Lesbisch-Schwules Kulturhaus Frankfurt am Main

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Das Lesbisch-Schwule Kulturhaus (LSKH) ist ein institutionelles Zentrum für lesbische und schwule Kultur in Frankfurt am Main. Der Verein Lebendiges Lesben Leben e. V. (LLL) initiierte die Gründung des Hauses, realisiert wurde es 1991 gemeinsam mit dem schwulen Verein Emanzipation e. V. Zusätzlich zu eigenen, vor allem kulturellen und politischen Aktivitäten bietet das LSKH auch eigenständig arbeitenden Organisationen Raum, so dem Lesbenarchiv. Das LSKH entwickelte sich in den 1990er Jahren zu einem "wichtigen Aktions- und Treffzentrum für Frankfurts Lesben und Schwule".[1]Es befindet sich in der Klingerstrasse 6 in der Frankfurter Innenstadt.

Geschichte

1989 gründeten lesbische Frauen den Verein Lebendiges Lesben Leben e. V. – Zentrum für Kommunikation, Kultur, Bildung, Beratung und Lebenshilfe e. V. (LLL) mit dem Ziel, einen Raum zu schaffen für die psychosoziale Beratung lesbischer Frauen, über weibliche Homosexualität aufzuklären und Vorurteile über Lesben abzubauen. Gleichzeitig sollte das Zentrum Angebote im Bereich Kunst und Kultur entwickeln. Das Vorhaben wurde unterstützt durch das ebenfalls 1989 neu eingerichtete Frauenreferat der Stadt Frankfurt am Main.[2][1]

Standort des Lesbisch-Schwulen-Kulturhauses, Klingerstraße 6

Treffpunkt und Diskussionsort für die Planung eines lesbischen Kultur-, Bildungs- und Beratungszentrums in der Stadt waren die monatlich stattfindenden, sogenannten lesbenpolitischen Mittwoche in der Frankfurter Frauenschule.[3] Nachdem die Frage, ob ein lesbisches Kulturzentrum eigenständig autonom oder mit Kooperationspartnern aufgebaut werden sollte, intensiv debattiert wurde, wurde 1991 das lesbisch-schwule Kulturhaus (LSKH) in gemeinsamer Trägerschaft mit schwulen Männern vom Verein Emanzipation e. V. gegründet.[4] Im Zuge dieser Debatte brachen die Initiatorinnen in einem Positionspapier mit der seit den 1970er Jahren weitverbreiteten Haltung radikaler Lesben, die sich unter dem Schlagwort Feminismus ist die Theorie und Lesbianismus die Praxis feministischen Organisationszusammenhängen zu- und von schwul dominierten Organisationen abwandten.[5]

Das Lesbisch-Schwule Kulturhaus Frankfurt am Main als institutionelle, mit öffentlichen Mitteln geförderte Einrichtung von und für lesbische Frauen wurde 1991 in Frankfurt am Main eröffnet. Zu den Gründern, Vorstandsmitgliedern und Mitarbeitern gehören unter anderem Mahide Lein (Mitgründerin Frauentreff, erstes Lesbenzentrum 1976 und Frauenbuchladen), Hannelise Richter (LLL e. V.), Stefan Buss (Emanzipation e. V.),[6] Andreas Laeuen (Emanzipation e. V.), Jean-Luc Vey (Emanzipation e. V.)[4] Nach der Eröffnung wurden die Räumlichkeiten des LSKH, insbesondere größere Veranstaltungsräume, in der Liegenschaft Klingerstraße 6/Stoltzestraße 11 in ehrenamtlicher Arbeit durch die Trägervereine weiter ausgebaut und renoviert. In dieser Zeit wurde die Kulturarbeit zunächst an anderen Veranstaltungsorten realisiert, etwa im Gallus Theater, in Räumlichkeiten der Frankfurter Saalbau GmbH und der Universität Frankfurt, bei Straßenfesten und kulturellen Events mit lesbisch-schwulen Künstlerinnen und Künstlern. Die Trägervereine erhielten im ersten Jahr eine Anschubfinanzierung mit vorrangiger Zweckbindung an kulturelle Veranstaltungen durch das Dezernat für Wissenschaft und Kunst in Kooperation mit dem Dezernat für Soziales und Frauen der Stadt Frankfurt am Main.[6]

