Ludwig Gottlieb Ramdohr

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Deckblatt: Ludwig Gottlieb Ramdohr: Stammtafeln der Familien Ramdohr (1893)

Ludwig Gottlieb Ramdohr (* 3. September 1830 in Aschersleben; † 10. Oktober 1894 in Gotha) war ein deutscher Bergbaubeamter, Erfinder, Unternehmer, Sachbuchautor und Genealoge.

Herkunft

Er war der älteste Sohn des Ascherslebener Bürger und Brennereibesitzers Gottlieb Jacob David Andreas Ramdohr (1794–1852) und dessen am 9. August 1829 geehelichter Gattin Marie Christiane Just (1803–1867) aus Dornitz bei Könnern.[1] Seine Brüder waren der Kommerzienrat Gustav Adolf Ramdohr (1834–1910, Großvater von Lilo Ramdohr), der Fleischermeister Adolf Ferdinand Ramdohr (ca. 1835–1916) und der Ziegeleibesitzer Hermann Rudolf Ramdohr (1837–1889, Vater des Juristen Max Hermann Ramdohr (* 1864 in Wansleben; † 1942 Berlin-Zehlendorf), Landesgerichtspräsident in Berlin bis 1930).

Laufbahn

Lehrjahre im Bergbau

Als Schüler besuchte Ludwig Gottlieb Ramdohr sehr wahrscheinlich das Stephaneum. Er war um 1848 Elvenaspirant am Oberbergamt Halle.[2] Einer seiner Lehrer und Freunde im Bergbauwesen bzw. in der Schullaufbahn war Gustav Heyse, dem er 1875 ein Buch widmen sollte. Bis 1858 war Ramdohr dann Obersteiger der Braunkohlengrube Georg und führte die Adresse Über den Steinen 110 in Aschersleben. Im selben Jahr veröffentlichte er, nachdem er die Leitung der Mineralöl- und Paraffin-Fabrik Georgshütte bei Aschersleben übernommen hatte, seine ersten Erfindungen.

Fabrikdirektor in Aschersleben

Er konstruierte Öfen, die bei der Braunkohlenteer-Gewinnung und Mineralölfabrikation mithilfe überhitzter Wasserdämpfe effektiver als bisher arbeiten.[3] Das dabei in großen Mengen abfallende, bisher ungenutzte Kreosot-Natron (Natriumcarbolat) wurde zu einem verwertbaren Brenn- und Leuchtgas (Kreosot-Gas) weiterverarbeitet.[4] In der Folge war Ramdohr Ende 1866 Besitzer einer, der Mineralöl- und Paraffin-Fabrik Georgshütte (deren Direktor er schon seit 1859 war) angegliederten, neu erbauten Ascherslebener Privatgasanstalt[5] die, wohl zusätzlich zu einem um 1864 eröffneten Verteilerstandort des Privatgas-Unternehmers Theodor Weigel (1867 Gründer der Thüringischen Gasgesellschaft),[6] in der Eislebener Straße/Steinbrücke,[7] etwa 104 Verbrauchsstellen versorgte. Zudem war Ramdohr um 1865 Stadtverordneter in Aschersleben.

Erfinder in Wansleben und Halle

Ramdohr blieb bis etwa 1873 als Fabrikdirektor in Aschersleben und veröffentlichte zahlreiche Beiträge in Fachzeitschriften. Dann übernahm er mit zusammen seinem Bruder Hermann in Wansleben bei Teutschenthal als Besitzer die Leitung einer dortigen Ziegelei. Er erfand 1874 einen „Gipsbrennofen zum continuierlichen Betrieb“, 1875 ein Verfahren zur „Thonförderung auf schiefer Ebene mittels Kette ohne Ende“[8] und auch ein „Verfahren zur Entchlorung des Chlormagnesiums behufs Herstellung feuerfesten, basischen Ofenmaterials“, wobei er auf Einsatzfelder in der Ziegelei der Gebrüder Ramdohr in Wansleben verwies.

