Leipziger Ökonomische Sozietät

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Die Leipziger Ökonomische Sozietät war eine Gesellschaft, deren Ziel in der Förderung von Landwirtschaft, Wirtschaft und Handel im Kurfürstentum bzw. Königreich Sachsen durch die Verbreitung und praktische Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse bestand.

Geschichte

Im Siebenjährigen Krieg stand Kursachsens Wirtschaft durch Kriegsschäden und Kontributionen vor dem Zusammenbruch. Noch während des Krieges wurden aber Pläne für den Wiederaufbau geschmiedet, initiiert und geleitet von Thomas Freiherr von Fritsch, einem einer Leipziger Buchhändlerfamilie entstammenden hohen Beamten am sächsischen Hofe. Bei der Realisierung dieser Pläne im sogenannten Rétablissement spielte die Anwendung neuer Technologien in Landwirtschaft und Industrie eine wesentliche Rolle.

Einige Leipziger Bürger erkannten, dass mit dem konservativen Wissenschaftsbetrieb an der Universität eine Überführung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis nicht möglich war. Mit Peter von Hohenthal, Johann Georg von Einsiedel und Christian Gottlob Frege als Initiatoren gründeten sie 1764 eine Gesellschaft, die sich dieser Aufgabe annehmen sollte, die „Leipziger Ökonomische Sozietät“. In der ersten Sitzung der Sozietät wurde die Einrichtung von Klassen oder Sektionen beschlossen, da man hierin ein weiteres Mittel erblickte, um durch Spezialisierung der Kräfte die Arbeiten nutzbringend zu gestalten. Es wurden drei Klassen errichtet, jede dieser drei Klassen wurde wieder in bestimmte Unterabteilungen, „Subdivisionen“ genannt, eingeteilt.

Huldigungsmedaille der Sozietät für Friedrich August III. - Rückseite (links): Ceres, die römische Göttin des Ackerbaus, Minerva als Beschützerin der Handwerker und des Gewerbes, später Göttin der Weisheit, und Merkur, der Gott der Händler

Die Gesellschaft dehnte ihre Tätigkeit bald über das ganze Kurfürstentum aus. Neben der Publikation von Aufklärungsschriften unterhielt sie mehrere Musterbetriebe. Mit dem Ausloben von Preisen und Prämien förderte sie direkt die Lösung praxisbezogener Aufgaben. Lehrer und Pfarrer wurden angehalten, neue Erkenntnisse an die Bauern weiterzuleiten.

Die Sozietät führte den Anbau von Kartoffeln, Klee und Luzerne in Sachsen ein, letztere beiden unter dem Aspekt der langfristigen Sicherung von Futtermitteln zur Aufrechterhaltung des Viehbestandes. Mit dem Anbau von Tabak und Flachs sollte der Import reduziert und die Handelsbilanz verbessert werden. Der Flachsanbau sollte die Textilmanufakturen stärken. Diesem Ziel diente auch die Einbürgerung des leistungsstarken Merinoschafs in Sachsen. Dazu wurden auch Hirten- und Schäferschulen eingerichtet. Auch die Einführung ertragreicher Obstbaumkulturen stand auf der Tagesordnung.

Die Wirren der Kriege zu Anfang des 19. Jahrhunderts ließen die Tätigkeit der Sozietät stagnieren. Die drohende Auflösung sollte durch die Umwandlung in eine „Ökonomische Gesellschaft im Königreiche Sachsen“ abgewendet werden. Diese wurde im Oktober 1816 mit Sitz in Dresden gegründet. Die Leipziger Mitglieder erklärten diese Entscheidung für statutenwidrig. Der Streit währte bis 1824. Von da an arbeiteten beide Gesellschaften parallel und unabhängig voneinander.

1837 wurden in der Leipziger Ökonomischen Gesellschaft im Zuge der stärkeren Konzentrierung auf die Landwirtschaft vier neue Sektionen gebildet: Ackerbau, Wiesenbau, Viehzucht und ökonomische Technologie. 1850 beschloss die Sozietät, das zwei Jahre vorher durch ihren Präsidenten Wilhelm Crusius für die Errichtung eines Musterbetriebes gepachtete Landgut Leipzig-Möckern für die Gründung einer Landwirtschaftlichen Versuchsstation zur Verfügung zu stellen, die 1852 erfolgte. Die Sozietät konzentrierte sich in den Folgejahren auf die Verwaltung der Landwirtschaftlichen Versuchsstation Möckern, die ab 1874 als Versuchsstation vom sächsischen Staat übernommen wurde. Die Sozietät veröffentlichte die Versuchsergebnisse. Im Jahre 2002 konnte die Versuchsanstalt Leipzig-Möckern in der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft ihr 150-jähriges Bestehen feiern. Im November 2012 wurde der letzte bestehende Teil der ehemaligen Versuchsanstalt (der Geschäftsbereich 6 - Labore Landwirtschaft - der Staatlichen Betriebsgesellschaft für Umwelt und Landwirtschaft) durch Verlagerung nach Nossen in Möckern geschlossen.[1]

Die Leipziger Ökonomische Societät unterstützte weiterhin die Entwicklung der Landwirtschaft in Sachsen. Das letzte Lebenszeichen gibt es aus dem Jahr 1942.

