Preußen (historische Landschaft)

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Karte von Caspar Henneberg, Elbing 1576: Herzogtum und königlich polnisches Preußen farblich nicht unterschieden (Flächenfarbe für das Herzogtum ist Nachbearbeitung), Pommerellen hier nur teilweise zu Preußen gerechnet.

Preußen ist eine historische Landschaft im nordöstlichen Mitteleuropa mit den Zentren Königsberg (dem heutigen Kaliningrad), der Marienburg und mit Einschränkung Danzig.

Grenzen

Die Grenzen der nach den baltischen Prußen benannten Region sind nicht eindeutig. Ungefähr kann jedoch das Gebiet zwischen den Flüssen Weichsel und Memel als Preußen bezeichnet werden. Westlich von Preußen schließt sich Pommern mit Pommerellen an. Der östlichste Teil Preußens war Preußisch Litauen. Die östliche Staatsgrenze Preußens war seit dem Frieden vom Melnosee eine der ältesten in Europa. Über ein halbes Jahrtausend hatte sie bis 1945 Bestand.

Nach 1945 kam die ehemalige Provinz Westpreußen und die Südhälfte des ehemaligen Ostpreußen zu Polen. Die Nordhälfte bis zur Memel ist als Oblast Kaliningrad Exklave Russlands. Preußisch Litauen (Kleinlitauen) ist Teil Litauens geworden.

Die Region ist zu unterscheiden von dem 1701 begründeten Königreich Preußen mit dem Zentrum Berlin, welches hervorging aus der Personalunion zwischen der Mark Brandenburg und dem Herzogtum Preußen. Darauf nehmen auch die Namen der späteren nordöstlichen Provinzen des preußischen Staates Bezug: Ostpreußen und – nur scheinbar widersinnig – Westpreußen.

Vorgeschichte

Bis ins Hochmittelalter wurde nur das Gebiet des baltischen Volksstammes der Prußen östlich der unteren Weichsel „Preußen“ genannt. Die erste Erwähnung des Namens brus findet sich in einer als Bayerischer Geograph bezeichneten Völkerliste aus dem 9. Jahrhundert. Ende des Jahrhunderts berichtete der angelsächsische Reisende Wulfstan von seiner Fahrt zum prußischen Handelsplatz Truso. Im Dagome Iudex, dem Regest der Urkunde, mit der Mieszko I. von Polen im 10. Jahrhundert sein Reich formal dem Papst Johannes XV. schenkte, heißt es, Polen reiche bis an die preußische Grenze (fine Bruzze).

Deutscher Orden

Zentrum Preußens bis 1466 – die Marienburg

Beginnend mit Bolesław I. Chrobry, der Adalbert von Prag nach Preußen schickte und mit ihm eigene Truppen, versuchten Herzöge und Könige von Polen wiederholt, die Prußen zu unterwerfen.[1] Als deren Gegenschläge immer bedrohlicher wurden, rief der polnische Herzog Konrad von Masowien 1226 den Deutschen Orden zu Hilfe, unter Überlassung des damals schon teilweise slawisch besiedelten Kulmerlandes. Der Orden wurde über das Kulmerland hinaus jedoch erst aktiv, nachdem ihm Kaiser Friedrich II. in der Goldenen Bulle von Rimini (1226 oder 1235)[2] und Papst Gregor IX. in der Bulle von Rieti (1234)[3] die volle Souveränität über alle zu erobernden Gebiete zugesichert hatten. Der Deutsche Orden unterwarf die Prußen im 13. Jahrhundert. Bei den langwierigen Kämpfen wurden südliche und östliche Randgebiete zeitweise weitgehend entvölkert.

Der Deutsche Orden eroberte zudem 1308 das westlich der Weichsel gelegene polnische Herzogtum Pommerellen mit Danzig. Im Vertrag von Soldin (1309) wurde das Herzogtum Pommerellen an den Rechten der Krone Polen vorbei zwischen zwei deutschen Feudalstaaten, der Mark Brandenburg und dem Deutschordensstaat, geteilt. Im Zuge der Zersplitterung des Königreichs Polen in Provinzen ab 1138 hatten sich die pommerellischen Herrscher aus der Familie der Samboriden von zunächst polnischen Statthaltern im frühen 13. Jahrhundert zu Herzögen erhoben. Seit dem Aussterben der Samboriden im Mannesstamm, 1294, beanspruchte auch der Askanier Waldemar (Brandenburg) das Land. Mit der Aneignung und Teilung Pommerellens durch den Deutschordensstaat, 1308, wurde die Bezeichnung „Preußen“ auf dessen Erwerbungen westlich der Weichsel ausgedehnt.

Seit Beginn der Unterwerfung Preußens rief der Orden Siedler aus Deutschland und den heutigen Niederlanden ins Land (Vgl. Stadtname Preußisch Holland). Als der Zustrom aus dem Heiligen Römischen Reich nachließ, wurden im Süden Zuwanderer aus Masowien angesiedelt, die Masuren, im Nordosten Zuwanderer aus Litauen, deren Siedlungsgebiet Kleinlitauen genannt wurde, aber bis 1945 nie zu Litauen gehörte.