Werbeanzeige der Firma Ramdohr, Blumenthal & Co. (1882)

Etwa 1877 wechselte er nach Halle (Saale) und veröffentlichte nun einige technische Bücher und Patente.[9] Um 1881 war er Miteigentümer der Firma Ramdohr, Blumenthal & Co. in Halle und erfand ein Verfahren zur Herstellung von Magnesiaziegeln (D.R.P. Nr. 16271). Aus Chlormagnesium, Ton und Eisenstein wurden Ziegel geformt, die mit oxidierender Flamme zu feuerfesten Ziegeln und Bauteilen gehärtet werden konnten. Er kooperierte auch mit der dortigen Metallbaufirma Wegelin & Hübner und erhielt Patente (D.R.P. Nr. 17260) für Kühlvorrichtungen bei Gasanstalten und für Großbetriebe. Zudem vermarktete die Firma Ramdohr, Blumenthal & Co. große Mengen an Salzsäure per Eisenbahn.

Nachwirken

Im Jahr 1886 war Ramdohr in Gotha[10] ansässig und bewohnte dort eine Villa in der damaligen Gradlerstraße 3 (heute Carl-von-Ossietzky-Straße). Bis 1893 betrieb er von dort aus als Ruheständler in privatem Interesse genealogische Studien, kontaktierte entfernte Verwandte und forschte in Kirchenbüchern und Archiven. Er verfasste das umfangreiche Manuskript Stamm-Tafeln der Familien Ramdohr.

Nach seinem Tod 1894 übernahm die Thüringische Gasgesellschaft die Bewirtschaftung der Gasanstalt in Aschersleben.[11] Seine Nachfahren scheinen die Villa in Gotha nicht lange behalten zu haben. Um 1897 war eine Klage eines Chemnitzer Kaufmanns gegen Ramdohrs Tochter Selma Backhaus in Gotha wegen Geldforderungen hängig[12] und um 1898 stand das Anwesen bereits im Besitz einer Familie Kapphahn.

Datei:Stolperstein Bergallee 8, Gotha.JPG
Stolperstein Walter Ruppel, Gotha

Seitens der neuen Bewohner, insbesondere des bei der Familie Kapphahn logierenden späteren sächsischen Schuldirektors Berthold Romeißen (1876–1961), kursierten Spukgeschichten über eine Reihe von Seancen, in denen sich angeblich der Geist des verstorbenen Professors Ramdohr aus dem Jenseits über zahlenmäßig dem Alphabet zugeordneten Klopfzeichen namentlich zu erkennen gegeben haben soll.[13][14] Das Haus in der damaligen Gradlerstraße 3 wurde um 1900 vom Vater des Gothaer Studienrates Dr. Walter Ruppel (1896–1945), der im KZ Auschwitz ums Leben kam, erworben.

Datei:Gotha-Sundhausen-Pfarrstraße 8-CTH.JPG
ehemaliger Siedelhof in Sundhausen

Familie

Ramdohr heiratete am 1. Juni 1854 in Aschersleben Emilie Therese Walkhoff (* 20. Mai 1831 Aschersleben; † 30. Oktober 1872 ebenda), am 11. August 1874 in Pömmelte bei Barby seine zweite Gattin Helene Marianne Grüel. Er hatte 9 Kinder, von denen 2 jung verstarben.

  • Hermann Ludwig Ramdohr (* 12. März 1855); um 1893 königlich-preußischer Kreisbauinspektor in Culm
  • Georg Otto Ramdohr (* 1857 Aschersleben; † 1928 Ratzeburg), Generalmajor
  • Max Rudolf Ramdohr (* 24. Januar 1859 Aschersleben; † Hamburg); Kaufmann in Berlin; ⚭ Luise Weise in Minden/Westfalen
  • Selma Hermine Ramdohr (* 31. Oktober 1860; lebt 1936); ⚭ 25. Juni 1879 zu Halle mit dem Freigutbesitzer Wilhelm Backhaus auf dem Siedelhof in Sundhausen bei Gotha, sechs Söhne
  • Paul Felix Ramdohr (* 27. September 1866; † 14. Oktober 1866)
  • Therese Antonie Helene Ramdohr (* 20. August 1869)
  • totgeborener Sohn (26. Oktober 1872)
  • Emilie Therese Helene Antonie Ramdohr (* 20. Mai 1875)
  • Wilhelm Carl Ramdohr (* 12. Juni 1878 in Halle; † 26. Oktober 1918 als Hauptmann im Lazarett zu Weißenfels); ⚭ Ella Glaser

