Luftangriffe auf Züge

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Luftangriffe auf Züge sind bei Luftüberlegenheit in einer Reihe von Kriegen im 20. Jahrhundert immer wieder ausgeführt worden.

Brücke über die Morava und Gedenkstätte für die Opfer des Angriffs auf den D 393 bei Grdelica

Zweiter Weltkrieg

Im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs waren auch fahrende Züge Angriffsziele. Sie wurden mit Bordwaffen beschossen. Die Deutsche Reichsbahn hatte dazu folgende Bestimmungen getroffen[1]:

Warnung

Bei haltenden Zügen verständigte das Bahnhofspersonal das Zugpersonal mündlich von der Luftwarnung, bei durchfahrenden Zügen mit einer dem Lokomotivpersonal entgegengehaltenen gelb-blau-gelben Fliegerwarntafel (tagsüber) oder blauem Licht (nachts). Der Lokomotivführer bestätigte, das Signal wahrgenommen zu haben, mit einem Achtungspfiff, bei erstmaliger Warnung mit einem langen, zwei Mal unterbrochenen Pfiff. Dieser diente dazu, auch das Begleitpersonal im Zug und eventuell mitreisende Wehrmachtsangehörige von der Lage in Kenntnis zu setzen.[1] Bei der Gefahr des Luftangriffs auf einen Bahnhof bestand die Möglichkeit, einen Zug, der dort planmäßig halten sollte, ohne Halt durchfahren zu lassen. Dazu wurden Ein- und Ausfahrsignal auf „Fahrt frei“ (Hp 1) gestellt und ein Aufsichtsbeamter, der sich unmittelbar am Fahrweg postierte, erteilte dem Lokpersonal mit dem Befehlsstab das Zeichen zur Durchfahrt. Dieses Zeichen zur Durchfahrt war das Abfahrsignal (Zp 9).[2]

Angriff

Bei Anzeichen für einen Angriff auf den Zug musste er nach Möglichkeit – auch auf freier Strecke – zum Halten gebracht werden. Soweit Reisende dann im Gelände Deckung suchen wollten, durften sie nicht daran gehindert werden. Wollten sie aber im Zug bleiben, war das auch gestattet.[3] Es sollte darauf hingewirkt werden, dass Reisende den Zug nur nach einer Seite verließen[1], und bei zweigleisigen Strecken ausschließlich auf der Seite, auf der sich kein Gleis befand.[3] Vor anschließender Weiterfahrt musste der Lokführer das Achtungssignal geben und die Reisenden waren zum Einsteigen aufzufordern.[3]

Schutz

Fahrzeuge

Mitreisende Wehrmachtsangehörige sollten – wenn möglich – zurückschießen, jedoch nie aus dem (noch) fahrenden Zug.[1]

Spätestens seit November 1944 wurden sowohl einzelnen Reise- wie auch Güterzügen Flak-Wagen beigegeben.[4] Bei Reisezügen fuhren sie am Zugschluss, wobei dahinter gegebenenfalls noch Güterwagen angehängt werden durften. Handelte es sich um beheizbare Flak-Wagen (Gattungen Rhs oder Rmmhs), so mussten sie aber unmittelbar hinter der Zuglokomotive laufen. Bei Güterzügen waren die Wagen in das erste Drittel des Zuges einzurangieren. Truppentransportzüge sollten im ersten oder letzten Drittel des Zuges einen behelfsmäßigen Luftschutzwagen (Om-Wagen) mitführen, auf dem ein Maschinengewehr stationiert war. Bei diesen Zügen war zusätzlich ein Flaktrupp mit Flakwagen (2 E Tr) vorgesehen, der an Spitze oder am Ende der Wagenreihe zu positionieren war. Munitions- und Betriebsstoffzüge waren mit zwei Flaktrupps zu fahren. Deren Flak-Wagen kam zugleich die Funktion der für solche Züge vorgeschriebenen Schutzwagen zu. Lazarettzüge, die mit dem roten Kreuz gekennzeichnet waren, durften keine Flak-Wagen mitführen.[5]

Infrastruktur

Entlang der Strecken wurden Luftschutzdeckungsgräben ausgehoben. Diese erhielten zur Kennzeichnung ein eigenes Signal.[6][Anm. 1]

