Kreis Tuchel

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Der Kreis Tuchel war ein preußischer Landkreis, der von 1875 bis 1920 bestand. Er lag in dem Teil von Westpreußen, der nach dem Ersten Weltkrieg durch den Versailler Vertrag 1920 an Polen fiel. Seine Kreisstadt war Tuchel. Von 1939 bis 1945 war der Kreis im vom NS-Regime besetzten Polen unter dem Namen Landkreis Tuchel als Teil des neu eingerichteten Reichsgaus Danzig-Westpreußen nochmals errichtet. Heute liegt das ehemalige Kreisgebiet in der polnischen Woiwodschaft Pommern.

Datei:Kreis Tuchel 1915.jpg
Der Kreis Tuchel auf einer Landkarte von 1915
Die Provinz Westpreußen 1919
  • Regierungsbezirk Danzig
  • Regierungsbezirk Marienwerder
  • Verwaltungsgeschichte

    Das Gebiet des Kreises Tuchel kam durch die erste polnische Teilung 1772 zu Preußen und gehörte seitdem zum Kreis Konitz. Durch die preußische Provinzialbehörden-Verordnung vom 30. April 1815 und ihre Ausführungsbestimmungen kam das Gebiet zum neuen Regierungsbezirk Marienwerder der neuen Provinz Westpreußen. Vom 3. Dezember 1829 bis zum 1. April 1878 waren Westpreußen und Ostpreußen zur Provinz Preußen vereinigt, die seit dem 1. Juli 1867 zum Norddeutschen Bund und seit dem 1. Januar 1871 zum Deutschen Reich gehörte.

    Durch das stetige Anwachsen der Bevölkerung im 19. Jahrhundert erwiesen sich mehrere Kreise in Westpreußen als zu groß und eine Verkleinerung erschien erforderlich. Vor diesem Hintergrund entstand 1875 aus Teilen des Kreises Konitz der neue Kreis Tuchel. Das Landratsamt wurde in der Stadt Tuchel eingerichtet. 1878 erfolgte die Teilung der Provinz Preußen in die Provinzen Ostpreußen und Westpreußen; zu letzterer gehörte der Kreis fortan.

    Aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrags musste das Kreisgebiet am 10. Januar 1920 zum Zweck der Einrichtung des Polnischen Korridors an Polen abgetreten werden. Hier bestand das Kreisgebiet als Powiat Tucholski (Tucheler Kreis) fort.

    Nach dem Überfall auf Polen und der völkerrechtswidrigen Annexion des Territoriums durch das Deutsche Reich wurde das Kreisgebiet zum 26. November 1939 als Landkreis Konitz dem Regierungsbezirk Bromberg im neugebildeten Reichsgau Danzig-Westpreußen zugeordnet. Nach der Besetzung im Frühjahr 1945 durch die Rote Armee fiel der Landkreis Konitz an Polen zurück.

    Bevölkerung

    Im Folgenden eine Übersicht[1] mit offiziellen Angaben zu Einwohnerzahl, Konfessionen und Sprachgruppen:

    Jahr 1890 1900 1910
    Einwohner 27.646 29.282 33.951
    Evangelische
    Katholiken
    Juden
    5.928
    21.041
    674
    5.596
    23.189
    496
    7.085
    26.498
    338
    deutschsprachig
    zweisprachig
    polnischsprachig
    10.006
    468
    17.167
    9.806
    710
    18.762
    11.265
    409
    22.247

    Politik

    Landräte

    Kommunalverfassung

    Der Kreis Konitz gliederte sich in die Stadt Tuchel, in Landgemeinden und selbstständige Gutsbezirke.

    Wahlen

    Im Deutschen Reich bildete der Kreis Tuchel zusammen mit dem Kreis Konitz den Reichstagswahlkreis Marienwerder 6. Dieser Wahlkreis wurde bei allen Reichstagswahlen zwischen 1871 und 1912 von Kandidaten der Polnischen Fraktion gewonnen.

