Hubspeicherkraftwerk
Ein Hubspeicherkraftwerk, auch Lageenergiespeicherkraftwerk, ist ein Typ von Speicherkraftwerk, in dem elektrische Energie in Form von potentieller Energie (Lageenergie) des Hubkörpers zwischengespeichert wird. Üblicherweise wird der Begriff nur verwendet, wenn hierbei ein Festkörper als Speichermasse dient. Wasserspeicherkraftwerke, insbesondere Pumpspeicherkraftwerke, die flüssiges Wasser als Speichermasse nutzen, fallen nicht unter den Begriff, obwohl sie ebenfalls Lageenergie speichern.
Stand der Entwicklung
Obwohl die physikalischen Grundlagen sehr einfach und auch die erforderlichen Techniken aus anderen Anwendungen im kleineren Maßstab hinreichend erprobt und bewährt sind, befand sich das Konzept eines großtechnischen Hubspeicherkraftwerkes, das hinsichtlich Leistung und Speicherkapazität mit anderen Speicherkraftwerkstypen konkurrieren kann, Mitte der 2010er-Jahre noch in der Konzeptphase. Es gibt diverse Ideen, Erfindungen und Patentanmeldungen[1][2][3][4][5] und auch Forschungsvorhaben[6]. Die Universität Innsbruck baute Prototypen.[7]
Ein erster Prototyp mit 20 Metern Durchmesser und 30 Meter Höhe sollte 2019 in Saudi-Arabien in Betrieb genommen werden.[8] Die Entwicklungsfirma stellte jedoch 2020 einen Insolvenzantrag. Eine Nachfolgefirma suchte danach für dieses Konzept Investoren.[9]
In Edinburgh wurden von Gravitricity[10] und in der Nähe von Bellinzona von Energy Vault[11] Testanlagen gebaut. Der Vorteil des Systems von Energy Vault sei die Einfachheit der verwendeten Elemente.[12] Laut Angaben des Herstellers soll dieser Schwerkraftspeicher einen Wirkungsgrad von ca. 85 Prozent haben.[13][14]
Beim Bahnhof von Castione-Arbedo wurden 2018 zunächst mit einem Baukran Gewichte von 500 Kilogramm aufeinander gestapelt.[15] 2020 wurde in einem nächsten Schritt eine 60 Meter hohe Versuchsanlage mit den speziellen 6 Kranauslegern gebaut. Diese Anlage wird nach dem Ende der Tests 2021 nach Indien gebracht. Eine neue Testanlage sollte laut Angaben des Geschäftsführers mehr wie ein Gebäude aussehen.[16] Gravitricity hingegen will künstliche Schächte anlegen (oder alte Grubenschächte nutzen) und darin ein Gewicht anheben und absenken. In ausgebauten Schächten soll zusätzlich auch Gasspeicherung und Wärmegewinnung möglich sein. Die erste Testanlage von Gravitricity im Jahr 2021 stand jedoch noch oberirdisch im Hafen von Edinburgh.[17] Am 21. April 2021 fand dort die erste Energie-Rückgewinnung statt.[18]
Physikalische Grundlagen
Das Volumen eines Körpers und damit auch dessen Masse verändern sich in der dritten Potenz seiner Abmessungen. Beispielsweise bei zehnfacher Kantenlänge vertausendfacht sich die Masse eines Würfels. Die Lageenergie, die ein Hubspeicher aufnehmen kann, entspricht dem Produkt aus Masse, Erdbeschleunigung und Höhendifferenz. In Formeln ausgedrückt: Die gespeicherte Lageenergie beim Heben/Senken einer Speichermasse gegen die Erdbeschleunigung um eine Höhendifferenz berechnet sich vereinfacht als:
Kennt man das Volumen und die mittlere Dichte der Speichermasse, kann man die Masse ersetzen:
So ergibt sich beispielsweise für einen Block von 1 Kubikmeter Volumen, der aus massivem Stahl besteht und eine Dichte von 7,85 t/m³ aufweist und der 500 m in die Höhe gehoben wird, eine Energiespeicherung von rund 10,7 kWh, was dem Energiegehalt von ca. 10 Kraftfahrzeug-Starterbatterien mit einer Kapazität von je 85 Ah entspricht.
Technische Konzepte
Hebetechnik
In Betracht kommt jede Technik, die Gegenstände in vertikaler Richtung bewegt. Die Vertikalbewegung kann dabei lotrecht (senkrecht) wie etwa bei einem Aufzug oder schräg wie z. B. bei einer Zahnradbahn erfolgen.
Als Förderanlage sind grundsätzlich fast alle Bauformen denkbar, die auch in der Fördertechnik oder bei Transportfahrzeugen eingesetzt werden, wie etwa Drahtseile, Ketten, Zahnstangen, aber auch Hebelmechanismen und Gewindespindeln. Schräg können die Massen z. B. auf Schienen auf- und abwärts bewegt werden. Die bewegbaren Massen, egal ob Einzelgewichte oder Schüttgut, sind jedoch in all diesen Fällen verhältnismäßig klein.
