Kundus
کندوز Kundus | ||
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Koordinaten | 36° 44′ N, 68° 52′ O | |
Basisdaten | ||
Staat | Afghanistan | |
Kundus | ||
Distrikt | Kundus | |
ISO 3166-2 | AF-KDZ | |
Höhe | 397 m | |
Einwohner | 356.536 (Berechnung 2019[1]) | |
Politik | ||
Bürgermeister | Mohammad Farhad |
Kundus (paschto/persisch کندوز
, DMG
, auch قندوز
, ursprünglich Qhunduz) ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz Kundus. Sie befindet sich im Nordosten von Afghanistan im Tal des Zuflusses Kundus zum Amudarja nahe der tadschikischen Grenze, rund 250 km nördlich von Kabul. In der Stadt leben im Jahr 2019 etwa 350.000 Einwohner. Kundus liegt auf einer Höhe von 397 m.
Die Region ist sehr fruchtbar und für Afghanistan ungewöhnlich grün. Das vom Kundus-Fluss durchflossene Tal ist an drei Seiten unmittelbar und an einer Seite mittelbar von hohen Bergen umgeben, den Ausläufern des Hindukuschs. Kundus verfügt über einen kleinen Flugplatz, den Flughafen Kundus.[2]
Kundus wird seit der politischen ‚Paschtunisierung‘ Anfang des 20. Jahrhunderts hauptsächlich von Paschtunen bewohnt.[3][4] Außer ihnen wohnen Tadschiken und Usbeken in der Stadt. Kundus ist das Zentrum der vier nordöstlichen Provinzen Kundus, Badachschan, Baghlan und Tachar.
Geschichte
Die Stadt hieß einst Drapsaka und war ein wichtiger Ort, der unter anderem um 330 v. Chr. von Alexander dem Großen bei seinem Feldzug gegen Bessos, den selbst ernannten König der Baktrier, als Heerlager genutzt wurde. In der Zeit der Timuriden (1370–1507) wurde die Stadt mit dem Namen Kunduz erwähnt. Dieser ist abgeleitet von Persisch quhan-diz, „alte Zitadelle“.
Ab 1680 wurde die lokale Herrschaft der Qatagan sichtbarer[5].
Unter dem Gouverneur Schir Chan Naschir (Nasher) wurde die Provinz Kundus im 20. Jahrhundert zur reichsten Provinz Afghanistans. Hauptgrund war Naschirs Gründung der Spinzar Cotton Company, die im Nachkriegs-Afghanistan noch immer existiert und ihre Produktion wieder aufgenommen hat. Derzeit ist Mohammad Omar Safi Gouverneur der Provinz Kundus.[6]
Wirtschaft
In Kundus werden unter anderem Baumwolle, Reis, Weizen, Mais und Melonen angebaut. Letztere haben den Ruf, die besten des Landes zu sein, und werden häufig in abenteuerlich beladenen Lkw und Pkw in andere Provinzen einschließlich Kabul exportiert. Generell ist die Landwirtschaft auf eher vorindustriellem Niveau, Traktoren sieht man selten. Die Äcker werden meist mit Ochsengespannen bearbeitet. Kundus ist Standort des Afghan German Management College.
Klima
In Kundus herrscht ein Kontinentalklima, und es ist in der Regel ein paar Grad wärmer als in Kabul. Im Sommer können die Temperaturen zeitweise die 50 °C-Marke überschreiten. Zumeist liegt das Thermometer jedoch dann knapp über 40 °C, was wegen der trockenen Luft vergleichsweise erträglich ist. Im Winter kann es schneien.
Afghanistan-Krieg
Nach dem Sturz der Taliban-Regierung 2001 begann zunächst der Militäreinsatz OEF, danach der Einsatz der Internationalen Sicherheits- und Unterstützungskräfte (ISAF) in Afghanistan. Nach Ausweitung des ISAF-Mandats auf die nördlichen Provinzen übernahm im Januar 2004 die Bundeswehr eine US-amerikanische Liegenschaft mitten in der Stadt, in der bis Ende Mai 2006 das Wiederaufbau-Team für die Provinz Kundus (englisch Provincial Reconstruction Team (PRT)), unter Beteiligung verschiedener Nationen (Belgien, Niederlande, Ungarn, Rumänien, USA), stationiert war. Seit Juni 2006 war das PRT in der Nähe des Flughafens im deutschen Feldlager Kundus untergebracht. Am 6. Oktober 2013 wurde das Feldlager und die Region Kundus in eine regionale Sicherheitsverantwortung übergeben.