2013 löste sich der Emanzipation e. V. auf; der Verein LLL ist seitdem alleiniger Trägerverein. Der Vorstand wird 2020 aus folgenden Personen gebildet: Ruth Welk, Friederike Boll, Christine Fritz[7] Der Verein LLL und das LSKH werden Stand 2020 durch das Amt für multikulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt am Main gefördert. Außerdem finanzieren sie sich durch Mitgliederbeiträge, Spenden und Einnahmen aus Veranstaltungen.

Angebote, Aktivitäten und Kooperationen des LSKH

Das Lesbisch-Schwule Kulturhaus versteht sich als zentraler Kommunikations- und Aktionsraum für Lesben, Schwule, Transgender und bisexuelle Menschen (LGBT*IQ) und interessierte Mitbürger in der Stadt.[6]

Das Haus wird als Treffpunkt und Veranstaltungsraum in Eigeninitiative von verschiedenen Gruppen und Vereinen genutzt, 1991 bereits durch rund 30 Gruppen und Vereine, u. a. die Freizeitgruppe GayArt, eine Gruppe lesbischer Ausländerinnen, den Frankfurter Volleyball Verein, einen der größten deutschen Schwulen-Sportvereine, die Gruppe Gehörloser Lesben und Schwuler, die Regenbogen-Römer, eine Vereinigung von Lesben und Schwulen der Frankfurter Stadtverwaltung und den Völklinger Kreis – Bundesverband schwuler Führungskräfte.[4] Auch der 1993 gegründete Frauenchor Die Liederlichen Lesben bespielt das Haus als Proberaum.

Außerdem organisiert das LSKH Veranstaltungen wie Konzerte, Lesungen, Diskussionen, Ausstellungen, Film- und Theateraufführungen. Kontinuierliche Termine sind u. a. das sonntags stattfindende LesCafé mit Vorträgen, Workshops und Tanztees, die Lesben-Partys, die jährliche Silvesterparty, die lesbisch-schwule Lesenacht während der Frankfurter Buchmesse und ein Büchertisch beim jährlich stattfindenden Christopher Street Day (CSD) in Frankfurt am Main.[8]

So fand 1998 in Kooperation mit dem AIDS-Hospizverein die insel im LSKH die Ausstellung AIDS und Kunst mit künstlerischen Werken von HIV- und AIDS-Patientinnen und -Patienten sowie deren Angehörigen statt.[9]

2012 wurden im LSKH die Schwul-lesbischen Aktionstage vor dem CSD zu Rassismus, neuen Familien und alten Tabus veranstaltet, dessen Programm von der Gruppierung Schrägstrich, in der vor allem lesbische Gruppen zusammenarbeiten, als kritische Alternative zum CSD entwickelt wurde. 2014 organisierten die Lesbenberatungsstelle LIBS e. V. und der Frauenrat des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt einen alternativen CSD in Frankfurt am Main.[10][11]

2019/2020 organisierte das LSKH die Veranstaltungsreihe Queere Generationendialoge anlässlich des 50. Jahrestages um die Ereignisse des Stonewall Inn in New York. In verschiedenen Programmformaten wurden die Emanzipations- und Anerkennungsgeschichten von LSBT*IQ-Menschen im lokalen und regionalen Raum dargestellt und in generationenübergreifenden Gesprächen diskutiert.

Lesbenarchiv

Seit seiner Gründung führt der Verein LLL das Lesbenarchiv im LSKH, das eine umfangreiche Sammlung zur Lesbenbewegung in Frankfurt am Main und der Region beherbergt. Der Bestand umfasst inzwischen rund 4.700 Bücher, rund 100 feministische, Frauen- und Lesbenzeitschriften, zahlreiche Plakate, Ton- und Bildmedien und graue Literatur (Stand 2020). Der Gesamtbestand ist im Dachverband deutschsprachiger Lesben-/Frauenarchive, -bibliotheken und -dokumentationsstellen (i.d.a.) erfasst, er steht für Forschungen und Recherchen zur Verfügung und ist in Teilen ausleihbar. Das Archiv wird fortlaufend ehrenamtlich erweitert.[8] Seit 1990 wird auch das Lesbenarchiv mit städtischen Mitteln gefördert.[6]

