Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe K.d.ö.R. ist ein Zusammenschluss von jüdischen Gemeinden in den Landesteilen Westfalen und Lippe des Landes Nordrhein-Westfalen und zählt ca. 6030 Mitglieder (Stand: 2020). Die größte Gemeinde ist die in Dortmund. Aus dieser kommt der Vorsitzende des Landesverbandes, Zwi Rappoport.

Der Landesverband ist Mitglied im Zentralrat der Juden in Deutschland und umfasst zehn Gemeinden. Sitz des Landesverbands ist Dortmund.[1]

Eine Übersicht über die einzelnen Gemeinden gibt die Navigationsleiste Jüdische Gemeinden im Landesverband Westfalen-Lippe in der Fußzeile dieses Artikels.

Staatskirchenvertrag

Der Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe ist – gemeinsam und gleichberechtigt mit der Synagogen-Gemeinde Köln und dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein – Vertragspartner des Staatsvertrags vom 8. Juni 1993 zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und den jüdischen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen.[2] Nach diesem Vertrag erhält der Landesverband 25 Prozent der vertraglich festgelegten staatlichen Zahlungen; er muss diese Gelder auch an andere jüdische Gemeinden in seinem Verbandsgebiet weiterreichen.

Geschichte

Datei:Synagoge Dortmund.jpg
Synagoge der größten Gemeinde in Westfalen Dortmund

Laut Siegfried Heimberg[3] wurden nach dem Zweiten Weltkrieg alle jüdische Personen in Westfalen in Gemeinden erfasst. 1945 gab es noch 18 jüdische Gemeinden. Nach der Zusammenlegung kleinerer Gemeinden verblieben noch zehn Gemeinden, die alle zum Landesverband der Jüdischen Kultusgemeinden von Westfalen gehörten. Im Januar 1946 bildeten die jüdischen Gemeinden in Bielefeld, Bochum-Herne-Hattingen, Dortmund, Gelsenkirchen, Hagen, Herford-Detmold, Minden, Münster, Paderborn und Recklinghausen einen Landesverband, mit Siegfried Heimberg, Max Rosenbaum und Kurt Neuwald aus Gelsenkirchen als Vorstandsmitgliedern. Nach der Gründung des Staates Israel im Mai 1948 und einem neuen amerikanischen Einwanderungsgesetz im Juni 1948 wanderten bis 1949 viele aus dem „Land der Täter“ aus. Selbst viele derjenigen, die letztlich in Deutschland blieben, rechtfertigten ihr Bleiben als vermeintlich vorläufig und sprachen von einem „Leben auf gepackten Koffern“.[4]

1989 gehörten den Gemeinden des Landesverbands Westfalen-Lippe lediglich 745 Personen an. Aufgrund des Zuzugs von Juden aus den GUS-Staaten nach dem Zerfall der Sowjetunion gab es 1997 fast 5000 Mitglieder in den neun jüdischen Gemeinden Westfalens. Besonders großen Zuwachs verzeichneten die Gemeinden in Recklinghausen und in Dortmund. So wuchs die jüdische Gemeinde Dortmund von 1989 bis 1997 von 300 auf 2763 Mitglieder. Die jüdische Gemeinde Recklinghausen wuchs im selben Zeitraum von kaum 100 auf über 1000 Mitglieder, so dass die Bochumer Gemeinde sich verselbständigte.[5]

Jüdische Gemeinden und Institutionen in Westfalen 1962 – Landesverband der jüdischen Kultusgemeinden von Westfalen:[6]

