Mahnmal für die Opfer der Novemberpogrome 1938 (Bremen)

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Das Mahnmal für die Opfer der „Reichskristallnacht“ vom 9. auf den 10. November 1938 – der sogenannten Reichspogromnacht –, bei der auch in Bremen nicht nur „Kristall“ und Schaufensterscheiben zu Bruch gingen, sondern fünf jüdische Bürger von den Nationalsozialisten ermordet wurden, steht seit 1982 in Nähe des Gebäudes Landherrn-Amt in Bremen-Mitte an der Dechanatstraße/Ecke Am Landherrnamt. Das aus schlichten schwarzen, tafelartigen Kuben gebaute Mahnmal wurde von Hans D. Voss entworfen und besteht aus schwarz gestrichenem Beton.

Die Novemberpogrome 1938 in Bremen

Am 9. und 10. November 1938 wurden bei den vom nationalsozialistischen Regime zentral organisierten und gelenkten Gewaltmaßnahmen gegen Juden in Deutschland und Österreich auch in Bremen zahlreiche Gewalttaten bis hin zu mehreren Morden gegangen. So wurde unter anderem die Synagoge in der Gartenstraße (im Schnoorviertel, heute Kolpingstraße) von SA-Leuten in Brand gesetzt – während die Feuerwehr nur die Nachbarhäuser schützte – und das jüdische Gemeindehaus daneben geplündert, ebenso wie die Vegesacker Synagoge und ein Bethaus an der Sebaldsbrücker Heerstraße. Der jüdische Friedhof in Hastedt wurde verwüstet und viele jüdische Gräber geschändet. Die SA plünderte und zerstörte zum Teil auch Geschäfte und Privathäuser jüdischer Eigentümer und verhaftete die Mehrheit der männlichen Bürger jüdischer Herkunft. Mehr als 160 von ihnen wurden in der Nacht zunächst auf dem Schulhof des Alten Gymnasiums an der Dechanatstraße zusammengetrieben und nach eintägiger Inhaftierung im Zuchthaus Bremen über Oranienburg in das KZ Sachsenhausen abtransportiert, wo sie einige Wochen festgehalten wurden. Viele von ihnen kamen später im Zuge der systematischen Ermordung jüdischer Bürger durch das NS-Regime in den Vernichtungslagern ums Leben.[1][2][3]

Fünf Personen wurden in der Bremer Pogromnacht ermordet: der Obermonteur Leopold Sinasohn in Platjenwerbe nahe Bremen-Nord, sowie in der Stadt Bremen der Sanitätsrat Dr. Adolph Goldberg und seine Frau Martha in Burgdamm, der Kleinhändler Heinrich Rosenblum in der Neustadt und Selma Zwienicki, die Frau eines Fahrradhändlers in der Hohentorstraße. Diese ziellos und willkürlich verübten Taten wurden erst nach 1945 verfolgt und mit mäßigen Haftstrafen gesühnt.[1][2][3]

Der verharmlosende Ausdruck „Reichskristallnacht“, im Dritten Reich entstanden und von den Machthabern wohlwollend akzeptiert, wird heute vermieden, weil er der grausamen Geschichtsrealität nicht gerecht wird.

Das Denkmal

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Gedenktafel an dem Mahnmal

Die Errichtung des Mahnmals geht auf eine private Initiative zurück. Das Projekt „Gedenkstätte Reichskristallnacht“ fand 1978 die Zustimmung der Bremischen Bürgerschaft und der Senat sagte seine Unterstützung zu. Der daraufhin 1980 gegründete Verein Gedenkstätte Reichskristallnacht e. V. unter Leitung des Kaufmanns Dirk Heinrichs und des Architekten Fritz Busse sorgte für eine Spendensammlung und einen Künstlerwettbewerb. Dessen Gewinner war der Informel-Künstler Hans Dieter Voss (1926–1980) mit der Idee, den Platz vor dem Gebäude Landherrn-Amt, also unweit vom Ort der ehemaligen Synagoge und des Alten Gymnasiums, mit dem schlichten, wandartigen Monument aus übereinandergesetzten Kuben abzuschließen. Durch den Tod des Künstlers verzögert, wurde das Mahnmal erst am 24. Februar 1982 fertiggestellt.[4]

