen kann beendet werden.
Die jungen Weihnachtssänger unternehmen eine mythische Reise ins Jenseits, bekämpfen dort die bösen Mächte und kommen heil und glücklich zurück. Ihr vorübergehender „Tod“ und ihre „Auferstehung“ sind ein Symbol für den Übergang von der Kindheit ins Erwachsenenleben.
Literatur
- Стоян Джуджев: Българска народна музика. in 2 Bänden. Band I, Sofia 1970. (bulgarisch) (Stojan Dschudschew: Bulgarische Volksmusik.)
- Christo Vakarelski: Bulgarische Volkskunde. De Gruyter, Berlin 1969, S. 313–316, ISBN 3-11-000266-3.
- Mercia Macdermott: Bulgarian Folk Customs. Jessica Kingsley Publishers, 1998, ISBN 1-85302-486-4
Weblinks
- Koledari v Bistrica. Youtube-Video
Einzelnachweise
- ↑ Виноградова Л. Н. Колядование // Славянские древности: Этнолингвистический словарь в 5-ти томах / Под ред. Н. И. Толстого; Институт славяноведения РАН. — М.: Международные отношения, 1999. — Т. 2. — С. 563-575. — ISBN 5-7133-0982-7. (Die Veröffentlichung der Russischen Akademie der Wissenschaften)