Jüdische Gemeinden
in Westfalen
im Jahre 1962
Gemeindemitglieder Vorstand Anschrift
Jüdische Kultusgemeinden
– Bochum –
– Herne –
-Recklinghausen-
76 Minna Ahron
Edgar Wahl
Recklinghausen,
Am Polizeigraben
Jüdische Kultusgemeinde
Bielefeld
62 Robert Eichengrün Bielefeld,
Stapenhorststr. 35
Jüdische Kultusgemeinde
Detmold
40 Tobias Blaustein Detmold,
Allee 13
Jüdische Kultusgemeinde
Groß-Dortmund
420 Siegfried Heimberg
Dr. Fritz Klestadt
Gustav Steinweg
Sally Studzinski
Dortmund,
Prinz-Friedrich-Karl-Str. 9
Jüdische Kultusgemeinde
Gelsenkirchen
113 Kurt Neuwald
Louis Salomon
Sally Braun
Adolf Isenberg
Siegfried Josef
Gelsenkirchen,
Von-der-Recke-Straße 9
Jüdische Kultusgemeinde
Hagen
84 Richard Hirschfeld
Max Blecher
Hagen,
Potthofstr. 16
Jüdische Kultusgemeinde
Herford
26 Herbert Heinemann Jakob Butter Herford,
Hansastr. 57
Jüdische Kultusgemeinde
Minden
44 Emil Samuel
Max Ingberg
Minden,
Kampstr. 6
Jüdische Kultusgemeinde
Münster
141 Siegfried Goldenberg
Hugo Spiegel
Hermann Flath
Rabb. Dr. Bernhard Brilling
Siegbert Lewin
Siegmund Spiegel
Josef Rybak
Münster,
Klosterstr. 8/9
Jüdische Kultusgemeinde
Paderborn
55 Fritz Goldstein Paderborn,
Theodorstr. 27
Zahl der Juden in Westfalen
im Jahre 1962
1.161
Zahl der Juden in Westfalen
im Jahre 1932
21.595
Gemeinde 1821 1989 1991 1997 2008 2013
Bielefeld 184 23 26 31 282 284
Dortmund 371 337 412 2.763 3.238 3.026
Gelsenkirchen 79 80 282 410 378
Hagen 132 38 53 217 311 288
Herford 112 23 23 68 106 104
Minden 278 43 45 64 81 81
Münster 81 101 126 396 790 722
Paderborn 270 35 36 51 63 52
Recklinghausen 121 66 84 1.126 606 571
Bochum 1.168 1.077
Gesamt 11.142 745 885 4.998 7.055 6.583
Jahre Regierungsbezirk Münster Regierungsbezirk Minden Regierungsbezirk Arnsberg Provinz Westfalen
1825 2 611 4 667 3 864 11 142
1925 4 315 3 890 13 380 21 595

Die Kreise Westfalens mit ihrer jüdische Bevölkerung im Jahr 1821[7]

Regierungsbezirk Münster Gesamtbevölkerung Jüdische Bevölkerung 1821
Ahaus 35 237 225
Beckum 30 813 330
Borken 36 647 386
Coesfeld 37 233 297
Lüdinghausen 31 300 236
Münster-Land 30 346 120
Münster-Stadt 16 287 81
Recklinghausen 39 645 121
Steinfurt 36 839 350
Tecklenburg 37 853 198
Warendorf 32 204 131
Regierungsbezirk Minden Gesamtbevölkerung Jüdische Bevölkerung 1821
Bielefeld 31 443 184
Brakel 21 138 437
Bünde 36 730 166
Büren 28 587 414
Halle 26 825 205
Herford 23 719 112
Höxter 21 231 533
Minden 43 759 278
Paderborn 28 184 270
Rahden 32 399 217
Warburg 28 315 1.125
Wiedenbrück 31 833 374
Regierungsbezirk Arnsberg Gesamtbevölkerung Jüdische Bevölkerung 1821
Altena 27 492 126
Arnsberg 20 360 140
Bochum 29 642 228
Brilon 29 970 650
Dortmund 31 947 371
Hagen 44 446 132
Hamm 32 228 164
Iserlohn 25 727 344
Lippstadt 25 758 534
Meschede 22 634 205
Olpe 24 010 33
Siegen 34 676 14
Soest 34 541 349
Wittgenstein 16 931 281

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Quelle: Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe K.d.ö.R./ Webseite Zentralrat der Juden in Deutschland, Stand 2019
  2. Staatsvertrag Land NRW in der Fassung vom 1. Januar 2018 Aufgerufen am 4. August 2018.
  3. Berno Reicher: Jüdische Gemeinden nach 1945. In: Kirsten Menneken/Andrea Zupancic: Jüdisches Leben in Westfalen, Essen 1998, S. 164
  4. Monika Grübel/Georg Mölich: Jüdisches Leben im Rheinland. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Köln/Weimar/Wien 2005. (Verlag Böhlau), S. 284
  5. Berno Reicher: Jüdische Gemeinden nach 1945. In: Kirsten Menneken/Andrea Zupancic: Jüdisches Leben in Westfalen, Essen 1998, S. 158
  6. Tabelle aus: Hans Chanoch Meyer: Aus Geschichte und Leben der Juden in Westfalen, Frankfurt am Main 1962, (Ner-Tamid-Verlag), S. 187
  7. Arno Herzig : Judentum und Emanzipation in Westfalen, Münster Westfalen 1973, S. 62.

Literatur

  • Arno Herzig: Judentum und Emanzipation in Westfalen. (Hrsg.: Alfred Hartlieb von Wallthor) Münster Westfalen 1973. (Veröffentlichungen des Provinzialinstituts für westfälische Landes- und Völkerkunde Reihe 1 – Heft 17 Ascherndorffsche Buchdruckerei ISBN 3-402-05874-X).
  • Kirsten Menneken/Andrea Zupancic: Jüdisches Leben in Westfalen. Essen 1998.
  • Jüdisches Museum Westfalen (Hrsg.): Von Bar Mizwa bis Zionismus. Jüdische Traditionen und Lebenswege in Westfalen. Bielefeld 2007.