La Llorona (Folklore)

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La Llorona (deutsch: „Die Weinende“, „die Wehklagende“) ist eine Figur der lateinamerikanischen Folklore und erzählt von dem Geist einer Frau, die um ihre Kinder weint, die sie zuvor eigenhändig in einem Fluss ertränkt haben soll. Ihr Erscheinen gilt meist als Vorbote für den Tod, sie soll in der Umgebung von Flüssen erscheinen. Die Erzählung der La Llorona existiert in vielerlei Ausführungen und ist zu einem gewissen Grade im gesamten lateinamerikanischen Raum verbreitet, insbesondere in Mexiko. Ihre Legenden erfreuen sich großer Popularität und ihre Gestalt hat Eingang in moderne Subkulturen gefunden. Sie inspiriert bis heute zahllose Kunstwerke, Horrorfilme, Computerspiele und Gruselromane.

Beschreibung

Die Legenden um La Llorona haben ihren Ursprung in Lateinamerika. Sie wird dort durchweg als junge, wunderschöne Frau namens Maria oder Rita beschrieben. Sie soll Augenzeugen als weiß bekleidete Dame erscheinen und nicht selten wie eine Braut aussehen. In düsteren Versionen soll sie zwar ebenfalls einer Braut ähneln, aber dürr wie ein Skelett sein und unheimlich glühende Augen haben. Die Legende darum, wie sie zur weinenden Mutter wurde, liegt in zahllosen, von Region zu Region oft stark abweichenden Variationen vor. Der gemeinsame Kern der Legende beschreibt ihr Schicksal wie folgt:

Maria/Rita war eine sehr junge und wunderschöne Frau, die von Freiern geradezu umschwärmt wurde. Sie selbst träumte stets davon, einen besonders hübschen, reichen und mächtigen Mann zu heiraten und ihm viele Kinder zu schenken. Tatsächlich wurde ihr dieser Wunsch eines Tages erfüllt. Doch Maria hatte sich den Falschen ausgesucht: Ihr Mann betrog sie bald mit einer Anderen, eine, die ihn nicht mit Kinderwünschen überhäufen würde, sondern nur ihm gefällig ist. Für diese andere Frau zog er sogar weg vom gemeinsamen Herrenhaus, unter dem Vorwand, sein Beruf würde es von ihm abverlangen (oder seine Familie verlange es von ihm). In der Zwischenzeit gebar Maria mehrere Kinder (hier weichen die Legenden bezüglich der Anzahl der Kinder erstmals stark ab). Eines Tages kehrte der Mann nach Hause zurück und beichtete Maria seine Affären (nach abweichenden Erzählungen kam sie selbst dahinter). Zu Recht gekränkt, sagte sie ihm, dass sie ihn niemals gehen lassen würde und sie drohte ihm, mit seinen Affären an die Öffentlichkeit zu gehen. Ihr Mann drohte ihr ebenfalls: niemand würde einer „einfachen Frau“ glauben, außerdem gehöre das Haus ihm und wolle sie nicht Ruhe geben, würde er ihr Haus und Kinder wegnehmen, notfalls mit Gewalt. Er begann außerdem, auch die Kinder zu bedrohen. Maria zerbrach schließlich an den Schikanen und der häuslichen Gewalt, sie verlor erst die Nerven, dann den Verstand. Sie drohte ihrem Exmann damit, die Kinder zu töten, würde er nicht damit aufhören, die Kinder zu bedrohen. Der Mann lachte nur, doch am nächsten Morgen fanden er und seine Arbeiter die Frau und die Kinder tot im nahen Fluss vor. Maria hatte ihre eigenen Kinder mit bloßen Händen ertränkt und sich dann selbst in die Fluten gestürzt. Andere Versionen berichten, dass der Exmann sie und ihre Kinder ertränkt habe.

