Kreis Stuhm

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Der Kreis Stuhm in den Grenzen von 1818 bis 1945
Provinz Westpreußen mit beiden Regierungsbezirken
  • Regierungsbezirk Danzig
  • Regierungsbezirk Marienwerder
  • Der Regierungsbezirk Westpreußen, Stand 31. August 1939

    Der Kreis Stuhm, von 1939 bis 1945 Landkreis Stuhm, war ein Landkreis, der zwischen 1818 und 1945 in Preußen bestand. Er gehörte zu dem Teil von Westpreußen, der nach dem Ersten Weltkrieg im Deutschen Reich verblieb und seitdem zur Provinz Ostpreußen gehörte. Heute liegt das ehemalige Kreisgebiet in der polnischen Woiwodschaft Pommern.

    Verwaltungsgeschichte

    Das Gebiet des Kreises Stuhm kam durch die erste polnische Teilung 1772 zu Preußen und gehörte bis 1818 zum Kreis Marienburg.[1] Durch die preußische Provinzialbehörden-Verordnung vom 30. April 1815 und ihre Ausführungsbestimmungen kam das Gebiet zum Regierungsbezirk Marienwerder der Provinz Westpreußen. Im Rahmen einer umfassenden Kreisreform im Regierungsbezirk Marienwerder wurde zum 1. April 1818 aus dem Südteil des Kreises Marienburg der neue Kreis Stuhm gebildet. Er umfasste die Städte Christburg und Stuhm, die Intendantur Stuhm, das Domänenamt Christburg sowie 63 adlige Güter.[2] Sitz des Landratsamtes des neuen Kreises wurde die Stadt Schwetz. Das Landratsamt war zunächst in Christburg, wurde aber 1822 nach Stuhm verlegt.

    Vom 3. Dezember 1829 bis zum 1. April 1878 waren Westpreußen und Ostpreußen zur Provinz Preußen vereinigt, die seit dem 1. Juli 1867 zum Norddeutschen Bund und seit dem 1. Januar 1871 zum Deutschen Reich gehörte.

    Mit Inkrafttreten des Versailler Vertrages am 10. Januar 1920 und der damit verbundenen Auflösung der Provinz Westpreußen wurde der Kreis Stuhm zunächst dem Oberpräsidenten in Königsberg i. Pr. unterstellt. Zur Vorbereitung der Volksabstimmung über die zukünftige Zugehörigkeit des Kreises wurde das zu 42 Prozent polnischsprachige Kreisgebiet (1910) wenig später der Interalliierten Kommission für Regierung und Volksabstimmung in Marienwerder unterstellt. In der Volksabstimmung am 1. Juli 1920 entschieden sich 80 Prozent der Teilnehmer für einen Verbleib des Kreises im Deutschen Reich. Damit endete am 16. August 1920 die Unterstellung des Kreises Stuhm unter die Interalliierte Kommission. Am 1. Juli 1922 wurde der Kreis Stuhm in die Provinz Ostpreußen eingegliedert. Der Regierungsbezirk „Marienwerder“ erhielt aus Traditionsgründen den Namen „Westpreußen“. Der Sitz des Regierungspräsidenten blieb weiterhin in Marienwerder.

    Zum 1. September 1924 wurden die Landgemeinden Tessensdorf und Willenberg aus dem Kreis Stuhm in die Stadt Marienburg im gleichnamigen Kreis eingegliedert. Zum 30. September 1929 fand im Kreis Stuhm entsprechend der Entwicklung im übrigen Preußen eine Gebietsreform statt, bei der alle Gutsbezirke aufgelöst und benachbarten Landgemeinden zugeteilt wurden. Zum 1. Januar 1939 erhielt der Kreis Stuhm entsprechend der jetzt reichseinheitlichen Regelung die Bezeichnung Landkreis.