Erfindungen und Patente (Auszug)

  • 1875 Gipsbrennofen zum continuierlichen Betrieb (Dingler's polytechnisches Journal 1875, Nr. 215, S. 332)
  • 1875 Thonförderung auf schiefer Ebene mittels Kette ohne Ende[15]
  • 1878 Verfahren der Anwendung von Wasserdämpfen bei der Destillation von Flüssigkeiten (D.R.P. Nr. 5315)[16]
  • 1878 Verbesserungen der Einrichtungen an stehenden Braunkohlen-Schweelretorten behufs Zuführung von überhitztem Wasserdampf (D.R.P. Nr. 6313)
  • 5. Dezember 1878 Anwendung von Wasserdämpfen bei der Destillation von Flüssigkeiten (D.R.P. Nr. 14262)
  • 9. September 1879 Verwendung des Chlormagnesiums zur Herstellung basischer Ziegel (D.R.P. Nr. 26267) (Gebr. Ramdohr)
  • 11. November 1879 Verfahren zur Bereitung kaustischer Magnesia durch Glühen von Chlormagnesium unter Ueberleiten überhitzter Wasserdämpfe (D.R.P. Nr. 32089) (Gebr. Ramdohr in Wansleben)
  • 1881 Kühlvorrichtungen bei Gasanstalten und für Großbetriebe (D.R.P. Nr. 17260)
  • 1. März 1881 Herstellung von basischem Ofenfuttermaterial (D.R.P. Nr. 16271) (Ramdohr, Blumenthal und Comp. in Halle a. S.)
  • 15. März 1881 Braunkohlentheergewinnung mittelst überhitzter Wasserdämpfe (D.R.P. 17260) (Ludwig Ramdohr und Wegelin & Hübner in Halle a. S.)
  • 6. September 1881 Gewinnung von Salzsäure und Magnesia aus Chlormagnesium (D.R.P., Kl. 75, Nr. 19259) (Ramdohr, Blumenthal und Comp. in Halle)
  • Oktober 1881 Verfahren um Magnesia herzustellen (Französ. Patent 145116) (Ramdohr, Blumenthal & Co.)

Schriften (Auszug)

  • Ueber Verwerthung des Kresot-Natrons und über Kresot-Gas, in Polytechnisches Journal, Band 184, Heft 1 (J.W. Cotta, 1867), S. 61 ff.
  • Die Gasfeuerung, oder die rationelle Construction industrieller Feuerungs-Anlagen, 2 Bände, Halle a/S. 1875; zweite Auflage 1881; Verlag G. Knapp (Digitalisate: Band 1; Band 2)
  • Die Maschinen. Eine allgemeine Maschinenlehre in populärer Darstellung, Verlag Knapp, 1876
  • Neuere Athmungs- und Beleuchtungsapparate für den Aufenthalt in irrespirablen Gasen und unter Wasser, für Bergwerke, chemische Fabriken, bei Bränden u.s.w., Dingler's polytechnisches Journal. Band 220 (J.W. Cotta, 1876), S. 351 ff.[17]
  • Liegel's Gasfeuerung für Retortenöfen, Dingler's polytechnisches Journal. Band 223, Heft 1 (J.W. Cotta, Augsburg 1877), S. 482 ff.[18]
  • Feuerungskunde oder Theorie und Praxis des Verbrennungsprozesses und der Feuerungsanlagen in allgemein verständlicher Darstellung, Halle 1887, Verlag Wilhelm Knapp
  • Das Leuchtgas als Heizstoff in Küche und Haus, Halle 1887, Verlag Wilhelm Knapp
  • Stamm-Tafeln der Familien Ramdohr. Nach den Kirchenbüchern und anderen zuverlässigen Quellen zusammengestellt von Ludwig Gottlieb Ramdohr in Gotha.Als Manuskript vervielfältigt, Gotha 1893, S. 42 und 46[19]

Literatur

  • Zeitschrift für Naturwissenschaften: Band 31 – Seite 549 (Naturwissenschaftlicher Verein für Sachsen und Thüringen in Halle, 1868)
  • Chemiker-Zeitung/Chemische Apparatur, Band 6 (Verlag Hüthig, 1882) Seite 173 (Vorschau bei books.google.de)
  • Werner Schiebeler: Der Tod, die Brücke zu neuem Leben. Der Bericht eines Physikers (WerSch Verlag, 3. Auflage, Ravensburg 1999), ISBN 3-928867-00-8 bzw. ISBN 3-923781-40-7, S. 309.