Am Morgen des 28. Septembers 2015 drangen etwa 1000 Kämpfer der Taliban in das Stadtzentrum vor und besetzten wichtige Regierungsgebäude, bis zum Abend gelang es ihnen, das gesamte Stadtgebiet unter ihre Kontrolle zu bringen (siehe auch: Schlacht um Kundus). Die afghanischen Sicherheitskräfte zogen sich zum Flughafen außerhalb der Stadt zurück.[7][8] Damit fiel seit dem Sturz der Taliban im Oktober 2001 erstmals eine Provinzhauptstadt Afghanistans in die Hände der ehemaligen Machthaber. Berichten von Amnesty International zufolge begingen die Taliban in kürzester Zeit schwerste Verbrechen und errichteten so mit Morden an Zivilisten, Gruppenvergewaltigungen, Entführungen und dem Einsatz von Todesschwadronen in wenigen Tagen eine „Schreckensherrschaft“ in der Stadt.[9] Am 1. Oktober 2015 brachten afghanische Truppen einen Teil der Stadt wieder unter staatliche Kontrolle.[10] Nach Meldungen vom 3. Oktober 2015 wurden durch einen US-amerikanischen Luftschlag auch ein Krankenhaus getroffen und dabei mehrere Zivilisten getötet.[11][12]
Am 13. Oktober 2015 wurde vermeldet, dass die Stadt wieder in der Hand der afghanischen Regierung sei.[13][14]
Die letzten Soldaten der Bundeswehr wurden am 26. November 2020 aus Kundus abgezogen.[15] Die Taliban eroberten die Stadt am 8. August 2021 wieder vollständig.[16]
Siehe auch
Literatur
- C. E. Bosworth: Kunduz. In: The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Band 5, 1986, S. 388f
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Estimated Population of Afghanistan 2019-20. (PDF) National Statistic and Information Authority, 18. November 2019, abgerufen am 6. März 2020 (englisch).
- ↑ Kunduz Airport. Afghanistan Ministry of Transport and Civil Aviation. 21. März 2007. Archiviert vom Original am 27. September 2007.
- ↑ Kunduz Province (PDF) In: Program for Culture & Conflict Studies. Naval Postgraduate School. Archiviert vom Original am 2. Oktober 2012. Abgerufen am 12. Januar 2014.
- ↑ 2003 National Geographic Population Map (PDF) In: Thomas Gouttierre, Center For Afghanistan Studies, University of Nebraska at Omaha; Matthew S. Baker, Stratfor. National Geographic Society. 2003. Abgerufen am 18. Juni 2017.
- ↑ Jürgen Paul: Zentralasien. Frankfurt am Main 2012 (Neue Fischer Weltgeschichte, Band 10), S. 358
- ↑ http://www.khaama.com/mohammad-omar-safi-appointed-new-governor-of-kunduz-9083
- ↑ Taliban haben Kundus-Stadt erobert. In: Die Welt. 28. September 2015. Abgerufen am 29. September 2015.
- ↑ Taliban haben Kundus vollständig erobert. In: Zeit Online. 28. September 2015. Abgerufen am 29. September 2015.
- ↑ Bericht von Amnesty International: Taliban begehen schwerste Verbrechen in Kundus. In: Stuttgarter-Zeitung.de. 1. Oktober 2015, abgerufen am 4. Oktober 2015.
- ↑ Schwere Verluste für Taliban: Afghanische Spezialtruppen erobern Kundus zurück. In: Focus. 1. Oktober 2015. Abgerufen am 1. Oktober 2015.
- ↑ Luftangriffe in Kunduz: „Das US-Militär wusste, wo unser Krankenhaus liegt“. In: Spiegel Online, 3. Oktober 2015.
- ↑ Luftangriff in Kundus Absicht oder Versehen? Kritik an US-Angriff auf Klinik. In: Der Tagesspiegel. 3. Oktober 2015. Abgerufen am 3. Oktober 2015.
- ↑ Zwei Wochen nach Invasion : Taliban geben Kundus wieder frei. Ihr Einmarsch in Kundus hatte viele geschockt – nun ziehen sich die radikal-islamischen Taliban nach eigenen Angaben wieder aus der nordafghanischen Stadt zurück. Dennoch hat ihre wiedergewonnene Stärke die Regierung in Kabul unter Druck gesetzt. (Nicht mehr online verfügbar.) In: tagesschau.de. ARD, 13. Oktober 2015, archiviert vom Original am 20. Oktober 2015; abgerufen am 20. Oktober 2015.
- ↑ Matthew Rosenberg, Michael D. Shear: In Reversal, Obama Says U.S. Soldiers Will Stay in Afghanistan to 2017. New York Times, 15. Oktober 2015, abgerufen am 19. Oktober 2015.
- ↑ tagesschau.de: Bundeswehr zieht letzte Soldaten aus Kundus ab. Abgerufen am 26. November 2020.
- ↑ Taliban erobern Kundus. Spiegel.de, 8. August 2021.