Lutherkirche (Chemnitz)

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Lutherkirche

Die evangelische Lutherkirche an der Zschopauer Straße ist eine von drei Kirchen in Chemnitz, die den Namen des Reformators Martin Luther tragen.

Beschreibung und Geschichte

Die von dem Architekten Otto Kuhlmann im neoromanischen Stil mit einem 64 Meter hohen Kreuzturm errichtete Kirche wurde nach vierjähriger Bauzeit am 1. April 1908 eingeweiht. Sie war eines der ersten Gebäude in Chemnitz in Stahlbetonbauweise. Durch ihre Lage auf einem leicht ansteigenden Gelände ragt sie weithin sichtbar aus dem Lutherviertel heraus.

Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich Chemnitz zu einer der bedeutendsten deutschen Industriestädte entwickelt und wurde nicht zu Unrecht als „Sächsisches Manchester“ bezeichnet. Im Zusammenhang mit der Industriellen Revolution vollzog sich diese Entwicklung in wenigen Jahren. Die Industrialisierung hatte unmittelbaren Einfluss auf die Stadtentwicklung. So war infolgedessen die Einwohnerzahl zwischen 1870 und 1895 von 68 000 auf 161 000 und nach 1900 auf mehr als 300 000 angestiegen. Das Stadtbild wandelte sich grundlegend. Aus der mittelalterlich anmutenden Stadt mit zahlreichen Waldhufendörfern im Umfeld war in wenigen Jahren eine Großstadt mit unzähligen Mietshausquartieren geworden. Mitten in diese neu entstandenen Stadtgebiete hinein wurden teilweise recht repräsentative Kirchenbauten eingefügt, die diese Stadtgebiete und durch die besondere topographische Situation der Stadt Chemnitz auch oft das Stadtbild maßgeblich prägten. Die Lutherkirche an der Zschopauer Straße inmitten einer eigens hierfür angelegten Grünanlage ist wohl die bedeutendste dieser Kirchen. 1900 wurde die Luthergemeinde gegründet, und ab 1902 folgten erste Initiativen zum Neubau einer Kirche. Unter 130 eingereichten Entwürfen entschied sich der damalige Kirchenvorstand für den Entwurf des Architekten Otto Kuhlmann aus Charlottenburg. Der 1873 in Dettmold geborene Berliner Architekt erhielt 1903 in Würdigung seines Schaffens den „Großen Staatspreis der Akademie der Künste“. Den größten Bekanntheitsgrad erzielte Kuhlmann durch das Errichten einer großen Anzahl von Sakralbauten. Diese Periode begann 1905 mit dem Bau der neuen reformierten Kirche (Christuskirche) nebst Fürstengruft in Detmold. Besonders hervorzuheben ist, dass Kuhlmann in dieser Schaffensphase im Alter von erst 33 Jahren mehrere Kirchenbauten zeitgleich betreute: die Christuskirche mit Fürstengruft in Detmold (1905–08), die Lutherkirche in Chemnitz (1905–08) und die Kirche in Münster am Stein (1907–08). Die Chemnitzer Lutherkirche wurde als neuromanische Kreuzturmkirche erbaut. Der Stahlbetonbau besteht aus einem quadratischen Kernbau mit mächtigem Turm. Das achteckige obere Geschoss des Turms besitzt eine umlaufende Zwerggalerie und den Zugang zu den Ecktürmen. Dem Kernbau sind vier kurze Kreuzarme mit Anbauten zugeordnet. An der Westseite, dem Haupteingangsbereich der Kirche, befindet sich ein zweigeschossiger Vorbau mit offener Halle im Untergeschoss.