Für große Massen eignen sich hydraulische Hebevorrichtungen, insb. mit Wasser als Hydraulikmedium. Das Heben großer Massen über beträchtliche Höhendifferenzen ist beispielsweise aus dem Bau von Schiffshebewerken erprobt. Die Rückwandlung der Lageenergie in elektrische Energie kann dann mittels konventioneller Turbinentechnik geschehen. Es entsteht eine Hybridform aus Hubspeicher- und Pumpspeicherkraftwerk. Der Vorteil gegenüber klassischen Pumpspeicherkraftwerken, die nur mit Wasser arbeiten, besteht darin, dass durch die höhere Dichte von Metallen oder Gestein gegenüber Wasser bei gleichem Volumen ein mehrfaches an Energie gespeichert werden kann. Der Wirkungsgrad wäre ähnlich gut wie bei Pumpspeicherkraftwerken (ca. 75–85 %).
Das Konzept
(engl., dt. sinngemäß Energieturm) der Universität Innsbruck bezeichnet einen hydraulischen Energiespeicher, in dem in einem säulen-, schacht- bzw. turmartigen Aufbau schwere Zylinder nach oben gepumpt werden. Dabei treibt der durch ihren Druck entstehende Wasserstrom eine Turbine an. Als Wirkungsgrad werden „weit über 80 %“ angegeben; als Ziel eine Energiespeicherkapazität von einer Megawattstunde.[19][20] Vergleichbar mit diesem Konzept, allerdings in sehr viel größerer Dimension, ist der Entwurf des Lageenergiespeichers von Eduard Heindl mit einem geplanten Zylinder von ca. 65 m Radius und 130 m Höhe, welcher aus einem möglichst homogenen Felsen ausgesägt würde. Aus dieser Zylindergröße resultiert eine Speicherkapazität von etwa 500 Megawattstunden.[21] Das Konzept
(ebenfalls von der Universität Innsbruck) besteht aus hydraulischen, schwimmenden Offshore-Systemen zur Umwandlung und Speicherung elektrischer Energie. Kern der Idee ist „eine Art schwimmendes Pumpspeicherkraftwerk“. Wasser wird zwischen einem in einem großen Schwimmkörper (z. B. aus Stahl oder Beton) integrierten Reservoir und dem umgebenden See bzw. Ozean je nach energiewirtschaftlicher Erfordernis (Stromüberschuss / Stromnachfrage) hin und her bewegt.[22]
Energierückspeisung
Der entscheidende Unterschied vom Hubspeicherkraftwerk zu normalen Förderanlagen ist die Tatsache, dass die gespeicherte Energie bei der Abwärtsbewegung nicht in einer konventionellen Bremse „vernichtet“ (d. h. in Wärme umgesetzt), sondern wieder in elektrische Energie zurückgewandelt wird. Diese Rückwandlung ist aus anderen Anwendungen erprobt und bewährt.
Bereits heute existieren z. B. Zahnradbahnen wie etwa die Zugspitzbahn, aber auch Aufzüge, welche bei der Abwärtsbewegung elektrische Energie erzeugen und ins Netz zurückspeisen. Dabei werden generatorische Bremsen (Rekuperationsbremsen) oder Frequenzumrichter[23][24] eingesetzt. Insofern handelt es sich bei diesen Anlagen bereits um Hubspeicher. Aus der physikalischen Wirkung entsteht ein Vorteil gegenüber anderen Speicherkraftwerken: Da die Gewichtskraft der Speichermasse annähernd unabhängig von der Höhe ist, ist die Leistung des Kraftwerkes unabhängig vom „Füllstand“. Zudem verlieren sie während der Standzeit keine Energie, und die Leistung ist jederzeit sehr schnell abrufbar; ein solches Speicherkraftwerk wäre deshalb auch als Notstromversorgung verwendbar. Begrenzend für die Startzeit und die Leistung des Kraftwerks ist die Baugröße des Generators und der resultierende Anlaufstrom bzw. die Rampe des vorgeschalteten Frequenzumrichters.
Standort
Zur Maximierung der zur Verfügung stehenden Höhendifferenz, die direkt proportional in die Speicherkapazität des Kraftwerkes eingeht, wird häufig vorgeschlagen, Hubspeicher in abgeworfene Bergbauschächte zu integrieren.[1][2] Solche Schächte, die normalerweise mehrere hundert, oft sogar weit über tausend Meter Höhe bieten, haben zudem den Vorteil, dass teilweise die Infrastruktur der ehemals vorhandenen Schachtförderung genutzt werden kann. Fördermaschinen mit bis zu 6 MVA Leistung sind Stand der Technik,[25] auch Netzrückspeisung gab es vereinzelt schon früher, z. B. im Kaiser-Wilhelm-Schacht.[26]
Alternativ zu unterirdischen Schächten würde auch eine Installation auf dem offenen Meer Hübe von mehreren hundert Metern oder im Bereich von Tiefseegebieten bis weit über tausend Meter erlauben.[1] Wegen der Wassertiefe müsste das Kraftwerk auf einem großen Schwimmkörper errichtet werden, dessen Auftrieb das Gewicht von Kraftwerk und Speichermasse trägt. Das effektive Gewicht der Speichermasse reduziert sich dann durch den Auftrieb des Wassers, was einerseits den erforderlichen Schwimmkörper, andererseits aber auch das Speichervolumen vermindert. Probleme entstünden, vergleichbar mit anderen schwimmenden Bauwerken wie etwa Halbtaucherbohrinseln, durch hohen Seegang, Wind, Meeresströmungen und sonstige Witterungseinflüsse sowie die erforderliche elektrische Verbindung zum Festland. Bei schwimmender Bauweise böte sich wegen Synergien die Kombination mit einer schwimmenden Windkraftanlage an.