Polnische Krone und Hohenzollern

Hellgrau: „Deutschordensstaat in Preußen“ als Lehen des polnischen Königs, ab 1525 Herzogliches Preußen genannt;
Farbig: „Preußen königlichen Anteils“ eingeteilt in drei Wojewodschaften Kulm, Marienburg und Pommerellen und das Fürstbistum Ermland verbunden in einer Union mit der polnischen Krone;
Khaki: Lande Lauenburg und Bütow als Pfandbesitz der Herzöge von Pommern (Politischer Stand des Jahres 1466)

Im Zweiten Frieden von Thorn gewann das Königreich Polen 1466 mit Hilfe des gegen die Ordensherrschaft rebellierenden Preußischen Bundes Pommerellen mit Danzig, das Kulmerland, das Ermland sowie die Marienburg mit Umland. Dieses Gebiet hieß latinisiert „Pruthenia Occidentalis“ und politisch Preußen königlichen Anteils, seit der Union von Lublin, 1569, auch „Polnisch Preußen“. Der Ostteil wurde von Albrecht (Preußen), dem letzten in Preußen herrschenden Hochmeister des Deutschen Ordens, 1525, in das weltliche Herzogtum Preußen umgewandelt. Die erbliche Herzogswürde verlieh ihm König Sigismund I. von Polen. 1618 erbten die hohenzollernschen Kurfürsten von Brandenburg das zu der Zeit immer noch unter polnischer Lehnshoheit stehende Herzogtum, das damit eine Keimzelle des späteren Preußens wurde. 1657 gewannen die Kurfürsten im Vertrag von Wehlau für das Herzogtum Preußen die Souveränität gegenüber Polen und 1701 schließlich die Königswürde. Jene galt formal nur für den Bereich des bisherigen Herzogtums, die Bezeichnung Königreich Preußen setzte sich aber allmählich als zusammenfassender Staatsname für alle Besitzungen der brandenburgisch-preußischen Herrscher durch, bezog sich also auch auf die im Heiligen Römischen Reich gelegenen Territorien. Staatsrechtlich bestand die Monarchie der Hohenzollern bis 1806/1807 dennoch aus zwei Reichsgliedern, dem souveränen Königreich Preußen im Osten und dem westlich gelegenen teilsouveränen brandenburgischen Kurfürstentum im Reich.

Brandenburg-Preußen

1772 erhielten die preußischen Könige, die im Heiligen Römischen Reich auch Kurfürsten von Brandenburg waren, im Zuge der Ersten Teilung Polens das zu I. Rzeczpospolita gehörende sogenannte Polnisch-Preußen (Danzig und Thorn erst 1793), sowie weitere südlich angrenzende Gebiete entlang der Netze. Das unter der brandenburgischen Herrschaft der Hohenzollern stehende souveräne Königreich Preußen wurde 1773 verwaltungsmäßig in drei Teile eingeteilt: Ostpreußen, Westpreußen und Netzedistrikt.

Mit dem Untergang des Heiligen Römischen Reiches, 1806, gewann die Monarchie der Hohenzollern die vollständige Souveränität für ihr gesamtes Herrschaftsgebiet. Damit entfielen die Sonderstellung des Kurfürstentums Brandenburg und die brandenburgische Kurwürde für den im Heiligen Römischen Reich liegenden Teil der Hohenzollern-Monarchie. Im Frieden von Tilsit, 1807, verlor das um das Kurfürstentum Brandenburg zuvor erweiterte Königreich Preußen den größten Teil des Netzedistikts und das Kulmerland an das von Kaiser Napoleon gegründete Herzogtum Warschau, erwarb sie aber auf dem Wiener Kongress, 1815, wieder zurück. Der Netzedistrikt wurde danach größtenteils dem preußischen Großherzogtum Posen zugeschlagen. 1829–78 waren Ost- und Westpreußen in der Provinz Preußen verwaltungstechnisch vereint.

Deutsches Kaiserreich

1871 wurde – im Gegensatz zum Vorgänger Deutscher Bund – das gesamte Gebiet des Königreichs Preußen als Bundesglied Teil des deutschen Nationalstaats. Damit wurde es zum ersten Mal in seiner Geschichte (abgesehen von der kurzen Periode der Paulskirchenverfassung 1848–1851) unter dem (bis dahin allerdings nie genau eingegrenzten) Begriff „Deutschland“ mitverstanden; zuvor hatte es nie zum Heiligen Römischen Reich und nur 1848–1851 zum Deutschen Bund gehört. Westpreußen war zu großen Teilen auch nicht mehrheitlich deutschsprachig. Infolge der langen geschichtlichen Verbindung mit Polen bildeten in Pommerellen und im Kulmerland polnisch- bzw. kaschubischsprachige Katholiken einen großen Teil der Bevölkerung. Sie sahen sich im Kaiserreich gezielter Ausgrenzung und auch Germanisierung ausgesetzt. Die Masuren und Litauer standen jedoch wegen ihres überwiegend lutherischen Glaubens dem preußischen bzw. deutschen Staat näher.

Folgen der Weltkriege

Territorialverluste Deutschlands 1919–1945

Nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg und dem Friedensvertrag von Versailles 1919 wurde Westpreußen größtenteils zu Polen geschlagen sowie das Memelland (seit 1923 bei Litauen) und Danzig (als Freie Stadt) abgetrennt. Nachdem alle diese Gebiete von 1939 bis 1945 nochmals an das Deutsche Reich gefallen waren, wurden schließlich mit der Deutschen Teilung das nördliche Ostpreußen an die Sowjetunion und das südliche Ostpreußen an Polen übergeben und alle Deutschen vertrieben. Heute verteilt sich das Gebiet der historischen Landschaft Preußen auf die polnischen Woiwodschaften Pommern bzw. Kujawien-Pommern (Westpreußen) sowie Ermland-Masuren (südliches Ostpreußen), die russische Oblast Kaliningrad (nördliches Ostpreußen) und die litauischen Verwaltungsbezirke Distrikt Klaipėda und Distrikt Tauragė (Memelland).

Literatur

  • William Pierson: Elektron oder Ueber die Vorfahren, die Verwandtschaft und die Namen der alten Preussen. Ein Beitrag zur ältesten Geschichte des Landes Preussen. Berlin 1869 (Volltext).

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise