Laienspiel

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Aufführung von Georg Anton Bredelins Fastnachtsspiel Die Weibermühle von Tripstrill in Wolfach, 2012

Laienspiel oder Laientheater, früher auch Liebhabertheater, bezeichnet Theateraufführungen durch nicht speziell ausgebildete und nicht bezahlte Darsteller (Laien bzw. Dilettanten oder Amateure). Im Mittelpunkt steht kein Erwerbsinteresse, sondern das Vergnügen an der künstlerischen Betätigung.

Begriff

In Bezug auf mittelalterliches Theater wird der Ausdruck Laienspiel meist als Gegensatz zu Theaterformen verstanden, in denen Angehörige des Klerus auftraten. Der Laie hat in dieser Bedeutung kein Kirchenamt. In Abgrenzung zu kirchlichen oder höfischen Anlässen wird das bürgerliche Theaterspiel oft Volkstheater genannt. Die Bezeichnung früher Theaterpraktiken als Laienspiel ist problematisch, da der heutige Begriff die Existenz eines professionellen Berufstheaters voraussetzt.

Manche Definitionen unterscheiden zwischen Laienspiel und Amateurtheater. Letzteres nehme sich das Berufstheater stärker zum Vorbild, die Darsteller erhalten zum Teil sogar eine geringe Gage, während Laienspiele zum Teil eigene Formen entwickelten. Eine Variante ist das Liebhabertheater, bei dem die Laienschauspieler teilweise sogar dafür bezahlen, auftreten zu dürfen.

Ebenso schwierig ist die Abgrenzung zwischen Theater- und Festkultur. Ob theatralische Auftritte bei gesellschaftlichen Anlässen zum Laientheater gerechnet werden, kann etwa vom Probenaufwand und der Eigenständigkeit der theatralischen Aktion abhängen. Der private Auftritt von Berufsschauspielern hat in den Medien erhebliche Bedeutung und wird ebenfalls nicht zum Laienspiel gerechnet.

Veranstalter von Laienspielen im traditionellen Sinne sind oft Heimatvereine oder Kirchengemeinden. Die Aufführungen finden selten in Theatern statt, sondern in Gemeindesälen, Wirtshäusern, Kirchen oder der Schulaula. Im Sommer finden Laienspiele auch als Open-Air-Veranstaltungen statt. Die Anzahl der Aufführungen eines Laienspiels ist meist gering, oft gibt es nur eine einzige Aufführung.

Laienbühnen seien das eigentliche „Nationaltheater“ Amerikas, behauptete der amerikanische Theaterwissenschaftler Hubert Heffner im Jahr 1936. Die aktive Teilnahme von Zehntausenden von lebenden Darstellern sei besser als das „Konservendrama“ des Kinos; das Handbuch, in dem Heffners Bemerkungen gedruckt wurden, wurde „eine Art Bibel des Laienspiels“ (a kind of Bible of amateur dramatics).[1]

Eine vermittelnde Stellung zwischen dem Laienspiel und kirchlichem Brauchtum nehmen die seit den 1980er Jahren von italienischen Immigranten in Deutschland begründeten Prozessionsspiele ein, wie etwa das Bensheimer Passionsspiel oder entsprechende Aufführungen in Stuttgart-Bad Cannstatt, Saarlouis oder Ulm.[2]

Geschichte

Die Wurzeln des Laienspiels vor allem im ländlichen Bereich sind zum Teil in den geistlichen Spielen des Mittelalters zu finden, die sich von ihren kultischen Funktionen gelöst hatten und überwiegend dem Zeitvertreib, der künstlerischen Betätigung und der stadtbürgerlichen Selbstdarstellung dienten. Bis zur Entwicklung eines Berufstheaters im eigentlichen Sinne in der Renaissance durch die Schauspieler der Commedia dell’arte wurden praktisch alle theatralen Aufführungen durch Laien bewerkstelligt. Außerdem standen bei den geistlichen Spielen weniger das Vergnügen der Darsteller im Mittelpunkt als die kultische Bedeutung. Inwieweit Passionsspiele, Krippenspiele oder ähnliche Aufführungen wie z. B. Johannesspiele zum Laienspiel gehören, lässt sich nur im Einzelfall entscheiden. Wenige der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Spieltraditionen haben sich bis heute erhalten wie die schweizerische Fête des Vignerons.

Theater zur Bildung statt zur Belustigung ist bis zum 18. Jahrhundert mehrheitlich Laientheater, ebenso wie die in höfische und städtische Feste eingebundenen Theaterformen. Der Beruf des Schauspielers wird seit der französischen Klassik zunehmend aufgewertet. Die Wanderbühnen praktizierten oft Mischformen von Laientheater und professionellem Theater. Mit der Idee des Nationaltheaters im 19. Jahrhundert, das ein festes Ensemble besitzen sollte, verlor das Laientheater seine beherrschende Stellung in bürgerlichen Theaterzirkeln.

Die Aufführungen in den Salons des 18. und 19. Jahrhunderts sind nach den oben genannten Kriterien zwar als Laienspiel anzusehen, trotzdem erscheint der Begriff problematisch, ja anachronistisch, da seinerzeit nicht von Laien, sondern von Dilettanten oder Liebhabern (Amateuren) gesprochen wurde.

Ab Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden in Deutschland zahlreiche Natur- und Freilichtbühnen, die dem Laienspiel starken Zulauf brachten. Festspiele wurden gegründet, die teilweise bis heute existieren. Eine Aufwertung des Volksbegriffes durch die Völkische Bewegung, die zum Teil politisch instrumentalisiert war, gab auch dem Laientheater größere Bedeutung. Künstler wie Adolphe Appia, Émile Jaques-Dalcroze oder der Reformpädagoge Martin Luserke mit der damals ersten und einzigen Theaterhalle einer deutschen Schule (siehe auch: Schule am Meer auf Juist) speziell für das Laienspiel schufen Mischformen zwischen laienhaften und professionellen Theateranlässen.

Ohne Martin Luserke hätte sich das Laienspiel niemals so entfaltet, wie es 1920–1933 möglich wurde.

Rudolf Mirbt, Göttingen, 22. September 1949[3]

Heute ist das Laienspiel zumeist eng mit Vereinsaktivitäten verbunden und hat sich von der ursprünglichen Form des Laienspiels weit entfernt.

BAG Spiel und Theater

Ein spezieller Anreger, Förderer, Herausgeber und Sammler war 1953 der Gründer des Laienspiel-Bundes (heute: Bundesarbeitsgemeinschaft Spiel und Theater), Rudolf Mirbt, der mit vielen seiner im Bärenreiter-Verlag herausgegebenen Stücke einerseits viel „Volksgut“ gesammelt hat, andererseits aber auch viele Stoffe bewusstseinsbildend aufbereitete.

Abgrenzung zum Profitheater

Aus dem Laienspiel heraus entwickelten sich gerade im bayerischen und österreichischen Bauerntheater immer wieder professionelle Gruppen (z. B. Exl-Gruppe in Tirol, Schlierseer, Peter Steiner). Auch das Theater Lindenhof im württembergisch-schwäbischen Melchingen hat sich aus einer Laienspielgruppe des Freien Theaters entwickelt. In einzelnen Stücken des Theaters kommen bis heute Laiendarsteller auf der Bühne zum Zuge, zuletzt bei der Inszenierung des historischen Mössinger Generalstreiks im bundesweit beachteten Stück Ein Dorf im Widerstand aus dem Jahr 2013.[4][5] Das Theater Lindenhof gilt als das erste und bislang einzige Regionaltheater Deutschlands. Für seine Inszenierungen hat es während seines inzwischen über 30-jährigen Bestehens zahlreiche Theaterpreise – insbesondere in Baden-Württemberg – erhalten.

Bekannte Laienspiele

Siehe auch

  • Schultheater
  • Meldorfer Spielweise
  • Laura Schmidt: Weihnachtliches Theater: Zur Entstehung und Geschichte einer bürgerlichen Fest- und Theaterkultur, ISBN 978-3837638714

Zitate

  • "Theaterspiel nicht berufsmäßiger Schauspieler, das insbesondere von Jugend-, aber auch Erwachsenenverbänden und den Kirchen gepflegt wird. Gespielt werden kleinere und größere Schauspiele; zum Laienspiel gehören aber auch Vorführungen pantomimischer, gymnastischer, tänzerischer Art." (aus Brockhaus Enzyklopädie)

Weblinks

Wiktionary: Laienspiel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. The Play's the Thing. Besprechung von: Modern Theatre Practice. A Handbook for Nonprofessionals. In: The Journal of Education. Band 119, Nr. 12, 1936, S. 341, JSTOR:42849534.
  2. Ein Überblick in Diane Dingeldein: Das Bensheimer Passionsspiel. Studien zu einem italienisch-deutschen Kulturtransfer. (Mainzer Beiträge zur Kulturanthropologie/Volkskunde Bd. 7). Waxmann, Münster/ New York/ München/ Berlin 2013, S. 182–190
  3. Rudolf Mirbt (Hrsg.): Der Teufel mit den drei goldenen Haaren. (Memento vom 15. April 2017 im Internet Archive) Bärenreiter-Verlag, Kassel 1949, S. 12
  4. Mössinger Generalstreik kommt auf die Bühne Artikel der Tageszeitung Die Welt vom 6. Mai 2013 zur Bühnenfassung des Mössinger Generalstreik-Stoffes im Stück Ein Dorf im Widerstand
  5. "Ein Dorf im Widerstand" mit 100 Akteuren uraufgeführt (Memento vom 27. September 2013 im Internet Archive) von Kai-Uwe Brinkmann; Rezension der Aufführung des Stückes Ein Dorf im Widerstand bei den Ruhrfestspielen 2013 in der Tageszeitung Ruhr Nachrichten vom 9. Juni 2013 (abgerufen am 22. März 2014)