Agni Yoga
Agni Yoga (für den westlichen Kulturkreis als Lebendige Ethik bezeichnet) ist eine theosophische Schrift und wird den so genannten tibetischen Mahatmas einer (nicht nachweisbaren) Bruderschaft der Meister der Weisheit zugeschrieben. Der Text sei in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts der Russin Helena Roerich übergeben worden, die ihn gemeinsam mit ihrem Mann, dem Maler Nicholas Roerich, der Öffentlichkeit bekannt machte.
Agni Yoga setzt die Lehren fort, die die Meister der Weisheit in den (im Britischen Museum in London zu besichtigenden) Mahatma-Briefen, durch Helena Blavatsky und ihre Veröffentlichungen sowie in den Tempellehren (siehe Artikel Tempel der Menschheit) entwickelt hatten.
Die Schrift des Agni Yoga
Der Agni Yoga besteht aus folgenden 15 Einzelbänden: Blätter des Gartens Morya I und II, Gemeinschaft, Agni Yoga, Unbegrenztheit I und II, Hierarchie, Herz, Feurige Welt I, II und III, AUM, Bruderschaft I, Bruderschaft II 1. Teil und Bruderschaft II 2. Teil.
Die Original-Schriften sind in russischer Sprache verfasst. Sie sind inzwischen vollständig ins Englische und Deutsche und teilweise u. a. ins Lettische, Bulgarische, Französische, Polnische, Italienische, Niederländische und Spanische übersetzt.
Agni-Yoga-Gruppen und Roerich-Gesellschaften
Agni-Yoga-Gruppen und Roerich-Gesellschaften gibt es heute insbesondere in den Nachfolgestaaten der UdSSR, aber auch u. a. in den USA, der Schweiz, Deutschland, England, Spanien, den Niederlanden, Italien und Griechenland.
In Deutschland wurde Agni Yoga in den 1960er und 1970er Jahren durch den Österreicher Leopold Brandstätter (Pseudonym Leobrand, gestorben 1968) und seine Ethische Gesellschaft Welt-Spirale verbreitet.
Selbstverständnis
Agni Yoga versteht sich als Fortsetzung der Lehren der Theosophie. Er beansprucht die Autorität einer Übermittlung aus höherer, okkulter Quelle.
Lehre
Das Ziel des Agni Yoga ist, eine neue, höhere Stufe der Menschheitsentwicklung vorzubereiten.
Die wichtigsten Einzelthemen sind:
- Evolution: Die gesamte Natur strebt zu immer größerer Höhe. Auf der Erde ist eine natürliche Entwicklung von Stein, Pflanze und Tier bis zum Menschen erkennbar. Damit ist die Evolution aber noch nicht abgeschlossen. Der Mensch ist – wie sein Vorgänger, der Affe – nur eine Zwischenstufe hin zu noch höheren Lebensformen, die anderswo im Universum bereits existieren; der Mensch ist nicht das höchste Geschöpf im Kosmos. Agni Yoga lehrt, dass sich die höheren Stufen, „Gottessöhne“ wie Jesus oder Buddha und weit darüber hinaus Lenker von Sonnensystemen und Universen, natürlich aus niedrigeren entwickelt haben. Das gilt letztlich auch für Gott: Es gibt keinen Gott, der nicht einmal Mensch war, ist eine zentrale Aussage.
- Hierarchie: Es gibt eine Hierarchie der Seelen, die entsprechend der evolutionären Entwicklung vom Stein bis zum Gott reicht. Die höhere Kreatur bringt den innewohnenden göttlichen Funken (Geist) in größerem Maß zum Ausdruck als die niedrigere. Jede Stufe (auch die des Menschen) hat höhere Spezies über und niedrigere unter sich. Zwischen den Stufen besteht eine natürliche Verbindung. Wie auf der Erde leben Geschöpfe verschiedener Höhe nebeneinander. Wie das Tier seinen Herren, den Menschen, sucht, so sucht auch der Mensch weiter oben nach Verbindung mit noch höheren Wesen.
- Unsterblichkeit: Das Prinzip der Unbegrenztheit gilt für das gesamte Universum, auch für den Menschen. Die unsterbliche Seele, deren Existenz viele Religionen lehren, ist das wahre Wesen des Menschen, nicht der vergängliche Körper. Der Mensch erlangt Unsterblichkeit, indem er sich, statt wie bisher mit dem Körper, mit seiner Seele identifiziert. Eine zentrale Aussage lautet: Der Mensch hat keine Seele, er ist eine Seele. Der Mensch muss lernen, eine unbegrenzte, nicht auf die Erde beschränkte Existenz zu führen.
- Neuer Mensch: Ziel des Agni Yoga ist die Heranbildung eines neuen Menschen, der nächsthöheren Evolutionsstufe. Dieser wird charakterisiert vor allem durch das Bewusstsein der eigenen Unsterblichkeit, durch ein Selbstverständnis als geistiges – Seele –, nicht physisches Wesen. Unvergänglichkeit führt zu Unverletzlichkeit, Unbesiegbarkeit, Furchtlosigkeit und vollkommener Handlungsfreiheit, zu Überwindung des Leides und schließlich Freude in allen Verhältnissen: Widerstände, Angriffe und Schwierigkeiten sind Gelegenheiten, sie dienen dem geistigen Aufstieg; wenn sie überwunden werden, geht der Geist gestärkt hervor.