Einzelnachweise

  1. Ludwig Gottlieb Ramdohr: Stammtafeln der Familien Ramdohr (1893) Seite 46
  2. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, F 38, V ER Nr. 47; 05.05. Personalakten der Beamten (alphabetisch) – 05.04.17. Beamte -R
  3. Jahres-Bericht über die Leistungen der chemischen Technologie (1870), Band 15, S. 693 (books.google.de)
  4. Polytechnisches Journal, Band 184, Heft 1 (J.W. Cotta, 1867), S. 61 (online bei books.google.de)
  5. N. H. Schilling: Statistische Mittheilungen über die Gas-Anstalten Deutschlands, der Schweiz und einige Gas-Anstalten anderer Länder (2. Auflage, Verlag Rudolph Olderbourg München, 1868) Seite 116 (online bei books.google.de)
  6. Webseite www.thuega.de (Abgerufen am 29. September 2021)
  7. vgl. ehemalige Webseite stadtwerke-aschersleben.de (2011): "Die Geschichte der Gasversorgung in Aschersleben reicht bis 1864 zurück. Zu dieser Zeit wurde das erste Gaswerk in der Eislebener Straße/Steinbrücke in Betrieb genommen. Das Stadtgas gelangte über ein ca. 26 km langes Leitungsnetz in die Haushalte und fand vorwiegend als Koch- und Leuchtgas Verwendung. Die Straßenbeleuchtung bestand aus Gaslaternen. Jährlich wurden ca. 566.000 m³ Stadtgas erzeugt..."; zudem in dieser Quelle der Hinweis auf ein Foto in DAS NEUE ASCHERSLEBEN (1930), mit Legende: ...Erbaut im Jahre 1863 als Privat-Gaswerk. Seit dem 30. XII 1905 im Besitz der Stadt...
  8. Online bei Dingler.culture.hu-berlin
  9. Die chemische Industrie, Monatsschrift, (Verlag Justus Springer, Berlin 1879) Band 2, S. 444, Patent-Liste (books.google.de) Einsichtnahme am 10. Mai 2020
  10. Chemiker-Zeitung, Band 10, Ausgabe 1, Nr. 4, Seite (1886) Seite 50 (books.google.de)
  11. Gerold Ambrosius et al.: Kommunalisierung im Spannungsfeld von Regulierung und Deregulierung im 19. und 20. Jahrhundert (Duncker & Humblot, 2017) Seite 71 (books.google.de)
  12. Archive Thüringen, Archivalien-Signatur 762, Bestandssignatur: 2-16-0229, Datierung 1897–1898: Klagesache des Kaufmanns Fr. Alb. Landgraf in Chemnitz gegen Frau Selma Backhaus geb. Ramdohr in Gotha wegen Forderung (online)
  13. Private Webseite (archiviert bei web.archive.org); Abgerufen am 7. September 2021.
  14. Private Webseite psygrenz.de; Abgerufen am 27. September 2021.
  15. Deutsches Jahrbuch über die Leistungen und Fortschritte auf den Gebieten der Theorie und Praxis der Baugewerbe; 6. Jahrg. (K. Scholtze, Leipzig 1875) S. 238 (Vorschau bei books.google.de)
  16. Rudolf von Wagner: Jahresbericht uber die Fortschritte der chemischen Technologie (1879). Band 25, S. 1163 (Vorschau bei books.google.de)
  17. Digitalisat Münchener Digitalisierungszentrum
  18. Digitalisat Münchener Digitalisierungszentrum
  19. Manuskript zitiert im Findbuch zum Vorlass Amelung (Abgerufen am 29. September 2021)