Kommt ein Vogel geflogen

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Kommt ein Vogel geflogen ist ein Volks- und Liebeslied, das im Original vermutlich in niederösterreichischer Mundart[1][2] gesungen wurde. Durch spätere Bearbeitungen wurde es auch zu einem Kinderlied.

Geschichte

Bereits 1807 hatte Johann Strolz zwei Strophen des Liedes, allerdings mit einer anderen Melodie, im Tiroler Dialekt veröffentlicht.[3] Bekannt wurde das Lied durch Aufführungen der Liederposse Die Wiener in Berlin von Karl von Holtei (Uraufführung Berlin 1824); die Anmerkung „in bekannter Weise“ im Textbuch deutet darauf hin, dass die Melodie damals bereits bekannt war.[4] Von Holtei dürfte das Lied in Wien gehört haben.[5]

Von Holtei hat in Die Wiener in Berlin auch zwei Gesangsstücke aus der Zauberoper Aline von Adolf Bäuerle (Text) und Wenzel Müller (Musik) verwendet.[6][1] Vermutlich daher rührt der bis heute weit verbreitete Irrtum, auch das Lied Kommt a Vogerl geflogen stamme von Bäuerle und Müller. In der gedruckten Fassung von Aline (1826) ist das Lied jedoch nicht enthalten.[7]

Die Melodie weist Ähnlichkeiten mit dem Volkslied Und die Würzburger Glöckli auf,[8] das jedoch erst ab 1830 überliefert ist.[9] Möglicherweise gehen beide Melodien auf einen gemeinsamen Vorläufer zurück.[10]

Originaltext (Theaterlied)

Der älteste Textzeuge, Karl von Holteis Posse von 1824, ist in stilisierter österreichischer Mundart verfasst, deren Unzulänglichkeiten dem preußischen Autor bewusst waren:

„Alle Wiener, denen dies Buch in die Hände fällt, bitte ich tausendmal um Verzeihung für die Verstümmelung ihres lieblichen Dialekts. Ich fühle mein Unvermögen, die anmuthigen Klänge, – die besonders in dem Munde der Weiber so bezaubernd ertönen – nachzuahmen. Ich und mein Berliner Setzer wir sind nicht im Stande, dies Ziel zu erreichen und wir bitten deshalb die Augen zuzudrücken.“[11]

Welche Textanteile Holtei vorfand, und welche von ihm ergänzt wurden, ist nicht genau bekannt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit stammt von ihm die fünfte Strophe, die nur im inhaltlichen Zusammenhang des Bühnenstücks Sinn ergibt. Die zweite, kraftmeierisch anmutende Strophe, wird in vielen Drucken weggelassen.

Im Originaltext aus dem 19. Jahrhundert geht es im Gegensatz zur verbreiteten Kinderliedfassung nicht um die Mutter, sondern um die Freundin („Diandl“, „Schatzerl“: das junge Mädchen, die Geliebte):[12]

Kimmt a Vogerl’ geflogen,
Setzt si nieder auf mein Fuß,
Hat a Zetterl im Goschl
Und vom Diandl an’n Gruß.

Und a Büchserl zum Schießen
Und an Straußring zum Schlag’n,
Und a Diandl zum Lieben
Muß a frischer Bub’ hab’n.

Hast mi allweil vertröstet
Auf die Summeri-Zeit;
Und der Summer is kumma,
Und mei Schatzerl is weit.

Daheim is mei Schatzerl,
In der Fremd bin ich hier,
Und es fragt halt kei Katzerl,
Kei Hunderl nach mir.

In der Fremd’ sein d’ Wiena
Und d’ Wiena sein harb,
Machen traurige Mienen,
Weil’s Muetterli starb.

Liebes Vogerl flieg weiter,
Nimm Gruß mit und Kuß!
Und i kann di nit begleit’n,
Weil i hier bleiben muß.[4]

Viele im 19. Jahrhundert gedruckte Fassungen scheinen auf Holteis Überlieferung oder dessen Vorlage zu beruhen.[13][14] Darüber hinaus existieren auch noch weitere Versionen.[15][16]

Bekanntheit heute (Kinderlied)

Der Text des Liedes wurde im 20. Jahrhundert (nachgewiesen ab ca. 1911) verändert, wodurch das ursprüngliche Thema verloren ging. So findet sich bei Johann Lewalter und Georg Schläger eine Fassung als bewegtes Singspiel, in der der Gruß von der Mutter abgesendet wurde.[17] Der heute als Kinderlied verbreitete Text lautet:

Kommt ein Vogel geflogen,
setzt sich nieder auf mein’ Fuß,
hat ein’ Zettel im Schnabel,
von der Mutter ein’ Gruß.

