Kottbusser Tor
Kottbusser Tor Kotti | |
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Platz in Berlin | |
Kottbusser Tor Panorama des Kottbusser Tors in Abendstimmung | |
Basisdaten | |
Ort | Berlin |
Ortsteil | Kreuzberg |
Einmündende Straßen | Kottbusser Straße, Skalitzer Straße, Reichenberger Straße, Adalbertstraße, Admiralstraße, Dresdener Straße |
Bauwerke | U-Bahnhof Kottbusser Tor, Zentrum Kreuzberg |
Nutzung | |
Nutzergruppen | Fußgänger, Radfahrer, Straßenverkehr, ÖPNV |
Kottbusser Tor ist die Bezeichnung für eine platzartige Straßenkreuzung und einen U-Bahnhof im Berliner Ortsteil Kreuzberg (Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg). Der Platz und der U-Bahnhof werden im Berliner Volksmund auch „Kotti“ genannt.[1] Er ist das Zentrum der nordöstlichen Hälfte Kreuzbergs, des historischen SO 36.
Namensgebung
Benannt ist der Platz nach einem Stadttor der Berliner Akzisemauer, das sich im 18. und 19. Jahrhundert bis zu deren Abriss in den 1860er Jahren an dieser Stelle befand und in Richtung Cottbus aus Berlin herausführte.
Geschichte
Das Cottbusser Thor wird in einem von Neander von Petersheiden im Jahr 1799 veröffentlichten Adressbuch konkret dargestellt, und zwar lief in Alt-Berlin die Dresdener Straße über das Köpnicker Feld auf das Stadttor zu. Es wurde flankiert von einem bewohnten Einnehmer-Haus (Zollhaus) und einer Thor-Wacht.[2] Die Schreibweisen für das Tor änderten sich mit der Zeit mehrfach, unter anderem von Cottbusserthor[3] über Cottbusser Thor, Cottbuser Tor,[4] Kottbuser Tor,[5] Cottbuser Tor,[6] Kottbuser Tor[7] zu Kottbusser Tor im Jahr 1930.[8] Seitdem wurde die Schreibweise nicht mehr verändert, obwohl sich die namensgebende Stadt mit „C“ schreibt.
Als postalische Adresse kam der Verkehrsknoten im Adressbuch (zwischen 1799 und 1943) nicht vor, im 19. Jahrhundert gab es aber die Adresse Vor dem Kottbusserthor.[9] Vor der Neubebauung ab den 1950er Jahren mündeten die Admiralstraße und die Reichenberger Straße in die Cottbusser Straße noch südlich vor der Skalitzer Straße.[10] Die an den Platz von allen Seiten heranführende Bebauung entstand im Wesentlichen zwischen 1850 und 1900. Nach 1945 mussten die durch alliierte Luftangriffe zerstörten Wohnhäuser abgerissen und durch neue ersetzt werden, wodurch die Mehrfachkreuzung zu einem Kreisverkehrsplatz umgestaltet wurde. Die hier bis in die 1970er Jahre entstandenen Wohntrakte nahmen die Rundung auf oder unterstreichen sie. Der Platz ist nicht amtlich gewidmet und weist auch keine Hausnummern auf. Seinen nicht-amtlichen Namen erhielt er deshalb entweder aufgrund seiner Geschichte oder durch den nahegelegenen U-Bahnhof.
Verkehrsknotenpunkt Kottbusser Tor
Das Kottbusser Tor bildet einen zentralen Verkehrsknotenpunkt in Kreuzberg. Nach Süden verlaufen die breite Kottbusser Straße – im weiteren Verlauf Kottbusser Damm – nach Neukölln Richtung Hermannplatz und die Admiralstraße Richtung Südstern als verkehrsberuhigte Zone und noch südlicher als Fußgängerbereich. Von Ost nach West wird der „Kotti“ von der Skalitzer Straße durchquert (ebenfalls vierstreifig). Die Reichenberger Straße verläuft in Nordwest-Südost-Richtung. Nach Norden führt die schmalere Adalbertstraße, die nach der Maueröffnung schnell zu einer belebten Verkehrsstraße in Richtung Berlin-Mitte wurde. Nur noch zu Fuß erreichbar ist im Norden die Dresdener Straße als Verlängerung der Kottbusser Straße.
