Markus Beckedahl

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Markus Beckedahl re:publica 2018

Markus Beckedahl (* 1976 in Bonn[1]) ist ein deutscher netzpolitischer Aktivist und Journalist aus Berlin. Er wurde vor allem als Chefredakteur des von ihm 2002 gegründeten Blogs Netzpolitik.org bekannt, in dem Themen der Informationsgesellschaft behandelt werden.

Leben

Beckedahl 2009 bei einer Mahnwache gegen das Zugangs­erschwerungs­gesetz vor dem Brandenburger Tor

Beckedahl absolvierte eine Ausbildung zum IT-Kaufmann[2] und gründete 2003 zusammen mit Andreas Gebhard die Firma newthinking communications GmbH, eine Internetagentur mit politischem Anspruch. Im Folgejahr gründeten die beiden noch den Newthinking Store, ein auf Open Source und Linux spezialisiertes Ladengeschäft. Dieses wurde 2011 liquidiert.[3]

Beckedahl ist Gründungsgesellschafter des Unternehmens Newthinking und war zuletzt Seniorberater,[4] bevor er sich 2013 aus dem operativen Geschäft zurückzog. Er beriet für die Agentur politische Organisationen und Unternehmen. Beckedahl ist seitens Newthinking für die 2007 von ihm zusammen mit Spreeblick gegründete Konferenz re:publica verantwortlich,[5][6] eine deutschsprachige Konferenz zu Themen der digitalen Gesellschaft und sozialen Medien.

Das 2002 gegründete Blog netzpolitik.org gehörte bis 2016 der newthinking communications GmbH[4] – so waren die festen Redakteure dort beschäftigt[7] – jedoch war das Blog nach eigenen Angaben redaktionell unabhängig vom Agenturgeschäft.[8] Seit 2016 ist der eigens dafür gegründete Verein netzpolitik.org e.V. Eigentümer. Durch ausführliche Berichterstattung im Blog und entsprechende Aufrufe erzeugt die Redaktion um Beckedahl Aufmerksamkeit bei Bürgern, sich mit netzpolitischen Themen zu beschäftigen und über diese mit ihren Politikern zu sprechen, wie etwa zu Softwarepatenten, der Vorratsdatenspeicherung, dem Telekom-Paket[9] oder der Urheberrechts-Gesetzgebung. Beckedahl war auch in Brüssel als Lobbyist für digitale Bürgerrechte aktiv[9] und war 2005 als Vertreter des deutschen „Koordinierungskreises der Nichtregierungsorganisationen“ Mitglied der Regierungsdelegation zum 2. Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS) der Vereinten Nationen in Tunis.[10][11] Er ist Mitautor der aus diesem Zusammenhang heraus entstandenen „Charta der Bürgerrechte für eine nachhaltige Wissensgesellschaft“.[12] Zudem ist er offizieller Unterstützer der Demonstration Freiheit statt Angst.[13]

Im Rahmen des Bundestagswahlkampf 2009 führte Beckedahl zusammen mit Falk Lüke ab Sommer 2008 fünf gemeinsame Kurzstudien zum Thema „Politik im Web 2.0“ durch. Die Studien ermittelten Zahlen für die Präsenz der Parteien, ihrer Spitzenpolitiker und ihrer Jugendorganisationen im sozialen Netz. Die Ergebnisse der Studien wurden regelmäßig von Medien aufgenommen.[14]

Beckedahl war Lehrbeauftragter zu Open Source und sozialen Medien im Rahmen von Seminaren an der Universität Mannheim[15] sowie zum Thema Open Business an der Filmakademie Ludwigsburg.[5] Am 23. März 2010 wurde Beckedahl durch die Grünen als Sachverständiger in die Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft berufen,[16] der er bis zu ihrem Abschluss 2013 angehörte.[5][7]

Seit 2007 ist er bei Creative Commons Deutschland aktiv, wo er ehrenamtlicher Projektleiter für Öffentlichkeitsarbeit und Community Building ist.[5] Ebenfalls ist er ehrenamtlicher Sprecher des von ihm mitgegründeten Vereins Digitale Gesellschaft, dessen Vorsitzender er eine Zeitlang war.[17][18][5][7] Zusammen mit Alexandra Hölzer war Beckedahl Sprecher des mittlerweile inaktiven Netzwerks Neue Medien (NNM),[19] welches sich als zivilgesellschaftliche Lobbyorganisation verstand.