Lieber Vogel, fliege weiter,
nimm ein Gruß mit und ein Kuss,
denn ich kann dich nicht begleiten,
weil ich hier bleiben muss.[18]

Melodie

Die Version von LilyPond konnte nicht ermittelt werden:

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Bearbeitungen

Siegfried Ochs schrieb humoristische Variationen über das das Lied ’s kommt ein Vogel geflogen im Stil bekannter Komponisten: Johann Sebastian Bach, Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart, Johann Strauss (Sohn), Giuseppe Verdi, Charles Gounod, Richard Wagner (Band 1, 1878), Ludwig van Beethoven, Giacomo Meyerbeer, Felix Mendelssohn Bartholdy, Frédéric Chopin, Robert Schumann, Johannes Brahms (Band 2, 1879).

Amy Beach zitierte das Lied in ihrer Tyrolean Valse-Fantaisie op. 116 (1911).

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Hoffmann von Fallersleben (neu herausg. Karl Hermann Prahl): Unsere volkstümlichen Lieder. 4. Auflage. Engelmann, Leipzig 1900, S. 179 (Textarchiv – Internet Archive)
  2. Correspondance from the north of Germany. In: The London Magazine, 1826, S. 503 (Digitalisat in der Google-Buchsuche)
  3. Johann Strolz: Schnodahaggen, Unterinnthalische Volksliedchen. In: Der Sammler für Geschichte und Statistik von Tirol. Zweyter Band. Im Verlage der Redaction. Gedruckt mit Wagner'schen Schriften, Innsbruck 1807, S. 69–96; hier S. 78 (Text) u. Nr. I auf der beigehefteten Tafel mit Notenbeispielen (Digitalisat im Historisch-kritische Liederlexikon).
  4. a b Karl von Holtei: Die Wiener in Berlin. In: ders.: Theater. Band 2. Trewendt, Breslau 1867, S. 121 f. (Digitalisat).
  5. Kommt a Vogerl geflogen (Singspiel-Lied 1824)
  6. Zum Duett »Was macht denn der Prater« fügt Bäuerle in Aline folgende Fußnote ein:

    „Herr von Holtei hat in seinen Wienern in Berlin dieses, wie das folgende Duett benützt, und mir so den ersten günstigen Eindruck genommen. Da ich diese Melodien aufgefunden, und ich den Text darauf gemacht habe, so ist eine solche Benützung sehr verdrießlich, und ich muß, um nicht als sein Nachschreiber zu gelten, sie öffentlich rügen.“

    Adolf Bäuerle: Komisches Theater, Band 6. Enthält: Aline, oder Wien in einem andern Welttheile, Volkszauberoper in drey Acten. Die schlimme Liesel, Lustspiel in einem Act. Wien, Paris, London und Constantinopel, Zauberspiel in drey Acten. Hartleben, Pesth 1826, S. 34 f. (Digitalisat).
  7. Adolf Bäuerle: Komisches Theater. Sechster Band. Hartlebens Verlag, Pest 1826 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  8. Ludwig Erk, Franz Magnus Böhme (Hrsg.): Deutscher Liederhort. 2. Band. Breitkopf und Härtel, Leipzig 1893, S. 790 (Digitalisat).
  9. Tobias Widmaier, Johanna Ziemann: Und die Würzburger Glöckli (2011). In: Populäre und traditionelle Lieder. Historisch-kritisches Liederlexikon
  10. Theo Mang, Sunhilt Mang (Hrsg.): Der Liederquell. Noetzel, Wilhelmshaven 2007, ISBN 978-3-7959-0850-8, S. 349 f.
  11. Jahrbuch deutscher Bühnenspiele. Band 4. Vereins-Buchhandlung, Berlin 1825, S. 224 (Digitalisat).
  12. Johann Michael Bauer: Auswahl der schönsten Lieder und Gesänge für fröhliche Gesellschaften. 3. Auflage. Bauer und Raspe, Nürnberg 1827, S. 386 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  13. Georg Scherer: Deutsche Volkslieder. Mayer, Leipzig 1851, S. 149 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  14. Friedrich Karl von Erlach: Die Volkslieder der Deutschen. Band 4. Hoff, Mannheim 1835, S. 340 (Digitalisat in der Google-Buchsuche).
  15. Neueste Lieder-Sammlung. Jaquet, München 1840, S. 110 (Digitalisat in der Google-Buchsuche)
  16. Anton Hofer: Sprüche, Spiele und Lieder der Kinder (= Corpus musicae popularis Austriacae. Band 16). Böhlau, Wien 2004, ISBN 3-205-98857-4, S. 176 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  17. Johann Lewalter: Deutsches Kinderlied und Kinderspiel. In Kassel aus Kindermund in Wort und Weise gesammelt. Mit einer wissenschaftlichen Abhandlung von Georg Schläger. Vietor, Kassel 1911.
  18. Ingeborg Weber-Kellermann: Das Buch der Kinderlieder. Schott, Mainz 1997, ISBN 978-3-254-08370-8, S. 100.