Liste starker Verben (bairische Sprache)

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Dies ist eine Übersicht über die starken Verben der bairischen Sprache. Die folgende Zusammenstellung erfolgt nach den historischen Ablautklassen, das heißt nach dem Vokalwechsel, der im Wortstamm stattfindet; es werden jeweils der Infinitiv und das Partizip Perfekt zur Bildung der Vergangenheit angegeben. Zusätzlich findet sich ein Hinweis zur Konjunktiv-Bildung, wenn der Stammvokal der Konjunktivformen von dem des Infinitivs abweicht. Der i-Umlaut im Präsens Singular findet, anders als im Hochdeutschen, auch in der ersten Person Singular statt. Der Konjunktiv wird, wo nicht angegeben, schwach gebildet (also zu bleim: i bleibat „ich bliebe“; formal einem hdt. schwach gebildeten „ich bleibete“ entsprechend).

1. Ablautklasse

1. Gruppe: ei > i (mhd. î > i)

  • beissn – bissn (beißen, gebissen)
  • leiddn – gliddn (läuten, geläutet)
  • greiffa – griffa (greifen, gegriffen)
  • reissn – grissn (reißen, gerissen)
  • reiten – grittn (reiten, geritten)
  • scheissn – gschissn (scheißen, geschissen)

2. Gruppe: ei > ie (mhd. î > i)

  • bleim – bliem (bleiben, geblieben)
  • dreim – driem (treiben, getrieben)
  • leing/leicha – glieng/gliecha (leihen, geliehen)
  • reim – griem (reiben, gerieben)
  • scheim – gschiem (kegeln, gekegelt)
  • schneim – gschniem (schneien, geschneit) – auch schwach: gschneibt
  • schnein – gschnien (schneiden, geschnitten)
  • schreim – gschriem (schreiben, geschrieben)
  • speim – gspiem (speien, gespien)
  • steing – gstieng (steigen, gestiegen)

2. Ablautklasse

1. Gruppe: ia > o (mhd. ie > o)

(Das Nordbairische hat zum Teil statt ia entweder äi oder oi, ui, z. B. läign, loing, luing lügen, valoisn, fruisn verlieren, frieren)

  • biang – bong (biegen, gebogen)
  • (da)frian – (da)froan ((er)frieren, (er)froren)
  • fliang – gflong (fliegen, geflogen)
  • gliam – glom (klieben, gekloben = „Holz spalten“)
  • griacha – grocha (kriechen, gekrochen)
  • liang – glong (lügen, gelogen)
  • riacha – grocha (riechen, gerochen)
  • schiam – gschom (schieben, geschoben)
  • schiassn – gschossn (schießen, geschossen)
  • schliaffa – gschloffa (schliefen, geschloffen = „schlüpfen“)
  • valian – valoan (verlieren, verloren)
  • wiang – gwong (wiegen, gewogen)
  • ziang – zong (ziehen, gezogen)

2. Gruppe: à > u (mhd. û > o)

  • sàffa (meist: i sauf) – gsuffa (saufen, gesoffen)

3. Gruppe: sekundäre Mischungen verschiedener Klassen

  • làffa (meist: i lauf) – gloffa (laufen, gelaufen) – mit ursprünglichem Partizip glàffa auch zur 7. Ablautklasse
  • scheim – gschom (kegeln, gekegelt) – mit ursprünglichem Partizip gschiem auch zur 1. Ablautklasse

3. Ablautklasse

1. Gruppe: i > u (mhd. i > u)

  • brinna – brunna (brennen, gebrannt; intransitiv; nur gebietsweise)
  • dawischn – dawuschn (erwischen, erwischt) – auch schwach: dawischd
  • drinna – drunna (entkommen, entkommen) – auch schwach: drinnt
  • dringa (1) – drunga (dringen, gedrungen)
  • dringa (2) – drunga (trinken, getrunken)
  • fiachtn – gfuachtn (fürchten, gefürchtet) – auch nach der 2. Gruppe: gfoachtn
  • gwinna – gwunna (gewinnen, gewonnen)
  • rinna – grunna (rinnen, geronnen)
  • schindn – gschundn (schinden, geschunden)
  • schwimma – gschwumma (schwimmen, geschwommen)
  • singa – gsunga (singen, gesungen)
  • spinna – gspunna (spinnen, gesponnen)
  • springa – gsprunga (springen, gesprungen)
  • stinga – gstunga (stinken, gestunken)
  • winga – gwunga (winken, gewinkt)
  • winschn – gwunschn (wünschen, gewünscht)
  • zindn – zundn (zünden, gezündet)
  • zwinga – zwunga (zwingen, gezwungen)

2. Gruppe: ea > å/oa (mhd. ë > o vor r + Konsonant)

  • feachtn – gfoachtn (fürchten, gefürchtet) – auch nach der 1. Gruppe
  • steam (i stiab) – gståm, gstoam (sterben, gestorben)
  • vadeam (i vadiab) – vadåm, vadoam (verderben, verdorben)
  • weaffa (i wiaf) – gwåffa, gwoaffa (werfen, geworfen)
  • weam (du wiabst) – gwåm, gwoam (werben, geworben)
  • wean (Kj. i wiad) – woan (werden, geworden; Präsens im Ggs. zum Hochdeutschen ohne Umlaut: du weast)

