Leerformel

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Als Leerformel wird ein Begriff oder eine Aussage dann bezeichnet, „wenn er/sie sie bloß dem Anschein nach etwas Wahres oder Richtiges besagt, jedoch viel zu unbestimmt ist, um in der Sache auf eine konkrete Aussage festgelegt werden zu können.[1]

Ebenso wie eine Tautologie oder eine Konventionalistische Wendung kann eine Leerformel immer dann eingesetzt werden, wenn sich der Sprecher auf nichts Genaues festlegen will. Derlei Immunisierungsstrategie kann in der Politik oder vergleichbaren Gebieten zu Legitimationszwecken eingesetzt werden, weil „sich solche Leerformeln für alle Arten institutioneller Menschenführung besonders eignen. Sie erwecken – zumal bei den Geführten – den Eindruck unerschütterlicher Stetigkeit der obersten Grundsätze, während sie die lenkenden Autoritäten bei ihren konkreten Entscheidungen in keiner Weise behindern“.[2]

Die ideologische Brauchbarkeit der Leerformel steht somit in umgekehrtem Verhältnis zu ihrem Informationsgehalt.“

Hans Albert: Ökonomische Ideologie und politische Theorie. Göttingen 1972, S. 19, Anm. 15.

Beispiele

Beispiele für Leerformeln, die im Laufe der Ideengeschichte mit beliebigen Inhalten gefüllt wurden und werden, sind:

nach Ernst Topitsch

Gedankengebilde wie Gott, Naturrecht, Menschenwürde, Zweck an sich, „zeitgemäße Sichtweise“ ...[3]

nach Ludwig Feuerbach

So heißt es bei Ludwig Feuerbach in seiner Schrift „Das Wesen des Glaubens im Sinne Luthers. Ein Beitrag zum Wesen des Christentums“:

Gott ist eine leere Tafel, auf der nichts weiter steht, als was Du selbst darauf geschrieben.

Ludwig Feuerbach: Das Wesen des Glaubens im Sinne Luthers. Ein Beitrag zum Wesen des Christentums (1844), S. 69 - eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche

.

nach Wolfgang Koschnick
„Der Islam gehört zu Deutschland“ oder „Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“[4],
Nonsense-Sprüche wie: „Die Bratwurst gehört zu Deutschland“ oder „Die Bratwurst gehört zu Österreich.“

Eine der am meisten strapazierten Leerformeln ist ‘Populismus’. Populist ist jeder, der einem nicht in den Kram passt.

Literatur

  • Ernst Topitsch: Über Leerformeln. Zur Pragmatik des Sprachgebrauches in Philosophie und politischer Theorie. In: Probleme der Wissenschaftstheorie. Festschrift für Victor Kraft, Springer Verlag Wien 1960, pp. 233 - eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
    • Ernst Topitsch: Naturrecht im Wandel des Jahrhunderts. In: Auf klärung und Kritik, 1/1994.
    • Ernst Topitsch: Soziologie des Existentialismus. In. Merkur, 7. Jg., Heft 64, 1953, S. 501–518.
  • Gert Degenkolbe: Über logische Struktur und gesellschaftliche Funktionen von Leerformeln. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 17. Jg., 1965, S. 327 ff.
  • Wolfgang Koschnick: (Abschnitt) Leerformeln als Instrumente demokratischer Herrschaft, In: Mehr Demokratie wagen, 13. Juni 2016.
  • Kurt Salamun: Perspektiven einer Ideologietheorie im Sinne des kritischen Rationalismus. In: Rudolf Haller (Hrsg.): Studien zur österreichischen Philosophie, Band XIV. Rodopi, Amsterdam 1989, ISBN 90-5183-091-2, S. 251–268 – eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Koschnick: (Abschnitt) Leerformeln als Instrumente demokratischer Herrschaft, In: Mehr Demokratie wagen, 13. Juni 2016
  2. Ernst Topitsch: Soziologie des Existentialismus. In. Merkur, 7. Jg., Heft 64, 1953, S. 501–518.
  3. Ernst Topitsch: Naturrecht im Wandel des Jahrhunderts. In: Aufklärung und Kritik, 1/1994.
  4. Wolfgang Koschnick: (Abschnitt) Leerformeln als Instrumente demokratischer Herrschaft, Mehr Demokratie wagen, 13. Juni 2016