Mitte der 1950er Jahre, als das Berliner Stadtzentrum noch zahlreiche Kriegsruinen aufwies, wurden schnell neue Wohnhäuser benötigt. Der Berliner Senat ließ in Übereinstimmung mit dem Kreuzberger Bezirksamt und im Geist der Zeit zahlreiche Gründerzeitbauten abreißen und beauftragte namhafte Architekten mit der Planung von Neubauten. So entstand auf der Südseite des Platzes in dem Dreieck zwischen Kottbusser Straße und Admiralstraße die Hochhausbebauung von Wassili Luckhardt.[11] 1962–1964 folgte ein Wohn- und Geschäftshaus für die Orbis Verwaltungs-Gesellschaft an der Ecke von Skalitzer Straße und Reichenberger Straße, entworfen von den Architekten Sobotka & Müller. Augenfällig ist vor allem das langgestreckte, von 1969 bis 1974 erbaute Neue Kreuzberger Zentrum (NKZ) an der Nordseite des Platzes, das die Adalbertstraße überspannt und die Dresdener Straße im Süden begrenzt. Verantwortliche Architekten waren Wolfgang Jokisch und Johannes Uhl,[12] nach einer Rahmenplanung von Werner Düttmann. Der Grund für diese nach Norden hin abschirmende Wirkung lag in der Autobahnplanung der 1960er Jahre, wonach nördlich des NKZ am Oranienplatz ein Autobahnkreuz zwischen den nie realisierten Autobahnen A 102 und A 106 vorgesehen war.[13] Auf der Südseite des Kottbusser Tores entstand 1973–1977 eine Wohnbebauung mit Brückenhaus über die Admiralstraße hinweg.[14] Der Architekt war Herbert Stranz.[15] Die Bebauung an der Spitze des Block 88 zwischen Reichenberger und Kottbusser Straße wurde 1983 fertig. Deren Fassadengestaltung stammt von Hans Wolff-Grohmann.[16]
Direkt auf dem runden Platz des Kottbusser Tores befindet sich der gleichnamige Umsteigebahnhof der Hoch- und U-Bahn. Der Hochbahnhof der U-Bahn-Linien U1 und U3 dominiert die gesamte Platzanlage und ist zugleich Erkennungszeichen. Unterhalb des Bahnhofs liegt der U-Bahnhof der Linie U8. Während die Hochbahn bereits seit 1902 den Platz quert, fährt die Linie U8 (seinerzeit: Linie D) erst seit 1928 zum Kottbusser Tor.
Kottbusser Tor als sozialer Brennpunkt
Straßenkämpfe
Das Gebiet um das Kottbusser Tor mit dem benachbarten Wassertorplatz ist – wie der gesamte Kiez – ein sozialer Brennpunkt. Am 5. Januar 1980 wurde Celalettin Kesim bei einem Überfall von türkischen Faschisten und religiösen Fundamentalisten am Kottbusser Tor ermordet.[17] Anfang der 1990er Jahre wurde am Tatort eine von Hanefi Yeter geschaffene Gedenkstele errichtet. Hinzu kamen Maikrawalle und Aktionen der Jugendgang 36 Boys.
Der Berliner Senat wies das Quartier ab den 2010er Jahren rund um das Kottbusser Tor mit dem Zentrum Kreuzberg als eines von 17 Gebieten mit besonderem Entwicklungsbedarf aus.[18] Verschiedene Maßnahmen des Bezirksamts und von Anwohnerinitiativen – wie dem Myfest – führten dazu, dass Ausschreitungen in den vergangenen Jahren erheblich zurückgingen.
Der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund beträgt etwa 70 Prozent (Stand: 2014).[13]
Drogenprobleme
Rund um den Platz hat sich auch eine größere Drogenszene etabliert. Zur Verbesserung der Situation sowohl der Drogenabhängigen als auch der dort wohnenden Bürger gab es zwischen 2004 und Mitte 2009 in der Dresdener Straße einen öffentlichen Drogenkonsumraum (auch Druckraum oder Fixerstube genannt), der vom Aids- und Suchthilfeträger Fixpunkt betrieben wurde.[19] Bis zur Wiedereröffnung einer solchen Fixerstube halfen zwei Kleinbusse direkt am Kottbusser Tor den Abhängigen.[20] Im Sommer 2011 wurde ein neuer Druckraum auch gegen Proteste einer von Anwohnern gegründeten Bürgerinitiative in einer stillgelegten Schule wiedereröffnet.[21][22][23] Der Kreuzberger Gesundheitsstadtrat Knut Mildner-Spindler verlegte die Fixerstube im Dezember 2011 in die nahegelegene Reichenberger Straße. Wesentliche Verbesserungen sind nicht eingetreten, so gab es im Jahr 2012 beispielsweise noch 20 bekannte Drogenabhängige und Händler rund um das Quartier, die Zahl der Drogendelikte stieg um rund 100 Prozent.[24] Der Platz gehört immer noch zu den Hauptumschlagsplätzen für harte Drogen in der Stadt.[25]
Organisierte Kriminalität
Zwischen 2013 und 2015 vervielfachten sich Diebstähle im Bereich des Kottbusser Tores auf 775 angezeigte Fälle. Die Zahl der Raubüberfälle stieg von 2014 zu 2015 um 50 Prozent. 55 Verdächtige hat die Polizei 2015 festgenommen. Die Täter arbeiten häufig mit dem Antanztrick, um vor allem Wertsachen zu stehlen. Bei Gegenwehr kommt es auch zur Gewaltanwendung, dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Diebstahl, Raub, Körperverletzung und Missbrauch. Sexuelle Übergriffe auf Frauen sind ebenfalls beobachtet und angezeigt worden.[26][27]
Siehe auch
Literatur
- Talja Blokland: Leben zwischen Dreck und Drogen. Logos Verlag, Berlin 2021, ISBN 978-3-8325-5310-4; doi:10.30819/5310, logos-verlag.de (PDF; 6,1 MB)
Weblinks
- Kottbusser Tor. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)
- Stephan Becker, Martin Luce, Martin Murrenhoff: SK/NKZ Frontstadtpaläste. S. 10 in: how to #1, Leipzig 2007[28]
- Berlin Kottbusser Tor: Gewalt, Drogen und Kriminalität. (YouTube-Video; 17:47 Min.) In: stern TV. Mai 2017 .