3. Gruppe: öi/äi > ui/oi (mhd. ë > o vor l + Konsonant)

  • gäitn (des guit) – goitn oder göitn – guitn (gelten, gegolten)
  • häiffa (i huif) – ghoiffa oder höiffa – ghuiffa (helfen, geholfen)
  • mäiggn – gmoiggn (melken, gemolken)
  • schäitn – gschoitn (schelten, gescholten; fluchen, geflucht)
  • schmäizn – gschmoizn oder schmöizn – gschmuizn (schmelzen, geschmolzen)

4. Ablautklasse

1. Gruppe: e > u und öi/äi > ui/oi (mhd. ë > o vor einfachem Konsonanten)

  • nehma (i nimm, Kj. i nàhmad) – gnumma (nehmen, genommen)
  • stöin (Kj. i stehlad) – gstuin oder stäin – gstoin (stehlen, gestohlen)

2. Gruppe: e > o (mittelhochdeutsch verschiedenen Fälle)

  • daschrecka (i daschrig) – daschrocka (erschrecken, auch transitiv) – im Präsens immer, im Perfekt transitiv daneben auch schwach: derschreckd
  • dreffa (i drif) – droffa (treffen, getroffen)
  • hem – kom (heben, gehoben) – auch schwach: ghebbd
  • kemma (i kim, Kj. i kàmad oder i kàm) – kemma (kommen, gekommen)

Historische 5., 6. und 7. Ablautklasse

1. Gruppe: Verben mit gleichem Ablaut in Infinitiv und Partizip II (mhd. a, â, ë, ei, ô, ou, uo > a, â, ë, ei, ô, ou, uo)

  • bacha (i back, mia bachan, és backz) – bacha (backen, gebacken) – auch schwach: baggd
  • drång (Kj. i dràgad oder auch i dragad/drågad ) – drång (tragen, getragen)
  • eischåiddn – eigschåiddn (einschalten, eingeschaltet)
  • essn (i iß) – gessn (essen, gegessen)
  • fagessn (i vagiß) – fagessn (vergessen, vergessen)
  • fåin (Kj. i fallad) – gfåin (fallen, gefallen)
  • fressn (i friß) – gfressn (fressen, gefressen)
  • gem (i gib, Kj. i gàbad oder i gàb) – gem (geben, gegeben)
  • gråm – gråm (graben, gegraben)
  • hoaßn – ghoaßn (heißen, geheißen)
  • làffa – glàffa oder gloffa (laufen, gelaufen)
  • lån – glån (laden, geladen)
  • låssn – låssn (lassen, gelassen) – in der Bedeutung "furzen": glåssn (auch nach Infinitiv: "er hat oan fahrn glåssn"), sonst im Gegensatz zum Hdt. immer "låssn", egal ob mit Infinitiv oder nicht
  • lesn (i lies) – glesn (lesen, gelesen)
  • måin (i mahlad) – gmåin (mahlen, gemahlen)
  • måin (i malad) – gmåin (malen, gemalt)
  • messn (i miß) – gmessn (messen, gemessen)
  • ruaffa (Kj. i riaffat) – gruaffa (rufen, gerufen)
  • schlaffa – gschlaffa (schlafen, geschlafen)
  • sèng (i sig, Kj. i sàgad) – gsèng (sehen, gesehen)
  • wachsn – gwachsn (wachsen, gewachsen)
  • waschn – gwaschn (waschen, gewaschen)

2. Gruppe: Spezialfälle (mhd. i > ë; ê > a)

  • biddn – been (bitten, gebeten; einladen, eingeladen) – auch schwach: bidd oder ausnahmsweise mit deutlich hörbarem unbetonten e: biddet
  • ling (Kj. i làgad) – gleng (liegen, gelegen)
  • sitzn – gsessn (sitzen, gesessen)
  • geh (i gäh, Kj. i gàngad(ad) oder selten i gàng) – ganga (gehen, gegangen; historisch zur 7. Ablautklasse)
  • steh (i stäh, Kj. i stêgad oder selten i stàndad) – gstandn (stehen, gestanden; historisch zur 6. Ablautklasse)

Sonderfälle

  • bringa – bråcht (bringen, gebracht; historisch kein Ablaut, sondern ein Rückumlaut)
  • doa (i dua, mia dean/dàn, és deaz/dàz, de dàn, Kj. i dàd oder i dàdad) – dô (tun; historisch außerhalb der Ablautklassen stehend. "dàd" wird auch fast immer statt hdt. "würde" für den periphrastischen Konjunktiv herangezogen)
  • sei (i bin, du bist, er is, mia san, és saz, de sand) – war (Kj. i wàr, i wàrad) – gwen (sein; historisch aus drei Wortwurzeln bestehend. Imperfekt wird ausgebildet, Erzählzeit ist aber auch hier Perfekt)

Schwache Verben

Genannt werden nur jene, die im Gegensatz zum Hochdeutschen schwach beziehungsweise ohne Rückumlaut sind.

  • aufhebbm – aufghebbd (aufheben) – auch stark: aufghoom
  • bagga – baggd (backen) – auch stark: bagga
  • biddn – bidd (bitten, einladen) – auch stark: been
  • brenna – brennd (brennen), s. a. oben
  • denga – denggd (denken)
  • fanga – gfangd (fangen)
  • haua – ghaud (hauen)
  • henga – ghenggd (hängen)
  • scheina – gscheind (scheinen, vom Licht) – „den Anschein haben“ heißt normalerweise nicht scheina