Das Mahnmal trägt eine Gedenktafel mit folgender Inschrift:[3][A 1]

UNSERE JÜDISCHEN MITBÜRGER
MARTHA GOLDBERG
DR. ADOLF GOLDBERG
HEINRICH ROSENBLUM
LEOPOLD SINASOHN
SELMA SWINITZKI
WURDEN IN DIESER STADT IN DER
NACHT VOM 9. ZUM 10.11.1938 ERMORDET

Dr. Goldberg und seine Frau wurden zudem in Burglesum durch einen Gedenkstein und – gegen den Protest des Einzelhandels – eine Platzbenennung geehrt.[3]

Literatur

  • Wiltrud Ulrike Drechsel, Jürn Jacob Lohse: Holocaust-Denkmäler in Bremen 1945-2001. In: Wiltrud Ulrike Drechsel (Hrsg.): Geschichte im öffentlichen Raum. Denkmäler in Bremen zwischen 1435 und 2001. Donat, Bremen 2011, ISBN 978-3-938275-84-9, S. 103–132, hier bes. S. 119–122.
  • Rolf Rübsam: Sie lebten unter uns. Zum Gedenken an die Opfer der „Reichskristallnacht“ 1938 in Bremen und Umgebung. Hauschild, Bremen 1988, ISBN 3-926598-09-3.
  • Ulrike Puvogel, Martin Stankowski: Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation. Band I (Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein). Hrsg.: Bundeszentrale für politische Bildung. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1995, ISBN 3-89331-208-0, S. 208–209: Mahnmal am Landherrnamt (Digitalisat [PDF; 24,2 MB] / Nachdruck 1996).

Weblinks

Commons: Mahnmal für die Opfer der Novemberpogrome 1938 (Bremen) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Reichspogromnacht – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: „Reichskristallnacht“ – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. a b Wilhelm Lührs (Verf.): „Reichskristallnacht“ in Bremen. Vorgeschichte, Hergang und gerichtliche Bewältigung des Pogroms vom 9./10. November 1938. Hrsg.: Senator für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen in Verbindung mit der Israelitischen Gemeinde Bremen. Steintor Verlagsgesellschaft, Bremen 1988, ISBN 3-926028-40-8.
  2. a b Herbert Schwarzwälder: Geschichte der Freien Hansestadt Bremen. Erweiterte und verbesserte Auflage. Band 4: Bremen in der NS-Zeit (1933-1945). Edition Temmen, Bremen 1995, ISBN 978-3-86108-283-5, S. 314–319.
  3. a b c d Ulrike Puvogel, Martin Stankowski: Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation. Band I (Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein). Hrsg.: Bundeszentrale für politische Bildung. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1995, ISBN 3-89331-208-0, S. 208–209: Mahnmal am Landherrnamt (Digitalisat [PDF; 24,2 MB; abgerufen am 2. Februar 2019] / Nachdruck 1996).
  4. Wiltrud Ulrike Drechsel, Jürn Jacob Lohse: Holocaust-Denkmäler in Bremen 1945-2001. In: Wiltrud Ulrike Drechsel (Hrsg.): Geschichte im öffentlichen Raum. Denkmäler in Bremen zwischen 1435 und 2001. Donat, Bremen 2011, ISBN 978-3-938275-84-9, S. 119–122.

Anmerkungen

  1. Richtiger sollte es „Adolph“ und „Zwienicki“ heißen. Platjenwerbe gehörte nie zu Bremen, jedoch kamen die Mörder von Leopold Sinasohn aus dem 1939 nach Bremen eingemeindeten Lesum.

Koordinaten: 53° 4′ 26,2″ N, 8° 48′ 33″ O