Markus Theunert

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Markus Theunert (2012)

Markus Theunert (* 25. Januar 1973 in Basel) ist einer der bekanntesten Vertreter der Schweizer Männerbewegung und war der erste staatliche Männerbeauftragte im deutschen Sprachraum.

Leben

Theunert studierte Psychologie und Soziologie an den Universitäten Basel und Bern. Im Jahr 2000 gründete er die Schweizer Männerzeitung.[1] Von 2005 bis 2016 war er Gründungspräsident des Dachverbands Schweizer Männer- und Väterorganisationen, männer.ch.[2] Er ist Mitinitiant des Schweizer Vätertags und war 2007 bis 2012 Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen.[3]

Vom 1. bis 24. Juli 2012 wirkte er als Männerbeauftragter des Kantons Zürich an der Fachstelle für Gleichstellung von Frau und Mann.[4] Der Kanton Zürich ist mit der Schaffung der Stelle eines Männerbeauftragten das erste Gemeinwesen im deutschen Sprachraum, das für die spezifischen gleichstellungspolitischen Herausforderungen von Jungen, Männern und Vätern eine eigene Funktion geschaffen hat. Nach einer Polemik über ein altes sexualpolitisches Positionspapier von männer.ch wurde Theunert bereits nach drei Wochen vor die Wahl gestellt auf die aktive Mitarbeit bei männer.ch zu verzichten – oder die Arbeit als Männerbeauftragter niederzulegen; daraufhin verliess er die kantonale Stelle.[5]

Er arbeitete danach als Generalsekretär von männer.ch und seit 2017 als Leiter des Schweizerischen Instituts für Männer- und Geschlechterfragen (SIMG), einer rechtlich eigenständigen Fachstelle, welche eng mit männer.ch verbunden ist.[6]

Positionierung

Markus Theunert zählt zu den Vordenkern der politischen Männerbewegung im deutschsprachigen Raum.[7][8] Er ist Herausgeber des Sammelbands Männerpolitik. Was Jungen, Männer und Väter stark macht.[9] Darin entwickelt er u. a. ein Rahmenkonzept, das männerpolitische Legitimation, Zielgruppen, Themen und Akteure systematisiert.

„Um das Projekt Gleichstellung 40 Jahre nach dem Beginn der Frauenbewegung zu Ende zu bringen, müsse die Geschlechterpolitik nämlich heute auf die Bedürfnisse von Männern, Jungen und Vätern ausgerichtet und institutionell verankert werden, so die zentrale Forderung des Buches.“[10] In seinem Buch Co-Feminismus. Wie Männer Gleichstellung sabotieren – und was Frauen davon haben beleuchtet er insbesondere die Rolle der Männer in der Geschlechterpolitik.

Theunert positioniert sich als Vertreter einer gleichstellungsorientierten Männerbewegung und damit als Partner in einem Geschlechterdialog auf Augenhöhe.[11] Damit das Projekt Gleichstellung gelinge, bedürfe es des eigeninitiativen Mitwirkens der Männer. „Deshalb darf man die Männer nicht als Helfershelfer für die weibliche Gleichstellung ansprechen, sondern man muss ihre Leidenschaft wecken.“[10] Dafür brauche es eine doppelte Emanzipation der Männer: gegenüber überholten Männlichkeitsnormen einerseits, gegenüber der gleichstellungspolitischen Definitionsmacht der Frauen andererseits.[8] In seinem männerpolitischen Rahmenkonzept beschreibt er Gleichstellungspolitik in der Konsequenz als dialogische Verbindung eigenständiger frauen- und männerpolitischer Teilstrategien. Auf dieser Basis fordert er die Verankerung eines neuen relationalen Gleichstellungsparadigmas[9] und die Überwindung eines rein quantitativen und vergleichenden Gleichstellungsdiskurses: „Solange wir darum streiten, welchem Geschlecht das gesellschaftliche Korsett mehr zusetzt, zurren wir die Korsette selber enger. Weder Männer noch Frauen sind allein Täter oder Opfer, Profiteure oder Verlierer.“[12]