    Am 26. Oktober 1939 wurde der Landkreis Stuhm Teil des neugebildeten Reichsgaus Westpreußen, später Danzig-Westpreußen und des neuen Regierungsbezirks Marienwerder. Im Frühjahr 1945 eroberte die Rote Armee das Kreisgebiet und unterstellte es ab April 1945 der Verwaltung der Volksrepublik Polen. Die Bevölkerung des Kreises wurde in der Folgezeit größtenteils vertrieben.

    Die Patenschaft für den ehemaligen Landkreis Stuhm übernahm nach dem Krieg der Landkreis Bremervörde in Niedersachsen, nach der Kommunalreform und der daraus resultierenden Zusammenlegung mit dem benachbarten Landkreis Rotenburg (Wümme) übernahm dieser die Patenschaft.

    Bevölkerung

    Im Folgenden eine Übersicht mit offiziellen Angaben zu Einwohnerzahl, Konfessionen und Sprachgruppen:[3][4]

    Jahr 1821 1831 1852 1861 1871 1890 1900 1910 1925 1933 1939
    Einwohner 22.989 27.125 36.446 38.751 40.261 36.085 36.381 36.527 36.682 38.301 40.222
    Evangelische
    Katholiken
    Juden
    7.733
    14.156
    373
    8.920
    16.977
    414
    12.897
    21.938
    600
    13.627
    23.764
    604
    13.598
    25.356
    528
    12.243
    22.859
    340
    12.193
    23.360
    261
    11.843
    23.878
    188
    15.265
    21.116
    149
    15.836
    22.218
    143
    16.926
    22.706
    11
    deutschsprachig
    zweisprachig
    polnischsprachig
      21.700
    -
    5.425
    20.731
    -
    15.715
    22.475
    -
    16.276
      20.792
    1.471
    13.819
    22.157
    954
    13.253
    20.923
    23
    15.560

    Politik

    Landräte

    Kommunalverfassung

    Der Landkreis Stuhm gliederte sich in die Städte Christburg und Stuhm, in Landgemeinden und – bis zu deren Auflösung im Jahre 1929 – in Gutsbezirke. Mit Einführung des preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes vom 15. Dezember 1933 gab es ab dem 1. Januar 1934 eine einheitliche Kommunalverfassung für alle preußischen Gemeinden. Mit Einführung der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 trat zum 1. April 1935 im Deutschen Reich eine einheitliche Kommunalverfassung in Kraft, wonach die bisherigen Landgemeinden nun als Gemeinden bezeichnet wurden. Alle Gemeinden mit Ausnahme der beiden Städte waren in Amtsbezirken zusammengefasst. Eine neue Kreisverfassung wurde nicht mehr geschaffen; es galt weiterhin die Kreisordnung für die Provinzen Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen vom 19. März 1881.

    Wahlen

    Im Deutschen Reich bildete der Kreis Stuhm zusammen mit dem Kreis Marienwerder den Reichstagswahlkreis Marienwerder 1. Der Wahlkreis wurde bei allen Reichstagswahlen von nationalliberalen oder konservativen Kandidaten gewonnen.[5][6]

    Städte und Gemeinden

    Städte und Gemeinden 1945

    Zum Ende seines Bestehens im Jahr 1945 umfasste der Landkreis zwei Städte sowie 65 weitere Gemeinden:[4]

    • Güldenfelde
    • Heinrode
    • Hohendorf
    • Honigfelde
    • Iggeln
    • Jordansdorf
    • Kalsen
    • Kalwe
    • Kammerau
    • Kiesling
    • Klein Brodsende
    • Konradswalde
    • Laabe
    • Laase
    • Lichtfelde
    • Losendorf
    • Mahlau
    • Menthen
    • Mirahnen
    • Montauerweide
    • Morainen
    • Neudorf
    • Neuhöferfelde
    • Neumark
    • Neunhuben
    • Niklaskirchen
    • Pestlin
    • Peterswalde
    • Pirklitz
    • Polixen
    • Portschweiten
    • Posilge
    • Preußisch Damerau
    • Ramten