- Neue Welt: Ziel des Agni Yoga ist die Schaffung einer neuen, besseren Welt, einer höheren Kultur. Menschen, die sich als Seelen, als unvergängliche, geistige Wesen verstehen, können vollkommen selbstlos handeln. Sie arbeiten nicht für den persönlichen Vorteil, sondern für die Durchsetzung von Idealen wie Wahrheit, Gerechtigkeit, Schönheit und Liebe. Das kann die Welt verändern. So führt z. B. die Herstellung von Gerechtigkeit zur Überwindung von Armut und Arbeitslosigkeit: Die Erde ist reich genug; wenn nur die notwendige Arbeit und ihre Erzeugnisse gerecht verteilt werden, wird von beidem mehr als genug für alle da sein.
- Bedeutung des Bewusstseins: Das Bewusstsein ist die eigentliche Realität. Das, was existiert, ist für den Menschen nur insoweit real, als es ihm bewusst ist. Es existiert viel mehr (höhere, geistige Welten, höhere Wesen mit Einfluss auf die materielle Ebene), als dem heutigen Menschen bewusst ist. Jede Veränderung beginnt im Kopf, im Denken der Menschen. Ein höheres, weiteres Bewusstsein, insbesondere die Erkenntnis der Unsterblichkeit und der Gesetze des Kosmos, sind Voraussetzung für ein besseres Leben auf Erden.
- Wiedergeburt: Die unsterbliche Seele geht einen unendlichen Weg durch die verschiedensten Welten, Zeiten, Kulturen und Daseinsebenen. Sie kehrt auch auf die Erde zurück (Reinkarnation), bis sie alles gelernt hat, was auf diesem Planeten zu lernen ist. Danach setzt sie ihren Weg in höheren Welten fort.
- Ursache, Wirkung und Verantwortung – Karma: Der freie Wille des Menschen bedingt, dass Verantwortung für Gedanken, Worte und Taten übernommen wird. Freiheit und Verantwortung sind untrennbar. Es gibt keine Erlösung von Sünde; der Mensch selbst muss sich reinigen und angerichtetes Unrecht wiedergutmachen.
- Vereinigung von Wissenschaft und Religion: Spirituelle Erkenntnis geht über intellektuelle hinaus. Sie darf den Gesetzen der Vernunft aber nicht widersprechen. Eine Erforschung der überirdischen, jenseitigen Welt – der Heimat der Seele – ist auf wissenschaftlichem Weg durch Beobachtung und Erfahrung möglich. Allerdings müssen über die Methoden der klassischen Naturwissenschaften hinaus Gefühlswissen und Herzerkenntnis angewendet werden. Die Verbindung mit höheren Sphären in der Meditation ist vollkommen natürlich und damit wissenschaftlich; sie führt nachweisbar zum Zufluss von Trost, Kraft, Freude und Erkenntnis.
Auseinandersetzung
Russisch-Orthodoxe Kirche und die Lehre der Lebendigen Ethik
Die Position der Russisch-orthodoxen Kirche gegen die Lehre der »Lebendigen Ethik« wurde während des Bischofskonzils am 2. Dezember 1994 formuliert.
„Das Heidentum und die Astrologie sind wieder aufgekommen, sowie die theosophischen und spiritistischen Gesellschaften, die einst von Helen Blavatsky gegründet worden waren und die Anspruch erheben, eine bestimmte verborgene vor den Uneingeweihten »uralte Weisheit« zu besitzen. Kräftig propagiert ist auch »die Lehre der Lebendigen Ethik«, gebracht in Umlauf von der Roerichs Familie und bezeichnet auch als »Agni Yoga«. […] Das eingeweihte Bischofskonzil zufolge der apostolischen Tradition bezeugt, dass alle oben genannten Sekten und neue religiöse Bewegungen mit dem Christentum unvereinbar sind. Menschen, die die Lehren dieser Sekten und Bewegungen teilen und insbesondere zu ihrer Verbreitung beitragen, haben sich von der orthodoxen Kirche exkommuniziert.[1]“
Weblinks
- Schule für Lebendige Ethik, Hamburg
- International Centre of the Roerichs
- Roerich.org
- Agni-Yoga-Schriften zum Download
- Roerich-Bewegung in Internet
Literatur
Jörg Pegelow: Aus dem Himalaya nach Deutschland. Die theosophische Agni-Yoga-Bewegung. In: Materialdienst der EZW. Mai 2015, S. 175–181 (ezw-berlin.de).
Einzelnachweise
- ↑ Das Bischofkonzil der Russisch-Orthodoxen Kirche, 29. November - 2. Dezember 1994, Moskau. Verlag des Moskauer Patriarchats, Moskau 1995. S. 178