Legenden zufolge soll der Geist „La Llorona“ einen ambivalenten Charakter aufweisen. Ihr von Rachsucht und Verzweiflung getriebener Geist soll untreuen Ehemännern nachstellen und sie töten. In den Legenden, in denen sie ermordet wurde, hätten Engel sie aus dem Fluss gezogen. Nachdem die arme Frau in den Himmel aufgestiegen war, habe Gott ihr versprochen, ihr Einlass zu gewähren, wenn sie ihre Kinder wiederfinden könne. Seitdem sei sie unermüdlich auf der Suche nach ihren Kindern. In den Anekdoten, in denen sie ihre Kinder selbst getötet hatte, wird ihr nachgesagt, sie sei auch als Geist verrückt geworden, weil sie ihre Kinder nicht wiederfinden konnte. Nun sei sie neidisch auf glückliche Familien und sie versuche alles, um anderen Familien die Kinder wegzunehmen. Deshalb werden noch heute in Mexiko und Mittelamerika Kinder und Jugendliche davor gewarnt, abends allein nahe Flussufern und/oder in dunklen, leeren Gassen zu spielen. La Llorona werde sonst erscheinen und die Kinder in den Fluss zerren. Oder sie nähert sich jungern Männern und fragt sie: „Wo sind meine Kinder?“. Antwortet der Befragte mit: „Sie spielen noch im Fluss“, soll La Llorona zum Fluss zurückkehren. Kann der Befragte keine Auskunft geben, wird er von La Llorona ertränkt. In jedem Falle soll die Begegnung mit La Llorona einen Fluch oder eine schwere Krankheit zur Folge haben.

Ursprung

Die Legenden um La Llorona tauchten um 1550 in spanischen Besiedlungen in Mexiko und Mittelamerika auf, als Spanisch mehr und mehr zur Landessprache aufstieg. Schon zu dieser Zeit kursierten mehrere Variationen der Legende und die Figur der „Weinenden Dame“ schien der Urbevölkerung schon länger bekannt gewesen zu sein. Doch erst ab dem frühen 16. Jahrhundert wurden sie schriftlich festgehalten. La Llorona dürfte von der aztekischen Göttin Cihuacóatl („Schlangenfrau“) inspiriert sein. Cihuacóatl soll von Himmel gestiegen sein, um bei der Erschaffung der Erde mitzuwirken. Nachdem die Menschen geschaffen waren, begann die Göttin, jede Nacht zu weinen, weil sie die Herzen aller Männer verschlingen wollte, um sich deren Liebe und Gunst zu sichern. So kam der Brauch auf, junge Männer zu opfern und ihnen die Herzen zu entreißen. Interessant (weil augenfällig) ist die Beschreibung von Cihuacóatl: auch sie ist in weiße Gewänder gehüllt und ihr Gesicht ist mit einem weißen Schleier bedeckt. Sie soll einen schlanken Flechtkorb auf dem Rücken tragen, in den sie entführte Kinder steckt. Ganz wie La Llorona, so ertränkt auch die Göttin entführte Kinder in einem Fluss, wobei der Fluss in aztekischen Mythen als Ort der Wiedergeburt angesehen wird. Auch der Totengeist Cihuateotl („Tote der Geborenen“) könnte die Legende der La Llorona beeinflusst haben: es sind die mächtigen Totengeister jener Mütter, die bei der Geburt ihres Kindes starben.

Die Maya berichten Ähnliches: die Göttin Xtabay, eine rachsüchtige Naturgöttin, die in Wäldern hausen soll, war dazu verdammt, stets nur Zwillinge zu gebären und jede Nacht würde sie deswegen bitterlich weinen. Wer ihr begegne, würde in einer ganz bestimmten Nacht von ihr heimgesucht und getötet werden.

Die Figur der La Llorona in der modernen Subkultur

Sowohl die Legenden als auch das Wesen der La Llorona haben Eingang in die moderne Subkultur gefunden. Sie erscheint in moderner Romanliteratur, so zum Beispiel in Ray John Arágons The Legend of La Llorona von 1980 und in Gilbert HernandezLa Llorona: The Legend of the Crying Woman von 2000. Sie ist auch ein beliebter Charakter in Drama- und Horrorfilmen, zum Beispiel in Ramón Peóns La Llorona von 1933[1] und in Jayro Bustamantes La Llorona von 2019.[2] Aus demselben Jahr stammt der Horrorfilm Lloronas Fluch von Michael Chaves.[3] Tehlor Kay Mejia verarbeitete die Legende in ihrem 2020 erschienenen Jugendbuch Paola Santiago and the River of Tears.

Literatur

  • Alejandra C. Elenes: Transforming Borders: Chicana/o Popular Culture and Pedagogy. Lexington Books, Lanham 2010, ISBN 978-0-7391-4781-8, S. 69 ff.
  • Nephtalí de León: La Llorona: A Spirit unable to rest (Un ánima que no descansa) (= Biblioteca Javier Coy d’estudis nord-americans, Band 165). Universitat de València, 2020, ISBN 979-8-6378-8734-7, ISBN 978-84-9134-637-1 (e-Book), S. 16 ff.
  • Domino Renee Perez: There Was a Woman: La Llorona from Folklore to Popular Culture. University of Texas Press, 2008, ISBN 978-0-292-71811-1, S. 29–31 % 230.

Siehe auch

Einzelnachweise