Literatur

  • Annegret Wennagel: Die Lesben und die Politik, in: Frankfurter Frauenblatt, Nr. 1, 1990, S. 12–13.
  • Bettina Lukas, Anka Schoneweg-Merk: Gemeinsam und getrennt im Lesbisch-Schwulen Kulturhaus. In: WEIBH e.V. (Hrsg.): FrauenStadtbuch Frankfurt. Fuldaer Verlagsanstalt 1992, S. 150–152.
  • Sibylla Flügge: Vom Weiberrat zum Frauenprojekt. Ein persönlicher Bericht über den Beginn der neuen Frauenbewegung in Frankfurt am Main. In: Kirsten Beuth, Kirsten Plötz (Hrsg.): Was soll ich euch denn noch erklären? Ein Austausch über Frauengeschichte(n) in zwei deutschen Staaten. Triga Verlag, Gelnhausen 1998, ISBN 3-931559-95-5, S. 149.
  • Gabriele Dennert, Christiane Leidinger, Franziska Rauchut (Hrsg.): In Bewegung bleiben. 100 Jahre Politik, Kultur und Geschichte von Lesben. Querverlag GmbH Berlin 2007 ISBN 978-3-89656-148-0.
  • Anne Ott, Jessica Bock: Mehr als nur Tomaten. Die Frauen-/Lesbenbewegung in Frankfurt am Main im Überblick, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv Online 2020.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Anne Ott, Jessica Bock: Mehr als nur Tomaten. Die Frauen-/Lesbenbewegung in Frankfurt am Main im Überblick. In: Digitales Deutsches Frauenarchiv. i.d.a. Dachverband deutschsprachiger Frauen/Lesbenarchive, -bibliotheken und -dokumentationsstellen, abgerufen am 29. September 2020.
  2. Annegret Wennagel: Die Lesben und die Politik. In: Frankfurter Frauenblatt. Nr. 1, 1990, S. 12–13.
  3. Sibylla Flügge: Vom Weiberrat zum Frauenprojekt. Ein persönlicher Bericht über den Beginn der neuen Frauenbewegung in Frankfurt am Main. In: Kirsten Beuth, Kirsten Plötz (Hrsg.): Was soll ich euch denn noch erklären? Ein Austausch über Frauengeschichte(n) in zwei deutschen Staaten. Triga Verlag, Gelnhausen 1998, ISBN 3-931559-95-5, S. 149.
  4. a b c „Orange Night“ und Frauen-Disco. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 235, S. 64.
  5. Sabine Hark: Magisches Zeichen: Die Rekonstruktion der symbolischen Ordnung im Feminismus, in: Sabine Hark (Hrsg.): Grenzen lesbischer Identitäten. Aufsätze, 1996, S. 96–133.
  6. a b c d Über uns. Das Lesbisch-Schwule Kulturhaus von 1991 bis 1999. In: Lesbisch-Schwules Kulturhaus Frankfurt am Main. LLL – Zentrum für Kommunikation, Kultur, Bildung, Beratung und Lebenshilfe e. V., abgerufen am 29. September 2020.
  7. Impressum. In: Lesbisch-Schwules Kulturhaus Frankfurt am Main. LLL – Zentrum für Kommunikation, Kultur, Bildung, Beratung und Lebenshilfe e. V., abgerufen am 29. September 2020.
  8. a b Sabine Börchers: Lesbenarchiv, Bücher, Plakate & Co. In: 101 Frauenorte in Frankfurt. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 2016, ISBN 978-3-95542-187-8, S. 123.
  9. Ausstellung im LSKH. „Aids und Kunst“: Arbeiten von Betroffenen. In: Frankfurter Rundschau. 31. Oktober 1998, S. 22.
  10. Regenbogen über Konstablerwache. In: Frankfurter Rundschau. 14. Juli 2012, S. F 5.
  11. Zweimal Christopher Street Day in Frankfurt. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nr. 166, 21. Juli 2014, S. 33.