Kölmer

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Als Kölmer, auch Kulmer, bezeichnete man im Mittelalter freie Grundbesitzer in Preußen.

Stellung der Kölmer im Herzogtum Preußen

Wie im gesamten damaligen West- und Mitteleuropa galt auch in Preußen eine Ständeordnung. Der zahlenmäßig mit Abstand größte und gleichzeitig hierarchisch am tiefsten stehende Stand war derjenige der Bauern, der wiederum in zwei Untergruppen zerfiel: in die nach Kulmer und die nach prußischem Recht lebenden Bauern. Das Landrecht von 1685 bewertet den kölmischen Besitz als volles Eigentum. So bilden die kulmischen Bauern – „Kölmer“, wie sie genannt wurden – einen angesehenen Stand, weit über den Bauern stehend. Die meisten Kölmer waren entweder im 13. und 14. Jahrhundert aus dem Westen zugewandert oder stammten von Zuwanderern ab. Eine der ersten so gebildeten Siedlungen war die Stadt Kulm.

Die Rechte und Pflichten, die für deren Bewohner galten, hatte man in einer Handfeste genannten Urkunde zusammengefasst, die bei der Ansiedlung späterer Zuwanderer als Muster diente. Kölmer hatten der Herrschaft pro Jahr eine gewisse Geldsumme zu erlegen, Naturalien zu liefern und bestimmte Dienstleistungen (wie Reiterdienst bei der Verteidigung des Landes) zu erbringen, die in der Regel in vier bis sechs Tagen abgeleistet werden konnten. Das sogenannte Kölmische Recht gewährte vor allem große Freiheiten, wie die Vererbung des Gutes an Söhne und Töchter, dessen Verkauf, die Befreiung von allem Scharwerk, oft auch die Privilegien der Fischerei, mittleren und minderen Jagd, Brauerei und dergleichen. Innerhalb der Gruppe der Freien Grundbesitzer gab es neben den Kölmischen auch noch Magdeburgische, Preußische und Adlige Freien oder Freisassen.

Die agrarische Gesellschaft im frühneuzeitlichen Ostelbien kannte keine einheitliche „Klasse“ der Bauern. Für die Bauern waren vielmehr die sehr unterschiedliche Rechtsstellung und der differenzierte soziale Status kennzeichnend.[1] (Ost)Preußen beheimatete freie, zu keinem Grundherrn in persönlicher oder dinglicher Abhängigkeit stehende Bauern: Um 1750 standen dort etwa 10.000 dieser nach Kulmer Recht angesiedelten Bauern ca. 40.000 hörige Landwirten gegenüber.[2][3]

Neben diesen freien Bauern besaßen alle übrigen Bauern den Status der Erbuntertänigkeit, sowohl auf landesherrlichen Domänen als auch auf den adligen Gütern.[1]

Die Erbuntertänigkeit bedeutete für die Bauern, dass sie an die Scholle gebunden (glebae adscriptus) waren und ohne Erlaubnis des Herrn den Dienstort nicht wechseln durften. Außerdem waren sie zum Frondienst verpflichtet und vom Heiratskonsens der Gutsherren abhängig. Das Besitzrecht war innerhalb der Erbuntertänigkeit erheblich abgestuft:[1] Nur über ihren frei vererbbaren und verkäuflichen Boden, an dem sie eine Art von Untereigentum innehatten,[4] waren die Erbzinsbauern an ihren Gutsherrn gebunden.[5]

In der Altmark, dem Magdeburger Gebiet sowie Niederschlesien war diese Rechtsstellung verbreitet,[5] sowie in den Kolonisationsgebieten im Oder- und Warthebruch, in der Prignitz und in Pommern.

Die große Mehrheit der Bauern verfügte nicht über Eigentumsrechte an ihrem Land, sondern nur über die Nutzungsrechte, also über sogenannten Lass-Besitz. In der Lasswirtschaft waren die wichtigsten Betriebsmittel der Lassiten Eigentum ihrer Gutsherren (v. a. im 18. Jahrhundert).[4] Die Lassiten besaßen z. T. vererbbaren Besitz, z. T. war der Leihzyklus auf die Lebenszeit oder auf eine noch kürzere Zeitspanne begrenzt. Im Erbfalle konnte der Gutsherr aus den Nachkommen des Lassiten den Erben auswählen. Unerbliche Lassbauern waren so schlecht gestellt, dass sie mitsamt ihrer Bauernstelle verkauft werden konnten.

Siehe auch

Literatur

  • Hartmut Boockmann: Ostpreußen und Westpreußen (Reihe: Deutsche Geschichte im Osten Europas). Siedler, Berlin 1992. ISBN 3-88680-212-4.
  • Peter Brandt u. a. (Bearb.): Preußen. Zur Sozialgeschichte eines Staates. Eine Darstellung in Quellen (= Preußen. Versuch einer Bilanz, Bd. 3). Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1981, ISBN 3-499-34003-8.
  • Horst Kenkel: Amtsbauern und Kölmer im nördlichen Ostpreußen um 1736 nach der „Repeuplierung“ des Distrikts Litauen, nach der Generaltabelle und den Prästationstabellen. Verein für Familienforschung in Ost- u. Westpreußen e.V., Hamburg 1972, (Sonderschriften des Vereins für Familienforschung in Ost- und Westpreußen e.V. 23, ISSN 0505-2734).
  • Theodor Schieder: Friedrich der Große. Ein Königtum der Widersprüche. Ullstein, Frankfurt am Main / Berlin 1986, ISBN 3-550-08526-5.
  • Hans-Erich Stier (Hg.) u. a.: Großer Atlas zur Weltgeschichte, München 1991.
  • Walter zur Ungnad: Deutsche Freibauern, Kölmer und Kolonisten. 2. Auflage. Hanseatische Verlagsanstalt, Hamburg 1932.

Einzelnachweise

  1. a b c Theodor Schieder: Friedrich der Große. Ein Königtum der Widersprüche. Ullstein, Frankfurt am Main / Berlin 1986, S. 78.
  2. Hans-Erich Stier u. a. (Hg.): Großer Atlas zur Weltgeschichte, München 1991, S. 121/II.
  3. Hartmut Boockmann: Ostpreußen und Westpreußen (Reihe: Deutsche Geschichte im Osten Europas). Siedler, Berlin 1992, S. 128.
  4. a b Peter Brandt u. a. (Bearb.): Preußen. Zur Sozialgeschichte eines Staates. Eine Darstellung in Quellen. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1981, S. 27.
  5. a b Theodor Schieder: Friedrich der Große. Ein Königtum der Widersprüche. Ullstein, Frankfurt am Main / Berlin 1986, S. 28.