    Vor 1945 aufgelöste Gemeinden

    • Bruch'sche Niederung, 1928 zu Bruch
    • Czewskawolla, 1928 zu Bruch
    • Groß Schardau, 1928 zu Montauerweide
    • Groß Usznitz, 1912 zu Usnitz
    • Hospitalsdorf, 1928 zu Hohendorf
    • Klein Baalau, 1928 zu Baalau
    • Klein Schardau, 1938 zu Rudnerweide
    • Klein Usznitz, 1912 zu Usnitz
    • Neuhof, 1927 zu Neuhöferfelde
    • Parpahren, 1928 zu Usnitz
    • Pulkowitz, 1928 zu Watkowitz
    • Rosenkranz, 1928 zu Weißenberg
    • Schulzenweide, 1928 zu Bönhof
    • Schweingrube, 1928 zu Tragheimerweide
    • Stuhm Vorschloß, 1909 zu Stuhm
    • Stuhmsdorf, 1913 zu Stuhm
    • Tessensdorf, 1924 zu Marienburg
    • Willenberg, 1924 zu Marienburg
    • Zwanzigerweide, 1928 zu Tragheimerweide

    Ortsnamen

    In einigen Fällen wurden Ortsnamen in den 1930er Jahren als „nicht deutsch“ genug angesehen und erhielten eine lautliche Angleichung oder Übersetzung:

    • Barlewitz → Wargels
    • Czewskawolla → Petersbruch
    • Jordanken → Jordansdorf
    • Kollosomp → Kalsen
    • Kommerau → Kammerau
    • Mlecewo → Heinrode
    • Nikolaiken → Niklaskirchen
    • Sadluken → Sadlacken
    • Straszewo → Dietrichsdorf
    • Watkowitz → Wadkeim

    Literatur

    • Königlich Preußisches Statistisches Landesamt: Gemeindelexikon der Regierungsbezirke Allenstein, Danzig, Marienwerder, Posen, Bromberg und Oppeln. Auf Grund der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und anderer amtlicher Quellen. Berlin 1912, Heft III: Regierungsbezirk Marienwerder, S. 72–77, Kreis Stuhm.
    • Michael Rademacher: Westpreußen – Landkreis Stuhm. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: treemagic.org.
    • Gustav Neumann: Geographie des Preußischen Staats. 2. Auflage, Band 2, Berlin 1874, S. 47–48, Ziffer 1.
    • Königliches Statistisches Bureau: Die Gemeinden und Gutsbezirke der Provinz Preußen und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. December 1871 bearbeitet und zusammengestellt. Berlin 1874, S. 398–405.
    • Friedrich Wilhelm Ferdinand Schmitt: Geschichte des Stuhmer Kreises. Thorn 1868 (Digitalisat).
    • Emil Jacobson: Topographisch-statistisches Handbuch für den Regierungsbezirk Marienwerder. Danzig 1868, S. 196–203.
    • A. C. A. Friedrich: Historisch-geographische Darstellung Alt- und Neu-Polens. Berlin 1839, S. 606–607.

    Weblinks

    Commons: Kreis Stuhm – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

    Einzelnachweise

    1. Johann Friedrich Goldbeck (Hrsg.): Volständige Topographie des Königreichs Preussen. Band 2. Marienwerder 1789, S. 14 ff. (Digitalisat).
    2. Max Töppen: Historisch-comparative Geographie von Preussen. Justus Perthes, Gotha 1858, S. 355 (Digitalisat).
    3. Leszek Belzyt: Sprachliche Minderheiten im preußischen Staat 1815–1914. Marburg 1998. S. 114
    4. a b Michael Rademacher: Kreis Stuhm. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: treemagic.org.
    5. Datenbank der Reichstagsabgeordneten (Memento des Originals vom 6. Januar 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/zhsf.gesis.org
    6. Siegreiche Kandidaten bei den Reichstagswahlen im Wahlkreis Marienwerder–Stuhm