    Städte und Gemeinden

    1912 umfasste der Kreis Tuchel die gleichnamige Stadt sowie 54 Landgemeinden:[2]

    • Alt Summin
    • Bagnitz
    • Bialla
    • Bladau
    • Brohse
    • Drausnitz
    • Dzeks
    • Glowka
    • Groß Bislaw
    • Groß Budzisk
    • Groß Gatzno
    • Groß Mangelmühle
    • Groß Schliewitz
    • Hoheneiben
    • Iwitz
    • Jablonka
    • Jehlenz
    • Kamionka
    • Kamnitz
    • Kelpin
    • Klein Bislaw
    • Klein Gatzno
    • Klein Klonia
    • Klein Mangelmühle
    • Klein Schliewitz
    • Klonowo
    • Klotzek
    • Koslinka
    • Krong
    • Krummstadt
    • Liebenau
    • Lissinni
    • Luboczyn
    • Minikowo
    • Neu Summin
    • Neu Tuchel
    • Nikolaiken
    • Okiersk
    • Okonin am Walde
    • Ostrowo
    • Pantau
    • Petztin
    • Plassowo
    • Polnisch Cekzin
    • Prust
    • Przyrowo
    • Reetz
    • Rosochatka
    • Repnitz
    • Sehlen
    • Sluppi
    • Stobno
    • Trutnowo
    • Tuchel, Stadt
    • Zwangsbruch

    Zum Kreis gehörten außerdem 31 Gutsbezirke.

    Der Landkreis Tuchel im besetzten Polen 1939–1945

    Datei:Danzig-Westpreussen.png
    Reichsgau Danzig-Westpreußen (August 1943)

    Verwaltungsgeschichte

    Nach dem deutschen Überfall auf Polen wurde der Landkreis in seinen Grenzen von 1920 Teil des neugebildeten Reichsgaus Westpreußen – später Danzig-Westpreußen – im neuen Regierungsbezirk Bromberg. Die Stadt Tuchel wurde der im Altreich gültigen Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 unterstellt, welche die Durchsetzung des Führerprinzips auf Gemeindeebene vorsah. Die übrigen Gemeinden waren in Amtsbezirken zusammengefasst, Gutsbezirke gab es nicht mehr.

    Landrat

    • 1940–1945 Udo Sachse

    Ortsnamen

    Durch unveröffentlichten Erlass vom 29. Dezember 1939 galten vorläufig die bisher polnischen Ortsnamen weiter.

    Mit der „Anordnung betreffend Änderung von Ortsnamen“ des Reichstatthalters in Danzig-Westpreußen vom 25. Juni 1942 wurden mit Zustimmung des Reichsministers des Innern alle Ortsnamen eingedeutscht. Dies waren durchweg neue Bezeichnungen, d. h. eine lautliche Angleichung oder Übersetzung, zum Beispiel:

    • Bralewitz → Wilhelmsflur
    • Drausnitz → Drausnest
    • Groß Bislaw → Bislau
    • Groß Klonia → Klehnboden
    • Groß Komorze → Waldkammer
    • Kamionka → Heidefließ
    • Klein Bislaw → Bislauheim
    • Lubotschin → Laub, Tucheler Heide
    • Przyrowo → Christinenfelde
    • Stobno → Stöbensee

    Literatur

    • Königlich Preußisches Statistisches Landesamt: Gemeindelexikon der Regierungsbezirke Allenstein, Danzig, Marienwerder, Posen, Bromberg und Oppeln. Auf Grund der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und anderer amtlicher Quellen. Berlin 1912, Heft III: Regierungsbezirk Marienwerder, S. 82–85, Kreis Löbau.
    • Michael Rademacher: Westpreußen – Landkreis Tuchel. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: treemagic.org.

    Weblinks

    • Landkreis Tuchel Verwaltungsgeschichte und Landratsliste auf der Website territorial.de (Rolf Jehke), Stand 16. Juli 2013.

    Einzelnachweise

    1. Leszek Belzyt: Sprachliche Minderheiten im preußischen Staat 1815–1914. Marburg 1998. S. 107.
    2. Gemeindeverzeichnis 1910 mit Einwohnerzahlen