Direktoren der Gesellschaft

Mitglieder und Ehrenmitglieder (Auswahl)

Name Lebensdaten Mitgliedschaft ab Normalfall
„Ordentliches Mitglied“
Mitgliedschaft in
anderen wiss. Gesellschaften
Bemerkungen
Christian August Breiter 1776–1840 Botaniker und Kunstgärtner (Breiters Wintergarten)
Hans Moritz von Brühl, auf Martinskirchen 1736–1809 1764 Ehrenmitglied London (1765), Göttingen (1785) kursächsischer Gesandter in London
Friedrich Gottlieb Dietrich 1765/1768–1850 Regensburg.Bot.Ges., Ges.Nat.Fr.Berlin Botaniker, Gartengestalter
Karl Gottfried Erdmann 1774–1835 1801 Ehrenmitglied Pockenschutzimpfung in Sachsen eingeführt
Christian Gottlob Frege 1715–1781 1764 Leipziger Bankier und Handelsherr
Arnold Woldemar von Frege-Weltzien 1841–1916 Rittergutsbesitzer und Politiker
Friedrich Gottlob Gläser 1749–1804 Ehrenmitglied Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt Geologe, erstellte eine der frühesten geologischen Karten in seiner Beschreibung der Geologie der Grafschaft Henneberg von 1775
Johann Samuel Traugott Gehler 1751–1795 1785 Ehrenmitglied Görlitz (1779) „Physikalisches Wörterbuch“
Joseph von Hazzi 1768–1845 korrespondierendes Mitglied Kgl.C.Ackerbauges. in Paris, Ackerbaugesellschaft in Philadelphia, Sankt Petersburg, Turin u. a. in Mitteleuropa Vorstand des landwirtschaftlichen Vereins in Bayern
Carl Wilhelm Benno von Heynitz 1738–1801 1770 kursächsischer Berghauptmann
Johann Karl Sigmund Kiefhaber 1762–1837 1805 ausländisches Ehrenmitglied Nürnberger Beamter und Historiker
Karl Heinrich Klingert 1760–1828 1798 Ehrenmitglied Breslau kgl.-preuß. Regierungs-Mechanikus
Friedrich August Krubsacius 1718–1789 1766 Ehrenmitglied kursächsischer Oberlandbaumeister
Adam Friedrich Oeser 1717–1799 1764 Ehrenmitglied Goethes Zeichenlehrer in Leipzig
Johann George Palitzsch 1723–1788 1770 assoziiertes Mitglied Bauerngelehrter
Wilhelm Pfeil 1783–1859 1822 Dreißigacker, Potsdam, Berlin u. a. Forstwissenschaftler
Erdmann Traugott Reichel 1748–1832 Altenburgische Pomologische Ges. Leipzig Leipziger Kaufmann
Johann Christian Schubart von dem Kleefelde 1734–1787 Agrarreformer, insb. Kleeanbau
Christian Friedrich Schulze 1730–1775 Arzt und Naturforscher
Gottfried Tauber 1766–1825 Ehrenmitglied Naturforschende Gesellschaft zu Leipzig Instrumentenhändler und Optiker
Johann Daniel Titius 1729–1796 1767 Ehrenmitglied Mitentdecker der Titius-Bode-Reihe
Albrecht Daniel Thaer 1752–1828 1811 Ehrenmitglied „Begründer der Agrarwissenschaften in Deutschland“
Traugott Karl August Vogt 1762–1807 Ehrenmitglied Moskau, Meißner Ges.Förd.Weinbaus Mediziner
Johann Friedrich Wilhelm Widenmann 1764–1798 Ges.Nat.Fr.Berlin Bergrat
Benjamin Gottfried Weinart 1751–1813 Ehrenmitglied Görlitz, Meißner Ges.Förd.Weinbaus Historiker und Bibliograph
Georg Franz Dietrich aus dem Winckell 1762–1839 Ehrenmitglied Wetterauische Gesellschaft; Ges. z. Beförd. d. ges. Naturwiss. Marburg; Herzogl. Sachsen-Gotha-Altenburgischen u. Meiningischen Soz. d. Forst und Jagdkunde Forst- und Jagdwissenschaftler

Neugründung

Im Jahre 1990 wurde die Leipziger Ökonomische Societät als eingetragener Verein neu gegründet. Sie versteht sich als „Wissenschaftliche Gesellschaft zur Förderung von Lehre, Forschung und Publikation auf wirtschaftswissenschaftlichen, agrarwissenschaftlichen und angrenzenden Gebieten“. Ihre Aufgaben sieht sie neben den genannten Gebieten, im wissenschaftlichen Meinungs- und Informationsaustausch sowie der Weiterbildung, der Traditionspflege auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Agrarforschung sowie der Pflege der Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Gesellschaften im In- und Ausland. Ihre Aktivitäten beziehen sich vor allem auf Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Die Societät schreibt jährlich einen Förderpreis für die beste Arbeit zu einem vorgegebenen Thema aus. Der Preis besteht unter anderem in einer Medaille, deren Rückseite jener der historischen Medaille entspricht. Die Vorderseite zeigt dem Charakter der Societät zugeordnete Symbole.

Literatur

  • Horst Riedel: Stadtlexikon Leipzig von A bis Z. PROLEIPZIG, Leipzig 2005, ISBN 3-936508-03-8, S. 344
  • Manfred Unger: Die Sächsischen Reformer. Die Staatsreform von 1762/63 und die Leipziger Ökonomische Sozietät. Leipziger Blätter Nr. 20, Passage Verlag Leipzig 1992, S. 4
  • Klaus Reinsberg, Eberhard Schulze, Wolfgang Merbach (Hrsg.): 250 Jahre Leipziger Ökonomische Societät 1764 bis 2014, Vorträge zur Festveranstaltung in der IHK Leipzig am 26. September 2014, Mitteilungen Agrarwissenschaften, Heft 26, Fördergesellschaft für Agrarwissenschaften e.V. und Leipziger Ökonomische Societät e.V.

Weblinks

Einzelnachweise