Altpreußisches Infanterieregiment No. 6 (1806)

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Rotes Grenadier-Bataillon, Königsbataillon, Grenadiergarde bzw. Benennung nach Inhabern

Ölbild

Grenadier Schwerid Rediwanoff aus Moskau, einer der Männer, die Peter der Große im Geschenkaustausch gegen das Bernsteinzimmer nach Berlin schickte
Aktiv 1675 bis 1806 (Kapitulation)
Staat Preußen
Truppengattung Infanterie
Ehemalige Standorte Wusterhausen, später Potsdam
Herkunft der Soldaten kantonsfrei, aus der restlichen Armee und Werbung
Spitzname „Lange Kerls“
Inhaber Kurprinz Friedrich (1675), Kurprinz Friedrich Wilhelm (1694, 1701 als Kronprinz, 1713 als König), Gottfried Emanuel von Einsiedel (1740), Wolf Friedrich von Retzow (1745), Friedrich Christoph von Saldern (1760), Hans Sigismund von Lestwitz (1766), Friedrich Wilhelm von Rohdich (1779), Friedrich Adrian Dietrich von Roeder (1796), Gebhard Friedrich Gottlob von Ingersleben (1798), Karl Ludwig von Le Coq (1801)
Stammliste Altpreußische Infanterieregimenter
Stammnummer No. 6
Schlachten Österreichischer Erbfolgekrieg
Hohenfriedeberg (1745)
Soor (1745)

Siebenjähriger Krieg

Roßbach (1757)
Leuthen (1757)
Hochkirch (1758)
Liegnitz (1760)
Torgau (1760) Flügelgrenadiere in weiteren Schlachten

Koalitionskriege

Das altpreußische Infanterieregiment No. 6 wurde 1675 gegründet und bestand bis 1806, als es als Folge der preußischen Niederlage im Krieg gegen Frankreich aufgelöst wurde.

Lange Kerls ist die volkstümliche Bezeichnung für die Soldaten dieses Regimentes, welche auf der damals ungewöhnlichen Durchschnittsgröße der dort Dienenden beruht. Weitere bekannte Namen für das Regiment sind Potsdamer Riesengarde und Grenadiergarde. Die Nummerierung (No. 6) wurde erst kurz vor der Auflösung 1806 eingeführt.

Geschichte

Aufgestellt wurde das Regiment 1675 von Kurfürst Friedrich Wilhelm angesichts des Einfalls der Schweden in die Mark Brandenburg als „Regiment Kurprinz“ in Stärke von zwei Bataillonen. Erster Chef war sein Sohn, Kurprinz Friedrich von Brandenburg. Teile des Regiments rückten am 23. Juni 1675 von Magdeburg zur Schlacht bei Fehrbellin aus.[1] Als Kurfürst bestimmte Friedrich III. 1694 seinen Sohn Friedrich Wilhelm zum Regimentschef und änderte 1701 die Bezeichnung in „Kronprinzenregiment“. Grund war seine Krönung zum König in Preußen am 18. Januar 1701.

Im Jahre 1710 formierte der Kronprinz diese Truppe aus Angehörigen seiner Jagdgarde und – mehr oder weniger freiwillig – angeworbenen, hochgewachsenen jungen Männern. Sie bildeten 1711 vier Kompanien. Seit 1710 lautete die Bezeichnung „Großes Leibbataillon Grenadier“.

Im Jahr 1713 bestieg Friedrich Wilhelm den preußischen Thron und das Regiment erhielt die Aufwertung zur Garde. Die neue Bezeichnung des Regiments wurde: „Seiner Königlichen Majestät Regiment“ (auch „Leibregiment“ oder „Königsregiment“). Im Jahr 1715 nahm es an der Eroberung von Stralsund teil.[2] Das Königsregiment (No. 6) entstand im April 1717 aus der Verschmelzung des Regiments zu Fuß „Kronprinz“ mit den seit 1709 bestehenden Roten Grenadieren, wobei letzteres das I. Bataillon, ersteres das II. und III. Bataillon bildeten.[3]

Die Grenadiere des Königsregiments mussten mindestens 6 preußische Fuß (ca. 1,88 m, rheinisches Maß) messen, in der Praxis musste man sich aber auch mit deutlich kleineren Rekruten bescheiden. Die echten „Riesen“ – wie etwa der Ire James Kirkland mit einer Körpergröße von 2,17 Meter – waren viel bestaunte Ausnahmen. Sie wurden entweder in das 1. Glied der Leibkompanie des Königs eingegliedert oder bei den so genannten „Großen Unrangierten“ untergebracht, einer Abteilung für den Regimentsersatz.

Spezialbeauftragte des Preußenkönigs, der dem Königsregiment selbst als Regimentschef und Dauerträger der Regimentsuniform vorstand, waren europaweit unterwegs, um großgewachsene Männer durch hohe Handgeldzahlungen – teilweise auch unter Ausübung von Zwang – zur Dienstnahme in Preußen zu bewegen. Manchmal waren sie auch „Geschenke“ befreundeter Fürsten. Diese Art der Rekrutenwerbung, aber auch der Unterhalt der hoch besoldeten Eliteeinheit verschlangen horrende Geldsummen. Dabei hatte die Größe der Soldaten in der „Potsdamer Riesengarde“ möglicherweise durchaus praktische Gründe: Von großgewachsenen Männern erwartete man eine bessere Handhabung der möglichst langläufigen Vorderladergewehre und damit die Möglichkeit des Schusses auf größere Distanzen. Zeisler (1993) meint jedoch, dass viele der „Riesen“ unter pathologischem Riesenwuchs litten und körperlich wenig belastbar waren. Das Regiment wäre daher eine reine Paradetruppe gewesen, die nicht für Gefechtseinsätze geeignet war. Das Regiment bestand beim Tode Friedrich-Wilhelms I. 1740 aus rund 3200 Mann.

