Luise F. Pusch

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Luise F. Pusch (2013)

Luise F. Pusch (* 14. Januar 1944 in Gütersloh als Frohmut Pusch[1]) ist eine deutsche feministische Sprachwissenschaftlerin. Sie gilt zusammen mit Senta Trömel-Plötz und Marlis Hellinger als Begründerin der feministischen Linguistik in Deutschland.[2] Auch unter dem Pseudonym Judith Offenbach hat sie publiziert. Pusch gilt als Erfinderin der Gender-Pause im Deutschen.

Leben

Luise Pusch studierte Anglistik, Latinistik und Allgemeine Sprachwissenschaft an der Universität Hamburg. 1972 wurde sie im Fach Anglistik mit einer Dissertation über Die Substantivierung von Verben mit Satzkomplementen im Englischen und im Deutschen promoviert. 1978 habilitierte sie sich für das Fach Sprachwissenschaft an der Universität Konstanz mit der Schrift Kontrastive Untersuchungen zum italienischen gerundio.[3] Von 1979 bis 1984 war sie Heisenberg-Stipendiatin auf dem Gebiet der feministisch-linguistischen Forschung. 1981 publizierte sie den autobiografischen Roman Sonja: eine Melancholie für Fortgeschrittene über ihre durch Suizid verstorbene Partnerin unter dem Pseudonym Judith Offenbach. Bevor feministische Sprachkritik dann ihr Spezialgebiet wurde, beschäftigte sie sich mit syntaktischen Fragen wie der Gerundivkonstruktion. Zwischen 1982 und 1985 war sie als Vertretung für eine germanistische und eine anglistische Professur an den Universitäten Hannover und Duisburg. Im Jahr 1985 wurde sie an der Universität Konstanz zur außerplanmäßigen Professorin ernannt. In den Jahren 1990 und 1991 hatte sie eine Vertretungsstelle für eine Professur für Frauenforschung an der Universität Münster.[4]

Puschs Lebensgefährtin ist seit 1986 die amerikanische Germanistin und Frauenforscherin Joey Horsley (* 1940). Sie lebt teils in Hannover und teils in Boston.[5]

Werk

Pusch engagiert sich seit 1979 für eine geschlechtergerechte Sprache, zum Beispiel in Aufsätzen, Glossen, Streitgesprächen, Vorträgen und Workshops.

In ihrer 1984 veröffentlichten Textesammlung Das Deutsche als Männersprache: Diagnose und Therapievorschläge schrieb sie, es gebe männerorientierte (androzentrische) Diskriminierungen durch die deutsche Standardsprache; dies sei problematisch; die überzeugendste und einfachste Lösung des Problems bestehe in der teilweisen Entgeschlechtlichung. Dafür könnten die weiblichen Endungen -in und -innen abgeschafft werden: Weibliche Professorinnen[6] würden dann die Professor oder eine Schriftsteller benannt. Wegen der zu erwartenden Nicht-Akzeptanz dieses Vorschlags plädierte sie für eine Forcierung des Binnen-I (etwa LehrerInnen), um Beidnennungen (Lehrerinnen und Lehrer) zu vermeiden. Seitdem tritt Pusch allgemein für die geschlechterübergreifende Verwendung von generischen Femininformen ein, so würde die Bezeichnung Lehrerinnen alle Lehrkräfte einschließen, auch männliche (Lehrer).

Neben ihrer sprachwissenschaftlichen Arbeit hat sie in der Datenbank FemBio 32.000 Biografien von Frauen zusammengetragen, von denen 12.000 online verfügbar sind.[7][8]

Kommentare zum Zeitgeschehen

Auf ihrem Blog „Laut & Luise“[9] schreibt Luise Pusch Kommentare zu aktuellen Ereignissen. Teilweise werden ihre Beiträge von Zeitschriften übernommen, unter anderem von der feministischen Emma.

Wenige Tage nach dem Absturz des Germanwings-Flugs 9525 veröffentlichte Pusch im März 2015 in ihrem Blog und als namentlich gekennzeichneten Kommentar in der Zeitschrift Emma einen Text, in dem sie eine Frauenquote unter Piloten fordert.[10] Die Suizidrate bei Männern sei viermal so hoch wie bei Frauen;[11] deshalb verringere jede Pilotin das Risiko der Passagiere, Opfer eines erweiterten Suizids zu werden. Pusch kritisierte, in der Berichterstattung über das Unglück sei ein „blinder Fleck“, da die 14 getöteten Mädchen und zwei Jungen schlicht als „16 Schüler“ bezeichnet wurden und die beiden getöteten Lehrerinnen als „Lehrer“.