Filmische Dokumentationen
Einzelnachweise
- ↑ a b c Werner Rau: Hubspeicherkraftwerke – Hubspeicher nutzen die Schwerkraft. Abgerufen am 25. März 2011.
- ↑ a b Patent DE102007057323: Hubspeicherkraftwerk als besondere Form eines Speicherkraftwerkes, welches der Speicherung von elektrischer Energie durch Umwandlung in potentielle Energie einer Hubmasse dient. Veröffentlicht am 4. Juni 2009, Erfinder: Jürgen Pesch.
- ↑ Frank Escombe: LoganStone Energy Storage. (Nicht mehr online verfügbar.) Sure Insight, ehemals im Original; abgerufen am 29. März 2011 (englisch). (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
- ↑ Patent DE102011012594: Offshore Hydraulischer Energiespeicher. Veröffentlicht am 30. August 2012, Erfinder: Robert Klar / Markus Aufleger.
- ↑ Patent KR20130100965: SYSTEM FOR STORING POTENTIAL ENERGY AND METHOD FOR PRODUCING SUCH A SYSTEM. Veröffentlicht am 12. September 2013, Erfinder: Eduard Heindl.
- ↑ Achim Gottscheber: Hubspeicherkraftwerk – eine Alternative zur Speicherung elektrischer Energie. (Nicht mehr online verfügbar.) SRH Hochschule Heidelberg, archiviert vom Original am 14. Februar 2011; abgerufen am 25. März 2011.
- ↑ Markus Aufleger: Hydraulischer Energiespeicher (Memento vom 18. Mai 2015 im Internet Archive)
- ↑ Tüftler machen Gefällekraftwerk ohne Gefälle möglich. In: Spiegel-Online, 16. Januar 2018. Abgerufen am 16. Januar 2018.
- ↑ Heindl: Status of Development
- ↑ Schwerkraft-Speicher: Gravitricity baut Demonstrationsanlage. In: cleanthinking.de. 30. Oktober 2020, abgerufen am 26. März 2021.
- ↑ COMMERCIAL DEMONSTRATION UNIT (CDU). Abgerufen am 11. März 2021.
- ↑ Revolutionäre Methode zur Speicherung erneuerbarer Energie, Swissinfo, 1. Dezember 2019
- ↑ Bernward Janzing: Neue Energiespeicher: Betonfässer am Kranseil. In: Die Tageszeitung. 22. Dezember 2018, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 7. Februar 2019]).
- ↑ Stacking concrete blocks is a surprisingly efficient way to store energy. In: qz.com. 18. August 2018, abgerufen am 26. März 2021 (englisch).
- ↑ Tessiner Startup revolutioniert die Stromspeicherung, Handelszeitung, 6. Dezember 2018
- ↑ Superbatterie aus dem Tessin stösst auf internationales Interesse, SRF, 25. Oktober 2021
- ↑ Gravitricity adds hydrogen to the underground energy storage mix, powerengineeringint.com, 21. Mai 2021
- ↑ Gravitricity battery generates first power at Edinburgh site, BBC, 21. April 2021
- ↑ powertower.eu
- ↑ Deutschlandfunk, Forschung Aktuell, 19. November 2013, Thomas Gith: deutschlandfunk.de: Neuer Speicher für Energie aus Windkraftwerken (21. November 2013)
- ↑ Eduard Heindl: Idee und Funktion eines sehr großen Lageenergiespeichers. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 27. Juli 2014; abgerufen am 22. Juli 2014.
- ↑ Robert Klar: Offshore Hydraulische Energiespeicher. Abgerufen am 17. Juni 2014.
- ↑ Jürg Nipkow: Elektrizitätsverbrauch und Einspar-Potenziale bei Aufzügen. BFE-Programm Elektrizität, DIS-Projekt Nr. 101106, Schlussbericht November 2005. Hrsg.: Schweizerische Agentur für Energieeffizienz. Bundesamt für Energie (Volltext [PDF; 769 kB]). Volltext (Memento vom 7. Oktober 2009 im Internet Archive)
- ↑ Industrie-Service Argauer (Hrsg.): Energierückspeisung, ein Umweltbeitrag, der sich bezahlt macht! (Online auf henning-gmbh.de [PDF]).
- ↑ Fördermaschinen und Schächte. (Nicht mehr online verfügbar.) RAG Mining Solutions, Februar 2011, ehemals im Original; abgerufen am 25. März 2011. (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
- ↑ Heinz – Rüdiger Lenk: Der Schacht Kaiser Wilhelm II. Abgerufen am 25. März 2011.