Kunsthalle Rostock
Daten | |
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Ort | Hamburger Straße 40, 18069 Rostock |
Art | |
Architekt |
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Eröffnung | 15. Mai 1969 |
Besucheranzahl (jährlich) | 60–70.000 (Stand: 2019) |
Betreiber |
pro kunsthalle e.V.
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Leitung |
Uwe Neumann (seit 2009)
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Website | |
ISIL | DE-MUS-836819 |
Die Kunsthalle Rostock ist das größte Ausstellungshaus für zeitgenössische Kunst in Mecklenburg-Vorpommern. Der einzige Neubau eines Kunstmuseums der DDR wurde 1968–69 im Parkgelände des Schwanenteichs im Rostocker Stadtteil Reutershagen errichtet, 1978 in die Denkmalliste der Stadt aufgenommen, 2009–10 saniert und 2017–19 um ein Schaudepot erweitert. Die Sammlung lässt sich unter dem Begriff „Ostdeutsche Moderne“ zusammenfassen; bei den Ausstellungen liegt der Schwerpunkt auf aktueller Kunst des Ostseeraums.
Geschichte
Im Mai 1964 beschloss der Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik, die Internationale Kunstausstellung der Ostseeländer ab 1965 zu einer repräsentativen Biennale der Ostseeländer zu entwickeln und dafür neue Räumlichkeiten zu schaffen. Schwierigkeiten bei der Standortsuche, der Akzeptanz eines Neubaus und der Beschaffung von Baumaterial ließen erst die dritte Ostseebiennale im eigenen Ausstellungspavillon stattfinden – in der am 15. Mai 1969 neueröffneten Kunsthalle.[1] Die Biennale trug zum kulturellen Rahmenprogramm der politisch motivierten Ostseewoche bei. Zwischen den Terminen waren drei wissenschaftliche und sechs Kabinettausstellungen pro Jahr vorgesehen.[2]
Entgegen der Konzeption einer reinen Kunsthalle hatte der Gründungsdirektor Horst Zimmermann bereits 1964 begonnen, eine eigene Sammlung anzulegen, um das Haus in den darauffolgenden Jahren als Kunstmuseum zu etablieren. Noch heute gehören die für ein Museum typischen Aufgabenbereiche des Sammelns, Bewahrens, Forschens und Vermittelns zu den Kernkompetenzen der Kunsthalle Rostock.[2]
Planziele, Brigadebesuche und schnell wechselnde Ausstellungen sorgten zwischen 1969 und 1989 für eine mittlere jährliche Besucherzahl von 110.000 – mit einem Spitzenwert von 182.696 im Jahr 1974.[2] 1992/1993 strich die Rostocker Bürgerschaft den Ausstellungsetat, dann auch die Direktorenstelle und forderte wiederholt die Schließung des Hauses. Seit März 2009 wird die Kunsthalle durch einen privaten Verein betrieben; die Leitung hat Jörg-Uwe Neumann inne. Das Konzept: Die Stadt zahlt Betriebskosten und Personal, der Leiter besitzt das Weisungsrecht und vollkommene inhaltliche Freiheit.[3] Der vor der Kunsthalle aufgestellte rote Stahlkubus mit beleuchteter Schrift des Architekten Maik Buttler macht Vorbeifahrende seit 2010 auf das Museum am Schwanenteich aufmerksam.[4] Die Besucherzahlen konnten im folgenden Jahrzehnt von 30000 bis 40000 auf 60000 bis 70000 pro Jahr gesteigert werden.[5]
Bauwerk
Die Architekten Hans Fleischhauer und Martin Halwas entwarfen einen zweigeschossigen Bau in kontrastierender Optik: Im Erdgeschoss wechseln roter Klinker und weite Glasflächen, das fensterlose Obergeschoss zeigt eine Strukturplattenverkleidung aus weißen Kunststeinen. Das gesamte Konstrukt fußt auf funktionellen Gesichtspunkten: Ziegelmauerwerk führt zu einem nur langsamen Wärmeaustausch, Weiß heizt ein Gebäude am wenigsten auf. Tageslicht erhält das Obergeschoss über einen Innenhof. Auf einer Ausstellungsfläche von 1500 Quadratmetern konnte man dank variabler Stellwände und unterschiedlicher Raumhöhen zeitgleich mehrere Ausstellungen veranstalten.[6] Am 19. Januar 1978 nahm die Stadt Rostock die Kunsthalle in ihre Denkmalliste auf.[7] Eine Modernisierung fand erst 2009/10 statt. Dabei wurde die Dachebene energetisch saniert und der Innenhof überdacht. Der neu geschaffene White Cube kann seither als zusätzlicher Ausstellungsraum genutzt werden.[8]