- Brennpunkt „Kotti“: Obdachlose, Dealer, Süchtige in Berlin. (YouTube-Video; 15:00 Min.) In: Spiegel TV. Februar 2020 .
Einzelnachweise
- ↑ Kiez Depesche. Kosmos e. V. Nachbarschaftsverein im Wal de-Kiez, 1982, S. 15 (google.de).
- ↑ Dresdner Straße (Forts.). In: Karl Neander von Petersheiden: Anschauliche Tabellen, 1799, Straßendarstellungen und Bewohner, S. 20. „Cottbusser Thor“.
- ↑ Cottbusserthor. In: Carl Ludwig von Oesfeld: Grundriß der königl. Residenzstädte: Berlin. 1789.
- ↑ Cottbuser Tor. In: Pierer’s Conversationslexikon. 6. Aufl. Berlin 1875.
- ↑ Kottbuser Tor. In: Beilage zum Berliner Adressbuch. Verlag Julius Straube, 1893.
- ↑ Cottbuser Tor: In Pharus Plan Berlin. Pharus Verlag, 1921.
- ↑ Kottbuser Tor. In: Sanwald Plan Berlin. Karl Sanwald, 1926.
- ↑ Kottbusser Damm, ~Straße, ~Ufer. In: Berliner Adreßbuch, 1930, IV, S. 175 (Ein Kottbusser Tor als Platz oder Straße wird nicht angegeben).
- ↑ Kottbusserthor (v.d.). In: Berliner Adreßbuch, 1850, Teil 2, S. 77.
- ↑ Straßenbild Cottbusser. In: Berliner Adreßbuch, 1925, IV, S. 178.
- ↑ Kreuzberger Chronik: Das vergessene Hochhaus
- ↑ Kathrin Chod: Zentrum Kreuzberg (Neues Kreuzberger Zentrum – NKZ). In: Hans-Jürgen Mende, Kurt Wernicke (Hrsg.): Berliner Bezirkslexikon, Friedrichshain-Kreuzberg. Luisenstädtischer Bildungsverein. Haude und Spener / Edition Luisenstadt, Berlin 2002, ISBN 3-89542-122-7 (luise-berlin.de – Stand 7. Oktober 2009).
- ↑ a b Anne Lena Mösken: Ein Häuschen in Kreuzberg. In: Berliner Zeitung, 22./23. November 2014, Magazin S. 1/2.
- ↑ Rolf Rave, Hans-Joachim Knöfel, Jan Rave: Bauen der 70er Jahre in Berlin. Kiepert, Berlin 1981, ISBN 3-920597-40-0.
- ↑ Im Architekturmuseum der TU Berlin. Abgerufen am 4. Januar 2022.
- ↑ Elke Blauert: Hans Wolff-Grohmann, Architekt. Kunstbibliothek, Berlin 1999, ISBN 3-88609-249-6.
- ↑ Deniz Yücel: Aus Liebe zu Allah. In: Jungle World, 2. Januar 2002, abgerufen am 16. November 2017.
- ↑ QM Wassertorplatz. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung; abgerufen am 25. November 2014.
- ↑ Andreas Molitor: Der Kotti kommt vom Tropf. In: Die Zeit, Nr. 28/2003. Wer ist der Kotti? In: Der Tagesspiegel, 8. März 2009.
- ↑ Kreuzberger Druckraum schließt. In: Der Tagesspiegel, 11. Juni 2009. Aneli Huettner: Drogen am Kotti – denn sie sind ja da … Video auf youtube vom 27. Juli 2009; abgerufen am 25. Nov. 2014.
- ↑ Druckraum für Drogenabhängige, Platz für Trinker. In: Berliner Morgenpost, 24. Juli 2010.
- ↑ Fixerstube in Kreuzberg. (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Beitrag in der Sendung Deutschland heute vom 19. November 2009 im Deutschlandfunk.
- ↑ Neue Fixerstube am Kottbusser Tor. In: B.Z., 19. Januar 2011
- ↑ Die Parallelwelt der Junkies vom Kottbusser Tor. In: Welt Online, 15. Februar 2012; abgerufen am 25. November 2014.
- ↑ Ohne Waffe läuft am Kottbusser Tor nichts mehr. Der neue Bahnhof Zoo heißt Kottbusser Tor. (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: B.Z., 16. August 2008
- ↑ Hannes Heine: Selbst für Kreuzberg zu krass. In: Der Tagesspiegel, 18. Februar 2016
- ↑ 24 Stunden Kottbusser Tor. In: Zitty, 17. März 2016
- ↑ issuu.com
Koordinaten: 52° 29′ 57″ N, 13° 25′ 5″ O