Massaker am Padule di Fucecchio

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Das zentrale Denkmal aus Carrara-Marmor bei Castelmartini (Larciano), das am 16. September 2002 vom italienischen Staatspräsidenten Carlo Azeglio Ciampi eingeweiht wurde.

Das Massaker am Padule di Fucecchio (Padule di Fucecchio = ‚Sumpf von Fucecchio‘) ereignete sich am 23. August 1944 in einem Sumpfgebiet am Arno, das zwischen den italienischen Provinzen Pistoia und Florenz in der Toskana liegt. Es ist nach der Stadt Fucecchio benannt, das am Rand des Sumpfs liegt. Das Massaker, das Einheiten der 26. Panzer-Division verübten, kostete 174 Zivilpersonen das Leben.

Vorgeschichte

Ab Mitte Juli 1944 hatte die Vorwärtsbewegung der Alliierten in der Toskana am Arno gestoppt. Südlich des Sumpfgebiets lagen die Streitkräfte der Alliierten und nördlich die 26. Panzer-Division der Wehrmacht. In dem Sumpf hatten geflüchtete Männer und Frauen Schutz vor kriegerischen Handlungen gesucht und lebten zum Teil in Schilfhütten. Die Wehrmacht bereitete sich auf einen weiteren Rückzug bis zur Gotenstellung vor. Dabei wollte sie keinesfalls von den Einheimischen und Flüchtlingen angegriffen werden, unter denen sie Partisanen vermutete.[1][2]

Massaker

Karte von Orten, an denen die Opfer des Massakers gefunden wurden

Früh am Morgen des 23. August 1944 begannen die Aufklärungsabteilung 26, das Panzergrenadier-Regiment 9 und Pionier-Bataillon 93 der 26. Panzer-Division eine sogenannte „Säuberung des Bandengebiets“, die ein Angriff auf die Zivilbevölkerung war. Das Operationsgebiet umfasste neben den Sumpfrändern die Orte Monsummano Terme, Larciano, Ponte Bugginianese, Cerreto Guidi und Fucecchio. Der General Eduard Crasemann der 26. Panzer-Division hatte Hauptmann Josef Strauch mit der Durchführung des Massakers beauftragt.

Kleine Patrouillen der Aufklärungsabteilung der 26. Panzer-Division durchsuchten die Ränder des Sumpfs, wo die meisten Zivilisten getötet wurden. Artillerie feuerte ins Schilf und auf am Sumpfrand stehende Gebäude, die in Brand gesetzt wurden. Diejenigen Menschen, die in Häusern angetroffen wurden, wurden erschossen, nur wenigen Menschen gelang die Flucht. Es gab nur wenige Ausnahmen für jüngere Männer, die überlebten, wenn sie als Munitionsträger Verwendung fanden. Gefangene wurden sofort erschossen, sofern sie Waffen bei sich hatten. Im Süden des Sumpfs wurden Panzer eingesetzt und Gebäude beschossen. In einigen Fällen wurden die Leichen von Frauen und Kindern mit Stroh bedeckt und angesteckt.[3]

Es fanden unmenschliche Gräueltaten statt, einer blinden und gehörlosen Frau wurde eine Granate in die Tasche ihrer Schürze gesteckt und gezündet, auch ein Fall von Nekrophilie wurde bekannt. Im Gebiet von Angions kollaborierten lokale Faschisten mit der Wehrmacht, aber auch bei Monsummano Terme und Larciano. Anfänglich wurden die Leichen von Soldaten zu Massengräbern transportiert, aber auch von Familienmitgliedern oder Pfarrern. Es soll auch deutsche Soldaten gegeben haben, die sich um Verletzte gekümmert haben. Das Massaker war am frühen Nachmittag gegen 14:00 Uhr beendet.[2]

Opfer

Es waren insgesamt 174 Opfer zu beklagen:

  • 113 männliche Opfer, darunter 13 Kleinkinder, 4 Jugendliche und 96 Erwachsene (darunter 31 über 55 Jahre alte Männer)
  • 61 weibliche Opfer, darunter 10 Kleinkinder, das jüngste davon nur wenige Wochen alt, 6 Jugendliche, 45 Erwachsene (darunter 6 über 55 Jahre alte Frauen)

Die Opferzahlen nach Ortenstellen stellen sich wie folgt dar: Monsummano Terme 64,[4] Larciano 47,[5] Ponte Buggiane 32,[6] Cereto Guidi 24,[7] Fucecchio 7.[8]

Strafverfolgung

Die 26. Panzerdivision wurde bis Juli 1944 von Generalleutnant Freiherr Smilo von Lüttwitz kommandiert und diese Division war bis zu diesem Massaker nicht durch die Begehung von Kriegsverbrechen bekannt geworden. Nachdem von Lüttwitz durch den damals im Range eines Obersten stehenden 48-jährigen Eduard Crasemann abgelöst worden war, befasste sich der Divisionsstab mit Plänen zur sogenannten Bandenbekämpfung. Crasemann übergab dem 34 Jahre alten Kommandeur der Aufklärungsabteilung Rittmeister Strauch das Kommando für die militärische Operation am 23. August 1944. Wie dieser Befehl lautete war in den Verhandlungen Gegenstand von gegenseitigen Beschuldigungen und konnte nicht abschließend geklärt werden. Zweifelsfrei hauptverantwortlich für das Massaker waren Crasemann und Strauch.[9]