Der Denkmalwert der Chemnitzer Lutherkirche ergibt sich aus der stadtgeschichtlichen Bedeutung als wichtiges Zeugnis der grundlegenden Veränderungen der Stadt in Folge der raschen Industrialisierung im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Ebenso ergibt sich der Denkmalwert der Kirche aus der oben beschriebenen städtebaulichen Bedeutung. Darüber hinaus kommt dem Bauwerk ein hoher baukünstlerischer und baugeschichtlicher Wert zu als exemplarischer Kirchenbau des beginnenden 20. Jahrhunderts in Deutschland, der moderne architektonische Auffassungen mit technischen Innovationen verbindet. Auch als einer der ersten Kirchenbauten des für die deutsche Architekturgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts wichtigen Architekten Otto Kuhlmann kommt diesem Bauwerk eine überregionale baugeschichtliche Bedeutung zu.

Ausstattung

Die bauzeitliche Ausstattung im Inneren der Kirche in Formen des schlichten Jugendstils hat sich weitgehend erhalten. Dazu zählen die farbige Wandfassung (Karl Schulz, Dresden), der Altar aus braunem Muschelkalk mit einem mittigen Christusbild (Osmar Schindler, Dresden, 1908), die Kanzel aus grauem Muschelkalk und grünem Marmor, ein Kruzifix (Arthur Lange) sowie das Lesepult und acht Liedtafeln aus Messing. Zur Ausstattung gehören weiterhin ein dem Altar vorgelagerter Teppich, das vollständige bauzeitliche Kirchengestühl sowie sieben Einzelstühle, darunter die Hochzeitstühle sowie farbige bauzeitliche Glasfenster unter der Nord- und Südempore. Die Glasfenster hat der Künstler Otto Linnemann aus Frankfurt zwar entworfen, sie wurden aber nicht ausgeführt.

Orgel

Die Orgel stammt von Wilhelm Sauer (1908) und ist nach der Restaurierung 2007 weitgehend im Originalzustand[1] erhalten. Das Instrument hat 50 klingende Register (ca. 3000 Pfeifen) auf drei Manualen und Pedal.[2]

I. Manualwerk C–a3
1. Prinzipal 16′
2. Prinzipal 8′
3. Doppelflöte 8′
4. Flûte 8′
5. Bourdun 8′
6. Gemshorn 8′
7. Viola da Gamba 8′
8. Oktave 4′
9. Rohrflöte 4′
10. Kornett III–IV
11. Rauschquinte II
12. Mixtur III
13. Fagott 16′
14. Trompete 8′
II. Manualwerk C–a3
15. Bordun 16′
16. Prinzipal 8′
17. Konzertflöte 8′
18. Rohrflöte 8′
19. Schalmey 8′
20. Quintatön 8′
21. Salicional 8′
22. Oktave 4′
23. Traversflöte 4′
24. Piccolo 2′
25. Mixtur IV
26. Clarinette 8′
III. Manualwerk C–a3
27. Lieblich Gedackt 16′
28. Prinzipal 8′
29. Soloflöte 8′
30. Lieblich Gedackt 8′
31. Viola 8′
32. Aeoline 8′
33. Voix célestis 8′
34. Fernflöte 4′
35. Fugara 4′
36. Nasard 223
37. Flautino 2′
38. Oboe 8′
Pedalwerk C–f1
39. Untersatz 32′
40. Prinzipal 16′
41. Subbaß 16′
42. Violon 16′
43. Dulciana 16′
44. Quintbaß 1023
45. Oktave 8′
46. Baßflöte 8′
47. Cello 8′
48. Oktave 4′
49. Posaune 16′
50. Trompete 8′
  • Koppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P

Glocken

Im Jahr 1972 wurden von Apoldas letztem Glockengießermeister Peter Schilling und dessen Frau Margarete Schilling drei Bronze-Kirchenglocken entworfen, gegossen und geliefert. Die Glocken haben die Schlagtöne d1, e1, g1 und ein Gewicht von 3.623 Kilogramm.

Kirchplatz und Kriegerdenkmal

Der Denkmalwert von Platzgestaltung und Kriegerdenkmal ergibt sich aus deren gartenkünstlerischer, ortsgeschichtlicher und ortsentwicklungsgeschichtlicher sowie städtebaulicher Bedeutung.