Seit 2010 schrieb er in unregelmäßigen Abständen im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Kolumne „Digitale Gesellschaft“ sowie für zahlreiche weitere Printmedien.[5]

Parteipolitische Bindung

Beckedahl war von 2002 bis 2003 Mitglied des Bundesvorstands der Grünen Jugend und hat die Grüne Jugend NRW mitgegründet. In der Grünen Jugend koordinierte er das „Fachforum Neue Medien“ (1999–2004), war also in diesem Zeitraum inhaltlich verantwortlich für Themen wie (Neue) Medien, Technologiepolitik und Bürgerrechte. Er war an der Erarbeitung von netzpolitischen Beschlüssen der Grünen Jugend und von Bündnis 90/Die Grünen maßgeblich beteiligt.[20] Er bezeichnete sich 2009 bezüglich seiner Mitgliedschaft bei den Grünen als „klassische Karteileiche“.[21]

Abmahnung der Deutschen Bahn

Beckedahl gehört neben (von links) Johnny Haeusler, Tanja Haeusler und Andreas Gebhard zu den Mitgründern der Konferenz re:publica

Beckedahl wurde im Februar 2009 von der Deutschen Bahn abgemahnt, weil er das interne Memo des Berliner Landesdatenschutzbeauftragten Alexander Dix zur Datenaffäre der Deutschen Bahn zugänglich gemacht hatte. Die Abmahnung führte dazu, dass sich zahlreiche Blogger mit Beckedahl solidarisierten und das Memo ebenfalls veröffentlichten. Die E-Mail, die Beckedahl von der Rechtsabteilung der Bahn erhielt, wurde auf netzpolitik.org und auch auf WikiLeaks veröffentlicht. Die Bahn berief sich unter anderem auf § 17 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, in dem es um Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen geht. Das Unternehmen drohte außerdem nach § 823 und § 826 des Bürgerlichen Gesetzbuches gegen Urheberrechtsverletzungen und sittenwidrige vorsätzliche Schädigung durch Beckedahl gerichtlich vorzugehen.[22] Beckedahl kündigte darauf in einem Interview des Stern an, keine Unterlassungserklärung zu unterschreiben und seinen Blog notfalls ins Ausland zu verlegen.[23]

Ermittlungen wegen Verdachts des Landesverrats

2015 ermittelte der Generalbundesanwalt Runge gegen André Meister (links) und Markus Beckedahl, als Autoren von Netzpolitik.org, gegen die Ver­öffent­lichung eines als vertraulich eingestuften Dokumentes des Bundes­verfassungs­schutzes

2015 kam es wegen zweimaliger Veröffentlichung von Ausschnitten aus einem als „VS-VERTRAULICH“ eingestuften Bericht des deutschen Verfassungsschutzes auf Netzpolitik.org zu Ermittlungen wegen Verdachts des Landesverrats gegen Markus Beckedahl und André Meister (siehe dazu: Ermittlungen wegen Verdachts des Landesverrats). In Folge dessen versetzte Bundesjustizminister Heiko Maas Generalbundesanwalt Harald Range Ende Juli 2015 in den einstweiligen Ruhestand.[24][25]

Mitgliedschaften in Gremien

Schriften

  • Online-Kampagnen: Das Netz als Forum politischer Öffentlichkeit. In: K. Lehmann, M. Schetsche (Hrsg.): Die Google-Gesellschaft. Vom digitalen Wandel des Wissens. transcript Verlag, Bielefeld 2005, S. 103–112.
  • mit Falk Lüke: Die digitale Gesellschaft – Netzpolitik, Bürgerrechte und die Machtfrage. dtv, Berlin 2012, ISBN 978-3-423-24925-6.
  • mit Andre Meister (Hrsg.): Jahrbuch Netzpolitik 2012. epubli, Berlin 2012, ISBN 978-3-8442-4234-8. (Volltext als PDF)
  • mit Andre Meister (Hrsg.): Überwachtes Netz: Edward Snowden und der größte Überwachungsskandal der Geschichte. newthinking communications, Berlin 2013, ISBN 978-3-944622-02-6. (Freier Volltext: als PDF; als AZW3, EPUB)
  • Grundrechte im digitalen Zeitalter. In: J. Dahm, F. Decker, T. Hartmann (Hrsg.): Utopien. Für ein besseres Morgen. Dietz Verlag, Bonn 2020, S. 181–196.