Urteil in Padua

General Eduard Crasemann wurde im April 1947 von einem britischen Militärgericht in Padua zur Verantwortung gezogen. Zu diesem Prozess war Josef Strauch als Zeuge geladen. Crasemann stellte die Behauptung auf, dass das Massaker durch die Verkettung unglücklicher Umstände entstanden sei, er sei schuldlos. Strauch seinerseits gab an, dass er persönlich von Crasemann zur Bandenvernichtung angewiesen worden sei und bis zum Schluss versucht habe ihn umzustimmen, was auch Zeugen bestätigten. Das Gericht glaubte Crasemann nicht und er wurde zu zehn Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Er starb im Jahr 1950 im Militärgefängnis in Werl.

Urteil in Florenz

Rittmeister Josef Strauch kam vor das Militärgericht Florenz und wurde zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Das Urteil bestätigte das Oberste Militärgericht am 13. September 1949. Bereits im Frühjahr wurde er entlassen. Dies geschah auf Intervention der Regierung Konrad Adenauer beim italienischen Staatspräsidenten Luigi Einaudi, der ihn begnadigte.[10]

Urteile in Rom

Gegen Hauptmann Ernst August Arthur Pistor, Oberstabsfeldwebel Fritz Jauss und Unteroffizier Johann Robert Riss leitete die Militärstaatsanwaltschaft von La Spezia Ermittlungsverfahren ein. Das Militärgericht in Rom verurteilte am 25. Mai 2011 alle Angeklagten zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe (Pistor verstarb im Juli 2011). Die Urteile wurden am 15. November 2012 vom Berufungsgericht in Rom bestätigt.[2]

Ablehnung einer Vollstreckung in Deutschland

Das Amtsgericht Kempten lehnte den Antrag auf Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe gegen Riss im April 2015 ab (Pistor und Jauss waren inzwischen verstorben). Die zuständige Richterin kam zu diesem Urteil, da das italienische Urteil auf der Grundlage von Vermutungen erfolgt sei, die auf der Zugehörigkeit zu einer Abteilung und dem militärischen Grad beruhten. Darüber hinaus wären die Verteidigungsrechte der Angeklagten beeinträchtigt gewesen. Dieses Urteil erging, obwohl sich die italienischen Urteile in der Sache auf je einer britischen und einer US-amerikanischen Ermittlung stützten.[2]

Gedenken

Tafel mit Namen der Opfer in Castelmartini, Larciano

Da die Truppen weiträumig agierten, gibt es zahlreiche Orte und Plätze, an denen die Massaker stattfanden,[11] daher gibt zahlreiche Denkmale für die Opfer. Das Denkmal, das sich bei Castelmartini (Larciano) befindet und am 16. September 2002 vom italienischen Staatspräsidenten Carlo Azeglio Ciampi eingeweiht wurde, bildet die zentrale Gedenkstätte.

Am Casa Simoni bei Monsummano Terme befindet sich eine Steintafel, die auf 23 Zivilisten verweist, die dort ermordet wurden.[12]

Literatur

  • Friedrich Andrae: Auch gegen Frauen und Kinder: der Krieg der deutschen Wehrmacht gegen die Zivilbevölkerung in Italien 1943–1945. Piper, München 1995, ISBN 3-492-03698-8.
  • Carlo Gentile: Wehrmacht und Waffen-SS im Partisanenkrieg: Italien 1943–1945. Schöningh, Paderborn 2012, ISBN 978-3-506-76520-8 (Univ., Diss., Köln 2008).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. The Massacre (englisch). auf eccidiopadulefucecchio. Abgerufen am 5. November 2019
  2. a b c d Padule di Fucecchio (italienisch), auf Straginazifasciste. Abgerufen am 12. November 2019
  3. Carlo Gentile: Wehrmacht und Waffen-SS im Partisanenkrieg: Italien 1943–1945. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2012, ISBN 978-3-506-76520-8, S. 385–388.
  4. Monsummano Terme (italienisch). Abgerufen am 6. November 2019
  5. Larciano(italienisch). Abgerufen am 6. November 2019
  6. Ponte Buggiane (italienisch). Abgerufen am 6. November 2019
  7. Cereto Guidi (italienisch). Abgerufen am 6. November 2019
  8. Fucecchio (italienisch). Abgerufen am 6. November 2019
  9. Carlo Gentile: Wehrmacht und Waffen-SS im Partisanenkrieg: Italien 1943–1945. Schöningh, Paderborn 2012, ISBN 978-3-506-76520-8. S. 382/383
  10. Carlo Gentile: Wehrmacht und Waffen-SS im Partisanenkrieg: Italien 1943–1945. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2012, ISBN 978-3-506-76520-8. S. 384
  11. Karte der Orte der Kriegsverbrechen (italienisch), auf Eccidiopadulefucecchio. Abgerufen am 6. November 2019
  12. Monsummano Terme (italienisch), auf Eccidiopadulefucecchio. Abgerufen am 6. November 2019

Koordinaten: 43° 48′ 0,7″ N, 10° 48′ 3,2″ O