Der Text rief „Empörung in den sozialen Netzwerken[12] und Leserkommentaren hervor, besonders auf Twitter, wo man Emma unter anderem vorwarf, die Opfer „für die Quote zu instrumentalisieren“.[13][14] Pusch verteidigte sich, ebenso auf Twitter, gegen den „Shitstorm“ und verwies auf „viele LeserInnen (die) die Frauenquote fürs Cockpit gut finden“ sowie einen Artikel in der Schweiz am Sonntag, der ihre These sachlich ebenfalls vertrete. Der Österreichische Frauenring und andere Verbände bedauerten den Shitstorm und forderten eine Diskussion des Vorschlags.[12]

2022 war sie zu Gast im Podcast War’s das? mit Maren Kroymann.

Ehrungen

Publikationen

  • Die Substantivierung von Verben mit Satzkomplementen im Englischen und im Deutschen. Dissertation an der Universität Hamburg 1972. Athenäum, Frankfurt am Main 1972. (Koch, Planegg 1982, ISBN 3-7610-5706-7)
  • Kontrastive Untersuchungen zum italienischen gerundio: Instrumental- und Modalsätze und das Problem der Individuierung von Ereignissen Habilitationsschrift an der Universität Konstanz 1978, Niemeyer, Tübingen, 1980, ISBN 3-484-10321-3.
  • Sonja: eine Melancholie für Fortgeschrittene. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-518-37188-6. (autobiografischer Roman unter dem Pseudonym Judith Offenbach)
  • als Herausgeberin: Feminismus: Inspektion der Herrenkultur – Ein Handbuch. (= edition suhrkamp NF. 1192). Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-518-11192-2.
  • Das Deutsche als Männersprache: Aufsätze und Glossen zur feministischen Linguistik. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-518-11217-1; Neuausgabe ebenda 1991, ISBN 978-3-518-38415-2 (Leseprobe).
  • als Herausgeberin: Schwestern berühmter Männer: Zwölf biographische Portraits. (= Insel TB. 796). Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-458-32496-8.
  • als Herausgeberin: Berühmte Frauen: Kalender. Erscheint seit 1987 jährlich bei: Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, ISSN 0930-9721; ISBN 3-518-38015-X (= Suhrkamp Taschenbücher. Band 1515 – Kalender 1988); ISBN 978-3-518-46537-0 (= Suhrkamp Taschenbücher. Band 4537 – Kalender 2015).
  • als Herausgeberin: Töchter berühmter Männer: Neun biographische Portraits. (= Insel TB. 979). Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-458-32679-0.
  • Alle Menschen werden Schwestern: feministische Sprachkritik. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-518-11565-0.
  • als Herausgeberin, mit Sibylle Duda: WahnsinnsFrauen. (= suhrkamp TB. 1876). Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-518-38376-0.
  • Ladies first. In: Brigitte Brück und andere (Hrsg.): Femististische Soziologie. Frankfurt am Main 1992.
  • Ladies first: Ein Gespräch über Feminismus, Sprache und Sexualität. (= Wortmeldung. Band 2). Palette, Bamberg 1993, ISBN 3-928062-07-7.
  • als Herausgeberin: Mütter berühmter Männer: Zwölf biographische Portraits. (= Insel TB. 1356). Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-458-33056-9.
  • als Herausgeberin, mit Sibylle Duda: WahnsinnsFrauen. Zweiter Band. suhrkamp TB, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-518-38993-9.
  • Die Frau ist nicht der Rede wert: Aufsätze, Reden und Glossen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-518-39421-5.
  • als Herausgeberin, mit Sibylle Duda: WahnsinnsFrauen. Dritter Band. suhrkamp TB, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-518-39334-0.
  • mit Susanne Gretter (Hrsg.): Berühmte Frauen: 300 Portraits. Insel, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-458-16949-0.
  • mit Susanne Gretter (Hrsg.): Berühmte Frauen 2: 300 Portraits. Insel, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-458-17067-7.
  • Die Eier des Staatsoberhaupts und andere Glossen. Wallstein, Göttingen 2008, ISBN 978-3-8353-0280-8.
  • Der Kaiser sagt Ja: und andere Glossen. Wallstein, Göttingen 2009, ISBN 978-3-8353-0455-0.
  • mit Joey Horsley: Frauengeschichten. Berühmte Frauen und ihre Freundinnen. Wallstein, Göttingen 2010, ISBN 978-3-8353-0634-9.
  • Deutsch auf Vorderfrau. Sprachkritische Glossen. Wallstein, Göttingen 2011, ISBN 978-3-8353-0863-3.
  • Die dominante Kuh. Neue Glossen. Wallstein, Göttingen 2013, ISBN 978-3-8353-1223-4.
  • Gerecht und Geschlecht: neue sprachkritische Glossen. Wallstein, Göttingen 2014, ISBN 978-3-8353-1428-3.
  • Die Sprache der Eroberinnen und andere Glossen. Wallstein, Göttingen 2016, ISBN 978-3-8353-1896-0.