Einzelne Angriffe

Zweiter Weltkrieg

  • Eisenbahnunfall in Yunnan, China 1940
  • Am Abend des 4. Oktober 1944 wurde der Zug Nr. 2021 von Frankfurt am Main nach Usingen auf der Taunusbahn kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof Köppern von Tieffliegern angegriffen. Dabei starben 31 Menschen.[7]
  • Bei einem Luftangriff auf den Bahnhof Elm am 25. November 1944 wurde das Empfangsgebäude komplett zerstört.[8]
  • Bei einem Luftangriff wurde im Bahnhof Edenkoben am 5. Januar 1945 wurde auch ein Militärzug, der Munition und Treibstoff transportierte, von einer Fliegerbombe getroffen. Die folgende Explosion war so erheblich, dass das Empfangsgebäude zerstört wurde.[9]
  • Bei einem drohenden Luftangriff auf einen Personenzug kuppelte die Lokmannschaft die Lokomotive vom Zug ab und fuhr weiter. Während die Tiefflieger die Lok beschossen, blieb der Wagenzug ohne Beschuss und die Reisenden konnten sich in Sicherheit bringen. Der Vorfall ereignete sich Anfang Januar 1945. Die Meldung enthält keine Ortsangabe.[10]
  • Bei einem Luftangriff auf Waldkappel (Nordhessen) am 31. März 1945 wurde auch ein im Bahnhof Waldkappel stehender Munitionszug getroffen und explodierte. Das Empfangsgebäude wurde dadurch zerstört und das Bahnhofsumfeld stark beschädigt.[11] Dabei starben 17 Menschen.
  • Bei einem Luftangriff auf den Bahnhof Zapfendorf am 1. April 1945 explodierte ein Munitionszug. 23 Menschen starben, das Dorf wurde nahezu vollständig zerstört.

Weitere Luftangriffe

Beim Luftangriff von Songjiang starben 300 Menschen als am 8. September 1937 japanische Flugzeuge während des Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieges einen mit Flüchtlingen überfüllten Zug angriffen, der im Bahnhof von Songjiang stand.

Auch im Koreakrieg kam es zu Luftangriffen auf Züge.

Der Beschuss des D 393 bei Grdelica am 12. April 1999 war ein zweifacher Luftangriff seitens der NATO auf die Morava-Brücke während des Kosovokrieges bei Grdelica in Serbien, die gerade von dem Schnellzug D 393 NišRistovac befahren wurde. Die Folge waren 14 Tote und 16 Verletzte.

Anmerkungen

  1. Die Kennzeichen bestehen aus einem Mast von 1,50 m Höhe über Schienenoberkannte. Der Mast ist oben in 3 Abschnitten von je 30 cm Breite gelb, blau und gelb gestrichen. Im blauen Feld ist ein gelbumrandeter blauer Pfeil angebracht. Die Pfeilspitze weist nach der Seite, auf der sich die Deckungsgräben befinden.
    Das Kennzeichen steht rechts vom Gleis am Ende des Deckungssystems. Im Bedarfsfall muss also der Zug unmittelbar vor dem Kennzeichen halten
    (Deutsche Reichsbahn (Hg.): Amtsblatt der Reichsbahndirektion Mainz vom 10. Februar 1945, Nr. 8. Bekanntmachung Nr. 65, S. 43).

Einzelnachweise

  1. a b c d Deutsche Reichsbahn (Hg.): Amtsblatt der Reichsbahndirektion Mainz vom 22. Juli 1944, Nr. 35, Bekanntmachung Nr. 513, S. 245
  2. Deutsche Reichsbahn (Hg.): Amtsblatt der Reichsbahndirektion Mainz vom 12. August 1944, Nr. 39, Bekanntmachung Nr. 563, S. 266
  3. a b c Deutsche Reichsbahn (Hg.): Amtsblatt der Reichsbahndirektion Mainz vom 2. September 1944, Nr. 45, Bekanntmachung Nr. 607, S. 299f (300)
  4. Deutsche Reichsbahn (Hg.): Amtsblatt der Reichsbahndirektion Mainz vom 25. November 1944, Nr. 60. Bekanntmachung Nr. 794, S. 396.
  5. Deutsche Reichsbahn (Hg.): Amtsblatt der Reichsbahndirektion Mainz vom 3. Februar 1945, Nr. 7. Bekanntmachung Nr. 46, S. 36.
  6. Deutsche Reichsbahn (Hg.): Amtsblatt der Reichsbahndirektion Mainz vom 10. Februar 1945, Nr. 8. Bekanntmachung Nr. 65, S. 43.
  7. Walter Söhnlein, Gerta Walsh: Bahn frei! – Schienenwege in den Taunus 1860–1910–2010. Frankfurt 2010, ISBN 978-3-7973-1223-5, S. 78
  8. Rolf Brüning: Mit Dampf auf der Nord-Süd-Strecke zwischen Main und Fulda = Farbbildraritäten aus dem Archiv Dr. Rolf Brüning 9. Hövelhof 2014, S. 83.
  9. Michael Heilmann, Werner Schreiner: 150 Jahre Maximiliansbahn Neustadt–Straßburg. Pro Message, Ludwigshafen am Rhein 2005. ISBN 978-3-934845-27-5, S. 53; Heinz Sturm: Geschichte der Maxbahn 1855–1945. In: MEC Modell- und Eisenbahnclub Landau in der Pfalz e. V. in Zusammenarbeit mit der Bundesbahndirektion Karlsruhe und dem Bundesbahn-Betriebsamt Ludwigshafen (Rhein), (Hg.): 125 Jahre Maximiliansbahn. Karlsruhe 1980, S. 34.
  10. Deutsche Reichsbahn (Hg.): Amtsblatt der Reichsbahndirektion Mainz vom 27. Januar 1945, Nr. 5. Bekanntmachung Nr. 37, S. 27.
  11. Vor 70 Jahren explodierte in Waldkappel ein Munitionszug, HNA vom 31. März 2015, abgerufen 11. November 2016