Kritik

Theunerts Ernennung zum Männerbeauftragten und der kurz darauf erfolgte Rücktritt wurden von der nationalen und internationalen Presse ausführlich kommentiert.[13][14][15][16]

Während Alice Schwarzer Theunert attestierte, „lauter kluge Sachen“ zu äussern,[17] wurde von Seiten der staatlichen Gleichstellungsarbeit u. a. die Notwendigkeit der Funktion eines Männerbeauftragten kritisch hinterfragt.[18] Ablehnend äussert sich die antifeministische Männerrechtsbewegung (von der sich Theunert selbst seinerseits deutlich distanziert)[19] über seine gleichstellungspolitischen Perspektiven. So kritisiert der antifeministische Blog Söhne des Perseus, Theunert sei eine „Marionette als dringend benötigte, männliche Legitimitätsfassade“ für den „schweizerischen Staatsfeminismus“.[20]

Das in Theunerts Publikationen ausgearbeitete Konzept der „Männerpolitik“ stößt auf einige fachliche Kritik. Männerpolitik grenze sich gegenüber vorheriger Geschlechterpolitik ab und behaupte innovativ zu sein, dabei würden jedoch in Lagebeschreibung und Selbstwahrnehmung die geschlechterpolitischen Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte nicht wahrgenommen. Männerpolitik kopple sich von den gleichstellungspolitisch etablierten Zielkonzepten ab sowie von den Entwicklungen im nicht-deutschsprachigen Ausland wie beispielsweise dem weiter am Gender-Mainstreaming-Gedanken orientierten „involving men“-Ansatz. Der Männerpolitik-Ansatz sei strukturell kurzsichtig und biete wenig Verständnis für und Anknüpfungsfähigkeit an die Logiken politischer Gestaltung oder organisationaler Veränderungsprozesse.[21] Der „state of the art“ des Querschnittsansatzes tauche nicht auf, womit ein Verlust an Verbindlichkeit, Zielorientierung, fachlicher Ausdifferenzierung und rechtlicher und politischer Verankerung einhergehe.[22] Durch verkürzte Darstellung werde Frauenpolitik zum Popanz stilisiert,[23] dies könne antifeministische Aufrechnungsargumentationen unterstützen.

Das von Theunert entwickelte Modell zur männlichen Fürsorge umfasse auch die tradierte Familienernährer-Funktion. Die damit implizierte Gleichrangigkeit widerspricht feministischen Stimmen, die gerade unentgeltlich erbrachte Fürsorge von Frauen skandalisieren.[24]