Um der Öffentlichkeit neben den Ausstellungen auch die Sammlung zu präsentieren, wurde die Kunsthalle 2017–2019 um das bereits 1969 geplante Schaudepot erweitert. Die Lager- und Ausstellungsflächen sind flexibel in einem stützenarmen Gesamtraum angeordnet. Eine Wandheizung und -kühlung temperiert die Räume konstant gleichmäßig; die äußere Glasbekleidung schützt die Wärmedämmung vor witterungsbedingten und mechanischen Einwirkungen. Die beiden Geschosse sind durch einen Personenaufzug und eine Hebebühne für den Kunsttransport barrierefrei erschlossen. Die Baukosten betrugen 4,8 Mio. Euro.[9]
Die Verlagerung des Sammlungsbestands in das Schaudepot erlaubte eine Anpassung des Hauptbau-Grundrisses. Seit 2020 entstehen dort zusätzliche Ausstellungsflächen, ein Dunkelraum für Vorträge und Filmvorführungen sowie neue Mitarbeiterbüros. Im Zuge der Generalsanierung werden die Haustechnik und die Sanitäranlagen erneuert, das Museumscafé erweitert und das Gebäude vollständig barrierefrei gestaltet. Das geplante Investitionsvolumen von 10 Mio. Euro wird mit 4,2 Mio. Euro aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung gefördert. Die ursprünglich für 2022 geplante Fertigstellung wurde bereits auf 2024 verschoben.[8] Bis zum Abschluss der Sanierung finden alle Ausstellungen im Schaudepot statt.
Sammlung
Die Sammlung der Kunsthalle wuchs bis 1989 kontinuierlich. 1990 bestand sie aus ca. 7000 Graphiken, gut 500 Gemälden und 200 Plastiken;[2] 2019 wurde ein Bestand von ca. 8000 grafischen Blättern, 620 Gemälden und 230 Skulpturen angegeben.[10] Dazu zählen druckgrafische Werke von Otto Dix, Max Liebermann, Ernst Barlach, Käthe Kollwitz, Emil Orlik, Max Uhlig und Wolfgang Mattheuer sowie Werke finnischer Künstler. Im Bereich Plastik sind beispielhaft Werke von Jo Jastram, Fritz Cremer, Felix Droese, Hermann Glöckner und Werner Stötzer zu nennen. Der Gemäldebestand wird von Selbstporträts, Landschaftsmalerei und der Darstellung des täglichen Arbeiterlebens dominiert. Darunter befinden sich Werke von Bernhard Kretzschmar, Oskar Manigk, Otto Manigk, Rudolf Austen, Susanne Kandt-Horn und Carl Lohse. Der kleine, aber hochwertige Bestand an Malerei und Handzeichnungen des Dresdener Spätexpressionismus und der Neuen Sachlichkeit gehört zu den Perlen der Rostocker Sammlung.[2][11]
Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Kunst aus Mecklenburg-Vorpommern. Beim Ankauf achtete man – anfangs nicht zuletzt aus politischen Gründen – stets auf eine hohe Qualität der Werke. Neben Meistern der klassischen Moderne wie Egon Tschirch und Kate Diehn-Bitt trugen vor allem junge Künstler dazu bei. So stehen beispielsweise die figürlichen Arbeiten von Margret Middell, Wolfgang Friedrich oder Wilfried Schröder in bester Tradition deutscher Bildhauerei der klassischen Moderne. Zu ihnen gesellen sich die Teile des Fundus, die durch Übereignungen und private Vermächtnisse in die Kunsthalle gelangt sind.[11] So verfügte der 1984 verstorbene Künstler Otto Niemeyer-Holstein, dass die Kunsthalle Rostock nach seinem Tod 287 Gemälde, Aquarelle und Druckgrafiken für die Sammlung erhält.[12]
Ausstellungen
Die Besonderheit des Ausstellungsprogramms zu Zeiten der internationalen Kunstausstellung der Ostseeländer war die weitestgehend unzensierte Präsentation von Kunst auch aus nicht-sozialistischen Ländern. Die Schwerpunkte lagen im Bereich Kunst der Ostdeutschen Moderne (Kunst aus der DDR) sowie auf den Arbeiten von skandinavischen und regionalen Künstlern. Vereinzelt wurden internationale Kooperationen mit Institutionen und Künstlern aus Japan, Mexiko oder Frankreich durchgeführt.[2]
