Manneken Pis

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Manneken Pis
Datei:PICT4328 .jpg
Manneken Pis mit Kostüm
Manneken Pis mit Kostüm
Datei:Manneken Pis Geraardsbergen.JPG
Manneken Pis in Geraardsbergen

Der Manneken Pis (niederländisch pissendes Männlein), auch (Klein) Julianeken oder auf französisch le Petit Julien genannt, ist eine Brunnenfigur eines urinierenden Knaben. Sie ist eines der Wahrzeichen der belgischen Hauptstadt Brüssel.

Geschichte

Die 61 Zentimeter hohe Bronzestatue an der Ecke rue de l’Etuve/Stoofstraat, rue des Grands Carmes/Lievevrouwbroerstraat und rue du Chêne/Eikstraat wurde 1619 von dem Brüsseler Bildhauer Jérôme Duquesnoy geschaffen. Das Motiv des wasserlassenden Knaben als Drolerie war zu dieser Zeit im Herzogtum Brabant schon seit Jahrhunderten bekannt.[1] Schon für das 15. Jahrhundert ist das Standbild eines pinkelnden Jungen belegt.[2] Die spätere Bronzefigur wurde wiederholt gestohlen und schwer beschädigt; die heutige Statue ist eine Kopie aus dem Jahr 1965.

Das Original soll im Kaufmannshaus Maison du Roi am Grand-Place/Grote Markt aufbewahrt sein. Während Forschungen zu einer Doktorarbeit über das Wahrzeichen kamen jedoch Zweifel an der Echtheit auf. Die ehemalige Studentin Geraldine Patigny vermutete, dass nach dem Diebstahl 1817 eine Kopie aufgestellt wurde. Die Statue wurde 2015 dahingehend genau untersucht und wird auf einem goldenen Sockel platziert ausgestellt.[3]

Ein Text aus dem Jahr 1388 im Archiv der Brüsseler Kathedrale St. Michael und St. Gudula erwähnt bereits eine kleine steinerne Statue namens „Julianekensborre“ an einem Brunnen Ecke rue de l’Etuve und rue du Chêne. Zu dieser Zeit existierten in Brüssel sehr viele solcher Brunnen, die die Stadt mit Trinkwasser versorgten. Der Name „Manneken Pis“ tauchte erstmals um 1450 in Texten des Brüsseler Stadtarchivs auf.

Im März 2019 wurde bekannt, dass der Manneken Pis nicht wie die Mehrzahl der Brunnen über einen geschlossenen Wasserkreislauf verfügt, wovon fälschlicherweise ausgegangen wurde. Seit seiner Aufstellung im Jahr 1619 habe die Statue somit täglich zwischen 1500 und 2500 Liter Trinkwasser in den Kanal geleitet. Die Stadtverwaltung Brüssel reagierte mit der Schaffung eines geschlossenen Systems.[4]

Bedeutung

Der Manneken Pis steht heute nicht mehr bloß als Symbol für Brüssel und Belgien, welcher Umstand von Ausstellungen immer wieder thematisiert wird. Die Statue im Zentrum der „politischen Hauptstadt“ der Europäischen Union stünde stellvertretend für Meinungsfreiheit, Widerstandsgeist und demokratische Werte.[1] Dies zeigte sich zuletzt 2016 nach den Terroranschläge in Brüssel am 22. März 2016: Über die sozialen Netzwerke wurden sofort Bilder verbreitet, auf denen das Manneken auf die Terroristen uriniert.[1] Diese Bilder erinnerten an eine Zeichnung von 1944, auf der das Manneken auf die aus Brüssel flüchtenden deutschen Wehrmachtssoldaten und ein großes Hakenkreuz pinkelt.[5]

Kostüme

Die Statue wird von Zeit zu Zeit eingekleidet. So posiert sie beispielsweise bei Länderspielen im Trikot der belgischen Fußballnationalmannschaft oder wird an den Geburtstagen von Elvis Presley oder Wolfgang Amadeus Mozart entsprechend verkleidet. Am Welt-AIDS-Tag wird sie mit Kondomen bestückt. Es gibt mehr als 950 verschiedene Kostüme.