  • Geschichte: Die Anlage des Platzes erfolgte nach dem Bau der Kirche 1908 und vor 1910 (1902 nur das Areal des Platzes auf dem Stadtplan, 1910 Kirchplatz auf dem Stadtplan eingetragen), in der Amtszeit von Stadtgartendirektor Otto Werner.
  • Erschließung: An den vier umgebenden Straßenseiten sind Bürgersteige (auf der Südost- und Nordwestseite mit Mosaiksteinpflaster), an der Nordwestseite auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig Granitplatten, auf allen Seiten der Kirche Wegefläche mit wassergebundener Decke, Traufbereich der Kirche mit Natursteinpflaster, Verbindungswege zwischen den Bürgersteigen und der Wegefläche an der Kirche mit wassergebundener Decke und Entwässerungsrinnen aus Natursteinpflaster, im Südwesten zum Eingang der Kirche zwei im Bogen geführte Zufahrtswege mit wassergebundener Decke und seitlichen Rinnen aus Natursteinpflaster, am Eingang der Kirche Kleinsteinpflaster (Granit) und eine vorgelagerte Fläche mit Mosaiksteinpflaster
  • Gehölze: Im Außenbogen der beiden Zufahrtswege je eine Baumreihe von je sieben Linden (davon eine Ersatzpflanzung), in Nähe des Eingangs der Kirche ein Baumpaar (zwei Pyramideneichen, davon eine Nachpflanzung), auf der Südost- und Nordwestseite der Kirche je ein Baumpaar (je zwei Linden), im Südwestbereich in Straßennähe ein Baumpaar (zwei neu gepflanzte Weiden), auf der Südostseite der Kirche ein Gedenkbaum (Luthereiche, Amerikanische Roteiche), auf den Strauch- und Rasenflächen an der Nordost-, Südost- und Nordwestseite weitere Bäume (Baumhasel, Bergahorn, Buche, Eiche, Esche, Feldahorn, Hainbuche, Linde, Robinie, Rotdorn, Roteiche, Spitzahorn), an den Innenseiten der beiden im Bogen geführten Zufahrtswege je eine geschnittene Hecke aus Flieder, im Nordost-, Südost- und Nordwestbereich Strauchflächen (Falscher Jasmin, Alpenjohannisbeere, Schneebeere ...), auf der Südostseite Reste von Straßenbäumen (Linden), auf der gegenüberliegenden Straßenseite im Südwesten neu gepflanzte Straßenbäume (Spitzahorn)
  • Kriegerdenkmal: Im Nordwestbereich ein als Tor gestaltetes Kriegerdenkmal des Ersten Weltkrieges mit Aufschriften (auf der Südostseite: „WIE SIND DIE HELDEN GEFALLEN“, auf der Nordwestseite: „MEINE SEELE IST STILLE ZU GOTT.“) und acht Tafeln mit den Namen der Gefallenen und später Gestorbenen (1914–1918 und 1919–1931)

Persönlichkeiten

Datei:Gustaf nagel heiratet 1912.jpg
Das Brautpaar Nagel vor der Lutherkirche (1912)

In der Lutherkirche wurden am 4. Juni 1912 der Wanderprediger gustaf nagel (1874–1972) und die Klavierlehrerin Johanna Maria Raith (* 1888) unter großer öffentlicher Anteilnahme getraut.[3]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Disposition der Sauer-Orgel
  2. Nähere Informationen zur Orgel
  3. Eckehard Schwarz: Aus dem Leben eines Wanderpredigers und Tempelwächters (hrsg. vom Fremdenverkehrsverein Arendsee und Umgebung e.V.). Arendsee 1997. S. 32f

Weblinks

Commons: Lutherkirche (Chemnitz-Lutherviertel) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 50° 49′ 21″ N, 12° 56′ 16″ O