Veröffentlichungen

  • Markus Theunert (Hrsg.): Männerpolitik. Was Jungen, Männer und Väter stark macht. Wiesbaden: Springer VS 2012, ISBN 978-3-531-18419-7
  • Markus Theunert: Co-Feminismus : Wie Männer Emanzipation sabotieren – und was Frauen davon haben. Bern : Verlag Hans Huber 2013, ISBN 978-3-456-85280-5
  • Zusammen mit Matthias Luterbach: Mann sein ...!? Geschlechterreflektiert mit Jungen, Männern und Vätern arbeiten. Ein Orientierungsrahmen für Fachleute, Weinheim : Juventa Verlag 2021, ISBN 978-3-7799-6438-4 (Inhaltsverzeichnis)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.maennerzeitung.ch/
  2. Markus Gygli ist neuer männer.ch Präsident, Medienmitteilung vom 23. Januar 2016, abgerufen am 23. Januar 2016.
  3. Markus Theunert, Co-Feminismus : Wie Männer Emanzipation sabotieren - und was Frauen davon haben. Bern 2013, S. 192, Rücktrittsschreiben vom 14. Dezember 2012
  4. (Memento des Originals vom 29. Juli 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.beobachter.ch
  5. Marcel Gyr: Fallengelassen. In: nzz.ch. 24. Juli 2012, abgerufen am 14. Oktober 2018.
  6. Institut SIMG. Abgerufen am 4. Januar 2020.
  7. http://www.blick.ch/news/schweiz/frauenfoerderung-bringt-nichts-id2199139.html "Er ist der bekannteste Männerpolitiker in der Schweiz."
  8. a b Dorothee Vögeli: Jetzt folgt die Emanzipation der Männer. In: nzz.ch. 23. Mai 2012, abgerufen am 14. Oktober 2018.
  9. a b Theunert, Markus (Hrsg.). Männerpolitik. Was Jungen, Männer und Väter stark macht. Wiesbaden: Springer VS 2012, ISBN 978-3-531-18419-7
  10. a b http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/diverses/Wehrt-euch-Maenner/story/11441560
  11. Theunert, Markus (2012). Männerpolitik(en): ein Rahmenkonzept. In: Theunert, Markus (Hrsg.). Männerpolitik. Was Jungen, Männer und Väter stark macht, S. 13–54. Wiesbaden: Springer VS 2012, ISBN 978-3-531-18419-7
  12. Markus Theunert: Gleichstellung: Liebe Alice Schwarzer! In: Die Zeit. Nr. 21/2012 (online).
  13. http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/stadt/Zuerich-hat-den-ersten-Maennerbeauftragten-der-Schweiz/story/26728753
  14. http://bazonline.ch/leben/gesellschaft/Ich-moechte-die-Leidenschaft-der-Maenner-wecken/story/26969418
  15. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 27. Januar 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.emma.de
  16. jh: „In die Boulevardfalle getappt“: Männerbeauftragter in der Schweiz tritt zurück. In: Focus Online. 24. Juli 2012, abgerufen am 14. Oktober 2018.
  17. http://www.derbund.ch/schweiz/standard/Frauen-sollten-auch-mal-zuerst-kuessen/story/28937231
  18. http://www.beobachter.ch/arbeit-bildung/artikel/gleichstellung_muss-jetzt-ein-mann-ran/
  19. http://www.maenner.ch/sites/default/files/referat_theunert_antifeminismus_250611_0.pdf@1@2Vorlage:Toter Link/www.maenner.ch (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  20. Eintrag vom 18. März 2012,http://sonsofperseus.blogspot.com/2012/03/theunert-wird-erster-mannerbeauftragter.html
  21. Geppert, Jochen/Scheele, Sebastian: Agenten des Wandels – Männer und Gender Mainstreaming. In: Jansen, Mechthild M./Röming, Angelika/ Rohde, Marianne (Hrsg.): Männer Frauen Zukunft. Ein Genderhandbuch. Olzog Verlag, München 2013, ISBN 978-3-7892-8283-6, S. 119–142.
  22. Scheele, Sebastian: Caring Masculinities als identitätspolitische Strategie? Einige skeptische Thesen zum transformativen Potential. In: Scholz, Sylka/Heilmann, Andreas (Hrsg.): Caring Masculinities? Männlichkeiten in der Transformation kapitalistischer Wachstumsgesellschaften. Oekom-Verlag, München 2019, ISBN 978-3-96238-120-2, S. 147–157.
  23. Schölper, Dag: Nachdenken über Männerpolitik – Oder: Männlichkeiten im Spiegel des Politischen – Politiken im Spiegel der Männlichkeiten. In: Heinrich-Böll-Stiftung/Forum Männer in Theorie und Praxis der Geschlechterverhältnisse (Hrsg.): Männerpolitik(en) – Dokumentation einer Fachtagung am 30.6./1.7.2006 in Berlin. Berlin 2007, S. 11–18.
  24. Heilmann, Andreas/Korn, Aaron/Scholz, Sylka: Vom Wachstum zur Fürsorge? Männlichkeiten in der Transformation kapitalistischer Wachstumsgesellschaften. In: Scholz, Sylka/Heilmann, Andreas (Hrsg.): Caring Masculinities? Männlichkeiten in der Transformation kapitalistischer Wachstumsgesellschaften. Oekom-Verlag, München 2019, S. 13–40.