1698 begann der damalige habsburgische Generalstatthalter der Spanischen Niederlande Maximilian II. Emanuel mit der Kostümierung. Nachdem Jacques Stroobants mehr als 20 Jahre für die Kostüme verantwortlich war, übernahm im Mai 2005 Jean-Marc Ahim diese Aufgabe. Dem ging ein heftiger Streit der Stadt Brüssel mit seinem Vorgänger voraus.[6]

Anfang Februar 2017 öffnete wenige Meter neben dem Brunnen das neue Museum GardeRobe MannekenPis, das 133 von nunmehr über 950 Kostümen zeigt. Kurator ist Gonzague Pluvinage. Wer dem Manneken ein Kostüm schenken will, muss einen Antrag beim Bürgermeister- und Schöffenrat der Stadt Brüssel stellen, eine Kommission prüft aufgrund von Regeln, die Gestaltung für politische, religiöse oder kommerzielle Zwecke verbieten. Auch als diplomatisches Geschenk erhält der Manneken Pis immer wieder neue Kostüme: Japan führt die internationale Rangliste mit 18 überreichten Gewändern an.[7]

Weitere Nachahmer-Figuren

Es existieren weitere ähnliche Statuen im belgischen Geraardsbergen sowie in Duisburg. Letztere wurde 1908 vom Bildhauer August Kraus als Geschenk für seine Vaterstadt Ruhrort modelliert, aus „sittlichen Gründen“ zunächst verschmäht, aber in den 1930er Jahren neben der damaligen Tonhalle am König-Heinrich-Platz gegenüber dem Duisburger Hof aufgestellt. Ab 1952 stand sie zunächst am Ostausgang des Hauptbahnhofs und später am Sonnenwall. Am 26. Mai 2021 wurde der „Männeken Pis“ in Duisburg-Ruhrort nach 113 Jahren an seiner ursprünglichen Stelle funktionstüchtig wieder aufgestellt.[8]

Eine weitere Figur findet sich in Bogense auf der dänischen Insel Fünen.[9] Sie wurde 1934 von einem dort aufgewachsenen Findelkind gestiftet.

Im japanischen Bahnhof Hamamatsuchō im Tokioter Bezirk Minato steht an einem der Bahnsteige eine weitere Figur.

1985 hat das Manneken Pis mit Jeanneke Pis ein weibliches Gegenstück und mit Zinneke Pis 1998 einen Hund als Pendant bekommen.

Literatur

  • Marie-Louise Bruyère, Yoneko Nurtantio: Le grand livre de Manneken-Pis. Parfois, ce sont les petites choses qui durent le plus longtemps. Nurtantio Projects: Brüssel 2017, ISBN 978-90-827818-0-9
  • Marie-Louise Bruyère, Yoneko Nurtantio: Het grote boek van Manneken Pis. Soms zijn het de kleine dingen die het langst duren. Nurtantio Projects: Brüssel 2017, ISBN 978-90-827818-0-9
  • Geert van Istendael: Manneke Pis. Houtekiet: Brüssel 2010, ISBN 978-90-450-8836-5

Weblinks

Commons: Manneken Pis – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
  • Manneken Pis. Commune Libre de l’Îlot Sacré, abgerufen am 26. März 2019 (französisch).

Einzelnachweise

  1. a b c Christoph Driessen: Geschichte Belgiens. Die gespaltene Nation. Regensburg 2018, S. 80–81
  2. Geert van Istendael: Manneke Pis. Antwerpen 2010, S. 8
  3. Forscher untersuchen Echtheit von Manneken Pis. ORF.at, 6. August 2015, abgerufen am 26. März 2019.
  4. Manneken Pis kein Durchlaufpinkler mehr. ORF.at, 26. März 2019, abgerufen am 26. März 2019.
  5. Geert van Istendael: Manneke Pis. Antwerpen 2010, S. 82
  6. Helmut Hetzel: Muss Manneken Pis bald frieren? Kölner Stadt-Anzeiger, 26. August 2005, abgerufen am 26. März 2019.
  7. Museum für Manneken Pis’ Gewänder in Brüssel eröffnet. ORF.at, 4. Februar 2017, abgerufen am 26. März 2019.
  8. Männeken Pis ist nach 113 Jahren zurück in Duisburg. Abgerufen am 29. Mai 2021.
  9. Manneken Pis, Bogense. Nordfyns Turistbureau, abgerufen am 26. März 2019.

Koordinaten: 50° 50′ 42″ N, 4° 21′ 0″ O