Highlights gab es auch in den schwierigen Zeiten. So konnten Christo und Jeanne-Claude im Juli 2006 anlässlich der Dokumentationsausstellung zweier Großprojekte begrüßt werden: der Verhüllung des Pariser Pont Neuf und der horizontal frei schwebenden Stoffbahnen über den Arkansas River im US-Bundesstaat Colorado.[13]
Seit der Führung durch den privaten Trägerverein haben u. a. bereits folgende national und international renommierten Künstler und Fotografen in der Kunsthalle ausgestellt: A. R. Penck (2010), Gerhard Richter (2011), Georg Baselitz (2011), Richard Serra (2011), Arnulf Rainer (2012), Katharina Sieverding (2013), Norbert Bisky (2014), Eugenio Recuenco (2014), Arno Rink (2015) und Günther Uecker (2020). Parallel dazu gilt das Augenmerk des Museums der jungen Kunst, darunter auch Arbeiten aus dem skandinavischen und baltischen Raum.[2]
Seit 1969 hat die Kunsthalle Rostock Hunderte Ausstellungen durchgeführt. Sie alle hier aufzulisten, würde den Rahmen sprengen. Stattdessen sei direkt auf die Quellen verwiesen: Der Ausstellungskatalog von 2009 listet die Expositionen von 1971 bis 2008 auf.[14] Für die Veranstaltungen ab 2006 liefert das Archiv der Kunsthalle Rostock ausführliche Informationen.[15]
Literatur
- Luise Hartmann: Rostock. Kunsthalle. In: Andreas Haucap, Harald Schiller (Hrsg.): Museen zwischen Weimar und Stralsund. Ein Streifzug durch die Museumslandschaft der neuen Bundesländer. Igen-Verlag, Hamburg 1990, ISBN 3-928196-07-3, S. 176–178.
- Hansestadt Rostock, Freunde der Kunsthalle Rostock e. V. (Hrsg.): Kunsthalle Rostock 1969–2009. Ingo Koch Verlag, Rostock 2009, ISBN 978-3-938686-97-3.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Hansestadt Rostock, Freunde der Kunsthalle Rostock e. V. (Hrsg.): Kunsthalle Rostock 1969–2009. Rostock 2009, S. 9–10, 13.
- ↑ a b c d e f g Über die Kunsthalle Rostock. In: Website der Kunsthalle Rostock. Abgerufen am 1. September 2022.
- ↑ Julia Sastra: Machen wir aus der Kunsthalle Rostock ein Autohaus! (Memento vom 12. September 2014 im Internet Archive) In: Unsere Zeit. Zeitung der DKP, 25. Juni 2010, abgerufen am 1. September 2022.
- ↑ Geburtstagsgeschenk für die Kunsthalle Rostock. In: Rathaus Rostock, Aktuelles & Medien. 23. Februar 2009, abgerufen am 1. September 2022.
- ↑ Rostocker Kunsthalle seit 50 Jahren ein Besuchermagnet für Urlauber und Touristen. In: Rathaus Rostock, Aktuelles & Medien. 20. Juni 2019, abgerufen am 1. September 2022.
- ↑ Hansestadt Rostock, Freunde der Kunsthalle Rostock e. V. (Hrsg.): Kunsthalle Rostock 1969–2009. Rostock 2009, S. 10–11.
- ↑ Auskunft des Amts für Kultur, Denkmalpflege und Museen der Hanse- und Universitätsstadt Rostock vom 5. September 2022
- ↑ a b KOE: Generalsanierung Kunsthalle. Abgerufen am 23. September 2022.
- ↑ ARGE buttler matrix: Neubau Schaudepot – Kunsthalle Rostock. Abgerufen am 3. September 2022.
- ↑ Kunsthalle Rostock feiert ein halbes Jahrhundert für die Kunst. In: Rathaus Rostock. Aktuelles & Medien. 15. Mai 2019, abgerufen am 5. September 2022.
- ↑ a b Sammlung. In: Website der Kunsthalle Rostock. Abgerufen am 4. September 2022.
- ↑ Otto Niemeyer-Holstein. Aktmalerei und Zeichnungen aus der Sammlung der Kunsthalle Rostock. In: Website der Kunsthalle Rostock. Abgerufen am 4. September 2022.
- ↑ In der Kunsthalle Rostock: Christo und Jeanne Claude. In: Rathaus Rostock. Aktuelles & Medien. 17. Juli 2006, abgerufen am 5. September 2022.
- ↑ Hansestadt Rostock, Freunde der Kunsthalle Rostock e. V. (Hrsg.): Kunsthalle Rostock 1969–2009. Rostock 2009, S. 85–91. Ausstellungschronik 1969-2009. Abgerufen am 24. September 2022.
- ↑ Ausstellungen. Archiv. In: Website der Kunsthalle Rostock. Abgerufen am 24. September 2022.