Im Zuge seiner Thronbesteigung 1740 löste König Friedrich II. das alte Garderegiment aufgrund der hohen Unterhaltskosten auf und behielt nur noch ein Bataillon. Der Rest der Soldaten wurde auf andere Einheiten verteilt. So wurde ein Teil der Männer im ehemaligen Kronprinzenregiment (1806: No. 15) eingegliedert, das jetzt als neue Garde die Gardefunktion erfüllte. Die anderen Regimentsangehörigen wurden auf die Regimenter Prinz Ferdinand (1806: No. 34), Prinz Heinrich (1806: No. 35) und das neu gebildete Garnisonsbataillon von Weyher verteilt.

Das Bataillon trug fortan die Bezeichnung „Bataillon Königs Grenadier-Garde“ mit allen Gardevorrechten (höheres Traktament etc.). Die Flügelgrenadiere des Bataillons bildeten von 1744 bis 1763 mit denen des Regiments No. 3 ein kombiniertes Grenadierbataillon. In den Schlesischen Kriegen wurde das Regiment 1745 in der Schlacht bei Hohenfriedberg und der Schlacht bei Soor und im Siebenjährigen Krieg von 1756 bis 1763 in den Schlachten bei Roßbach, Leuthen, Hochkirch, Liegnitz und Torgau eingesetzt.

Von 1801 bis 1806 war die Bezeichnung „Grenadier-Garde-Bataillon“. Die Truppe kapitulierte 1806 bei Erfurt und Prenzlau und wurde aufgelöst.

Tradition und Traditionspflege

Die Tradition übernahm später das 1. Garde-Regiment zu Fuß, das daher auch als Stiftungsjahr 1688 führte, was „allerdings nicht den sonst üblichen Grundsätzen“[4] entsprach.

Seit 1990 erstrebt die Potsdamer Vereinigung zur Förderung und Pflege der Tradition der Potsdamer Riesengarde „Lange Kerls“ e. V. mit originalgetreuen Uniformen und Gewehrnachbauten die Bewahrung und Pflege des regionalen Erbes. Der Verein betreibt öffentliche und private Auftritte und versucht durch Biwaks, Revuen und Exerzierübungen ein möglichst großes Maß an Authentizität zu realisieren.

Bildgalerie

Siehe auch

Literatur

  • Stammliste aller Regimenter und Corps der Königlich Preußischen Armee. In: Kriegsministerium Preußen (Hrsg.): Stammlisten. Hansebooks, Norderstedt 2016, S. 14–16 ([Google-Buchsuche ] – Reprint der 1786 bei Christian Friedrich Himburg in Berlin erschienenen Ausgabe). (Nr. 6 Grenadiergarde Rohdich/Röder)
  • Hans Bleckwenn: Die friderizianischen Uniformen: 1753–1786. In: Die bibliophilen Taschenbücher. Nr. 444. Hardenberg, Dortmund 1984, ISBN 3-88379-444-9 (Lizenz d. Biblio-Verl. Osnabrück als: Das altpreussische Heer; Teil 3, Bd. 3, 4 u. 5). Band I: Infanterie I; Band II: Infanterie II. S. 75ff.
  • Rolf Fuhrmann: Die Langen Kerls – Die preussische Riesengarde 1675/1713–1806. Zeughaus Verlag, Berlin 2007 ISBN 978-3-938447-29-1
  • Jürgen Kloosterhuis: Legendäre „lange Kerls“. Quellen zur Regimentskultur der Königsgrenadiere Friedrich Wilhelms I., 1713–1740. Berlin 2003, ISBN 3-923579-03-9
  • Kurt Zeisler: Die Langen Kerls. Das Leib- und Garderegiment Friedrich Wilhelms I., Frankfurt/Main 1993
  • Volker Schobeß, Erhart Hohenstein: Die Potsdamer Wachtparade. Von den Langen Kerls des Soldatenkönigs zur Fußgarde Friedrichs des Großen. Potsdam 1997, ISBN 3-921655-84-6
  • Volker Schobeß: Die Langen Kerls von Potsdam. Die Geschichte des Leibregiments Friedrich Wilhelms I. 1713–1740. Berlin 2007, ISBN 978-3-89626-275-2
  • Julius Haeckel: Die Potsdamer Riesengarde. Potsdam 1913.
  • Potzdamer. In: Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste. Band 28, Leipzig 1741, Sp. 1921.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Curt Jany: Geschichte der Preußischen Armee vom 15. Jahrhundert bis 1914. Zweite ergänzte Auflage, hrsg. von Eberhard Jany, 1. Band. Von den Anfängen bis 1740. Biblio, Osnabrück 1967, S. 239.
  2. Curt Jany: Geschichte der Preußischen Armee vom 15. Jahrhundert bis 1914. 1. Band. Von den Anfängen bis 1740. Biblio, Osnabrück 1967, S. 640 f.
  3. Curt Jany: Geschichte der Preußischen Armee vom 15. Jahrhundert bis 1914. 1. Band. Von den Anfängen bis 1740. Biblio, Osnabrück 1967, S. 642.
  4. Bleckwenn 1984 Bd. I, S. 75