Literatur

  • Inge von Bönninghausen: Die Sprachwandlerin – Luise F. Pusch. Zurufe und Einwürfe von Freundinnen und Weggefährtinnen. Eine Femmage zum 70. Geburtstag von Luise F. Pusch. Wallstein, Göttingen 2014, ISBN 978-3-8353-1427-6.
  • Ilse Lenz, Hiltrud Schroeder: Die Neue Frauenbewegung in Deutschland. Abschied vom kleinen Unterschied. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-531-14729-1.
  • Eva Rieger (Hrsg.): Diese Frau ist der Rede wert: Festschrift für Luise Pusch. Centaurus, Herbolzheim 2004, ISBN 3-8255-0477-8.

Weblinks

Eigene Artikel:

Interviews:

Filme:

Würdigung:

Einzelnachweise

  1. Süddeutsche Zeitung Magazin vom 23. Dezember 2020, S. 29.
  2. Christine Olderdissen: Luise F. Pusch und der Genderstern. In: genderleicht.de. 10. Dezember 2020, abgerufen am 12. Januar 2021.
  3. Luise F. Pusch: Kontrastive Untersuchungen zum italienischen „gerundio“. Max Niemeyer Verlag 1980, ISBN 3-484-10321-3.
  4. Luise F. Pusch: vita. (Memento vom 15. März 2008 im Internet Archive) In: LuisePusch.de. 24. September 2007, abgerufen am 15. Juli 2020.
  5. Chantal Louis: Luise Pusch: Die Frauensprachlerin. In: Emma. Januar/Februar 2014.
    Dorothee Hermann: Luise Pusch und Joey Horsley erforschen die Geschichte(n) der Frauenliebe. In: Schwäbisches Tagblatt. 13. November 2010.
  6. Dies sei – wie sich aus damaligen Diskussionen bei ihren Vorträgen ergab – kein Pleonasmus, sondern erforderlich, um zu zeigen, dass eine weibliche Professorin und nicht eine sonst möglicherweise mitmeinbare männliche gemeint ist.
  7. Internetseite von FemBio Frauen-Biographieforschung e.V.
  8. Mareike Nieberding: „Unsere Grammatik widerspricht dem Grundgesetz“. In: Süddeutsche Zeitung. 22. Dezember 2020, abgerufen am 26. Dezember 2020.
  9. Blog Laut und Luise.
  10. Luise F. Pusch: Frauenquote fürs Cockpit! emma.de, 27. März 2015.
  11. Gesundheitliche Lage der Männer in Deutschland, 2014: Kapitel 2 – Wie geht es Männern? (Memento vom 7. März 2016 im Internet Archive) (= Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes). Robert Koch-Institut, Berlin 2014, S. 58–59: 2012 „7.287 Sterbefälle durch Suizid […] bei Männern […], Frauen: 2.603 Sterbefälle“.
  12. a b Jenny Becker: „Amoktrips sind Männersache“. Die Zeit, 29. März 2015, abgerufen am 3. Mai 2019.
  13. Tatjana Kerschbaumer: Frauenquote fürs Cockpit? Der Tagesspiegel, 28. März 2015, abgerufen am 3. Mai 2019.
  14. „Emma“ irritiert mit Kommentar zur Germanwings-Katastrophe. Der Spiegel, 28. März 2015, abgerufen am 3. Mai 2019.
  15. Diese Frau ist der Rede wert – Luise Pusch, BücherFrau des Jahres 2004 wird auf der Frankfurter Buchmesse geehrt. Fembio Presse, abgerufen am 30. März 2015.
  16. Inge von Bönninghausen (Hrsg.): Die Sprachwandlerin – Luise F. Pusch. Zurufe und Einwürfe von Freundinnen und Weggefährtinnen. Wallstein Verlag, Göttingen, 2014, ISBN 978-3-8353-1427-6 (mit Beiträgen u. a. von Eva Rieger, Helke Sander, Anatol Stefanowitsch und Senta Trömel-Plötz).
  17. Auszeichnung für verdiente HannoveranerInnen – Oberbürgermeister würdigt sieben Frauen und Männer, hannover-entdecken.de, 20. Juni 2014
  18. Mit Wissen und Witz im Einsatz für die Frau. In: Allgemeine Zeitung. 28. Nov. 2016, Link, Zugriff am 18. August 2017.