Literatur

Weblinks

Commons: Markus Beckedahl – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Zur Person: Markus Beckedahl Welt Kompakt, 16. April 2012
  2. netzpolitik.org: Markus Beckedahl: Der Profi-Blogger. Abgerufen am 7. Mai 2019.
  3. Abfrage unter https://www.unternehmensregister.de/ureg/
  4. a b Markus Beckedahl: „Netzpolitik.org ist ein Open-Source-Geschäftsmodell.“ 10. Mai 2010, archiviert vom Original am 14. Februar 2011; abgerufen am 9. Juli 2015.
  5. a b c d e f g Markus Beckedahl: Was ich mache. (Nicht mehr online verfügbar.) In: beckedahl.org. Archiviert vom Original am 18. Januar 2016; abgerufen am 5. Februar 2016.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/beckedahl.org
  6. Leben im Netz, Treffen in der Wirklichkeit (Memento vom 17. April 2010 im Internet Archive)
  7. a b c MitarbeiterInnen. In: newthinking.de. Archiviert vom Original am 5. Februar 2016; abgerufen am 5. Februar 2016 (amerikanisches Englisch).
  8. FAQ – Fragen und Antworten. In: netzpolitik.org. Abgerufen am 14. April 2019.
  9. a b Klinkenputzen für ein freies Internet, auf taz.de, 1. September 2008 (zuletzt abgerufen: 14. Juni 2013)
  10. Kurzvorstellung Beckedahl, re-publica.de, 2008. Archiviert vom Original am 23. Oktober 2008; abgerufen am 9. Juli 2015.
  11. Website WSIS-Koordinierungskreis. Archiviert vom Original am 20. August 2007; abgerufen am 20. September 2008.
  12. Charta der Bürgerrechte für eine nachhaltige Wissensgesellschaft (Memento vom 20. Februar 2009 im Internet Archive) (PDF; 1,4 MB), Heinrich-Böll-Stiftung 2003/2005 (zuletzt abgerufen: 20. September 2008)
  13. Demonstrationsaufruf mit Unterstützerliste
  14. 5. Kurzstudie zu "Politik im Web 2.0" (Memento vom 14. Juli 2009 im Internet Archive), newthinking communications, 19. August 2009.
  15. Mitarbeiter (Memento vom 17. März 2010 im Internet Archive), newthinking-communications.de (zuletzt abgerufen am 23. März 2010)
  16. gruene-bundestag.de (Memento des Originals vom 17. April 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gruene-bundestag.de, Grüne benennen Sachverständige für Enquete-Kommission, 23. März 2010.
  17. Digitale Gesellschaft: Mitglieder, aufgerufen am 16. Dezember 2011.
  18. Ole Reißmann: Schöne Grüße, Ihre Internet-Lobby, Spiegel Online, 15. April 2010.
  19. Vorstand des Netzwerk Neue Medien e.V. i.Gr. Archiviert vom Original am 6. September 2012; abgerufen im Jahr 2008.
  20. Markus Beckedahl, gruene-jugend.de. Archiviert vom Original am 1. Februar 2009; abgerufen am 9. Juli 2015.
  21. „Die Freiheit des Netzes ist so bedroht wie nie zuvor“ (Memento vom 22. Mai 2009 im Internet Archive), t3n-Interview (zuletzt abgerufen: 23. Juni 2009)
  22. Bahn geht gegen Weblog vor Focus vom 3. Februar 2009.
  23. Stern: "Die müssen uns ernst nehmen" vom 5. Februar 2009.
  24. http://www.wsj.com/articles/german-prosecutor-says-justice-ministry-hindering-treason-investigation-of-journalists-1438690717
  25. https://www.techdirt.com/articles/20150804/10284931846/german-justice-minister-fires-top-prosecutor-over-treason-probe-into-journalists-after-war-words.shtml
  26. Was ist iRights.info? – Beirat. In: iRights - Kreativität und Urheberrecht in der digitalen Welt. Abgerufen am 5. Februar 2016 (deutsch).