Liliana Segre

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Liliana Segre, 2017

Liliana Segre (* 10. September 1930 in Mailand) ist eine italienische Überlebende des Holocaust und italienische Senatorin auf Lebenszeit.

Biografie

Segre stammt aus einer jüdischen Familie und lebte gemeinsam mit ihrem Vater und den Großeltern väterlicherseits; ihre Mutter war kurz nach ihrer Geburt verstorben. Infolge der italienischen Rassengesetze (leggi razziali) von 1938 wurde ihr der Schulbesuch verboten.

Verfolgung und Deportation

Nachdem die Verfolgung der italienischen Juden immer größere Ausmaße angenommen hatte, versteckte sie ihr Vater zunächst mit falschen Dokumenten bei Freunden. Am 7. Dezember 1943 versuchte sie schließlich gemeinsam mit ihrem Vater und zwei Cousins die Flucht in die Schweiz. Die Schweizerischen Behörden verweigerten ihnen jedoch die Aufnahme und Segre wurde tags darauf in Selvetta di Viggiù in der Provinz Varese von Italienern[1] verhaftet. Zu diesem Zeitpunkt war sie 13 Jahre alt. Nach sechs Tagen Aufenthalt im Gefängnis wurde sie nach Como und schließlich nach Mailand in das als Sammellager dienende San-Vittore-Gefängnis überstellt, wo sie vierzig Tage lang inhaftiert war.

Am 30. Januar 1944 wurde sie vom Bahnhof Milano Centrale zusammen mit weiteren 704 jüdischen Gefangenen ins KZ Auschwitz-Birkenau deportiert, das sie sieben Tage später, am 6. Februar 1944, erreichte. Bei der Selektion wurde Segre für die Arbeit in einem Rüstungsbetrieb ausgewählt, die sie etwa ein Jahr lang verrichtete. 477 mit ihr aus Mailand angekommene Gefangene wurden bei der Selektion dagegen direkt in die Gaskammern geschickt.[2]

Im Mai 1944 wurden auch ihre Großeltern deportiert und getötet. Die auf Segres Unterarm tätowierte Häftlingsnummer lautet 75190. Während ihrer einjährigen Gefangenschaft überstand sie drei weitere Selektionen. Ende Januar 1945 musste sie im Zuge der Evakuierung des Konzentrationslagers den Todesmarsch in Richtung Deutschland aufnehmen, ehe sie im KZ Malchow, einem Außenlager des KZ Ravensbrück, am 30. April 1945 befreit wurde. Erst im August kam sie wieder nach Mailand zurück.

Gegenwart

Heute ist Segre, besonders an Schulen und Universitäten, eine sehr aktive Zeitzeugin.[3] Im Herbst 2019 wurde sie laut Medienangaben angesichts zahlreicher antisemitischer Hass-Nachrichten unter Polizeischutz gestellt und erhielt Solidaritätsbekundungen durch mehrere Politiker Italiens.[4]

Ehrungen

Die Universität Triest verlieh ihr am 27. November 2008 den Ehrendoktortitel der Rechtswissenschaft.[5] Am 19. Januar 2018 wurde sie vom italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella zur Senatorin auf Lebenszeit ernannt.[6]

Die Universität Bergamo verlieh ihr am 29. November 2019 den Ehrendoktortitel der Rechtswissenschaft.[7]

Am 20. April 2020 wurde ihr vom deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier das Große Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland für ihren außergewöhnlichen Einsatz als aktive Zeitzeugin des Holocaust verliehen. Die Auszeichnung konnte ihr infolge der COVID-19-Pandemie vom deutschen Botschafter in Rom Viktor Elbling erst am 24. September 2021 feierlich übergeben werden.[8]

Am 2. Oktober 2020 wurde sie vom französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron für ihren außergewöhnlichen Einsatz um die Menschenrechte mit dem Ritterorden der Ehrenlegion ausgezeichnet.[9]

Am 17. November 2020 wurde ein Asteroid nach ihr benannt: (75190) Segreliliana. Die Asteroidennummer 75190 ist dieselbe, die sie als Häftlingsnummer hatte.[10]

Literatur

  • Emanuela Zuccalà: Sopravvissuta ad Auschwitz. Liliana Segre fra le ultime testimoni della Shoah, Mailand: Paoline Editoriale Libri 2005, ISBN 978-88-315-2769-9 (in italienischer Sprache)
  • Daniela Padoan: Come una rana d'inverno : conversazioni con tre donne sopravvissute ad Auschwitz. Mailand : Tascabili Bompiani, 2004 (Interviews mit Liliana Segre, Goti Bauer und Giuliana Tedeschi)
  • Silvana Greco: La spirale del misconosciment, o e la lotta per il riconoscimento di Liliana Segre, testimone della Shoah. In: Giulio Busi, Ermanno Finzi (a cura di): Lombardia judaica. I secoli aurei di Mantova e un caso emblematico della Shoah milanese. Giuntina, Mailand, 2017, S. 107–136
  • Senatorin Liliana Segre: Polizeischutz für eine Holocaust-Überlebende. Seit Jahrzehnten klärt die italienische Politikerin über die Verbrechen des Nationalsozialismus auf. Nun muss sie dabei erstmals geschützt werden. Von Regina Krieger, Handelsblatt, 7. November 2019 (mit Foto)
  • Marc Zollinger: Ohne Leibwächter geht sie nicht aus dem Haus. Die Holocaustüberlebende Liliana Segre kämpft gegen das Vergessen. Hrsg.: Neue Zürcher Zeitung. NZZ, 5. September 2020 (Vollauszug [abgerufen am 15. September 2021]).

Weblinks

Quellen

  1. Liliana Picciotto, Il libro della memoria. Gli Ebrei deportati dall'Italia (1943-1945), Mailand 2002, S. 574
  2. Memoriale della Shoa di Milano. (PDF) In: wheremilan.com. Abgerufen am 5. Februar 2020 (italienisch).
  3. Valerie Zaslawski: Eine der letzten Zeitzeugen erinnert sich. nzz.ch, 10. Januar 2014, abgerufen am 10. Januar 2014
  4. Miriam Khan: Auschwitz-Überlebende in Italien erhält 200 Hass-Botschaften pro Tag – und braucht nun Polizeischutz. In: www.stern.de. 8. November 2019, abgerufen am 9. November 2019.
  5. Archivierte Kopie (Memento vom 25. Dezember 2008 im Internet Archive)
  6. Chi è Liliana Segre nominata da Mattarella senatrice da vita. In: Repubblica. 19. Januar 2018, abgerufen am 19. Januar 2018.
  7. Liliana Segre all’Università di Bergamo «Ho scelto di essere una donna di pace». In: www.ecodibergamo.it. 29. November 2019, abgerufen am 5. Februar 2020.
  8. Ambasciatore Germania consegna onorificenza a senatrice Segre. In: rainews.it. 24. September 2021, abgerufen am 25. September 2021 (italienisch).
  9. A Liliana Segre la Legion d’Honneur: il riconoscimento di Macron alla senatrice a vita. In: ilmessaggero.it. 2. Oktober 2020, abgerufen am 3. Oktober 2020 (italienisch).
  10. M.P.C. 127257 vom 17. November 2020 (englisch)