Matronae Hamavehae

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Die Matronae Hamavehae sind Matronen, die in einer Inschrift eines Votivsteins aus Inden-Altdorf, Kreis Düren am Niederrhein überliefert sind. Der Beiname wird mit dem Namen des germanischen Volks der Chamaver verbunden. Der Stein wird auf die Zeit des 2. bis 3. Jahrhunderts datiert.

Auffindung und Inschrift

Der Stein wurde 1582 in Altdorf (heute abgebaggerte Wüstung des Tagebau Inden) gefunden, beziehungsweise nach den ältesten Angaben beim Ackern ausgepflügt. Im Jahr 1590 erfolgte ein erster schriftlicher Beleg des Fundes und über die Fundumstände. Über lange Zeit befand sich der Votivstein im Besitz (Sammlung) der Grafen von Manderscheid zu Blankenheim, gelangte dann in den musealen Besitz der Stadt Köln und befindet sich heute im Depot des Stadtgeschichtlichen Museums Jülich.[1]

Der aus Sandstein gefertigte Stein (mit bisher nicht publizierten Maßen) zeigt über einem schmalen Sockel eine fünfzeilige Inschriftentafel, darüber die Nische mit einem Tondo zentriert über den üblich sitzenden drei Matronen, deren beiden äußere Hauben tragen. An beiden Seitenflächen ist über einem Blattdekor jeweils ein Opferdiener auf einem Akanthussockel abgebildet. Die Inschrift in üblicher Capitalis ist kaum gestört und klar lesbar bis auf den Beinamen, der durch den Zeilenumbruch und den linksseitigen Materialabbruch sowie abweichende Buchstabenformen (vom 5. bis 7. Typen) Hama-veh-is in der Lesbarkeit beeinträchtigt ist.

„Matronis Hama/vehis C(aius) Iulius / Primus et C(aius) Iulius / Quartus ex i[m]perio / ipsarum [v(otum) s(olverunt)] l(ibentes) m(erito)[2]

„Den Matronen Hamavehae haben Gaius Julius Primus und Gaius Julius Quartus auf deren Geheiß das Gelübde bereitwillig und nach Gebühr eingelöst“

Die Inschrift ist gekennzeichnet durch eine übliche Formel des niederrheinischen Katalogs der Votivinschriften (nicht nur im Kontext der Matronenverehrung) und zählt durch die ex imperio-Formel (d. h. „auf Geheiß/Anweisung der Matronen“) zur Gruppe der „Offenbarungs-Inschriften“.[3] Neben den auffälligen Beinamen ist der Name des Stifters Gaius Julius Primus von Bedeutung. Denn ein Gaius Iulius Primus ist mit identischer Formel auch als Dedikant für die Matronae Grusduahenae aus Inden-Altdorf belegt. Durch den lokalen Bezug kann es sich um dieselbe Person handeln, wobei dieser Namenszug aus weiteren Inschriften der römischen Rheinprovinzen bekannt ist.[4] Des Weiteren besteht die Möglichkeit durch dieselben Vornamen der Dedikanten, dass es sich um Brüder handelt.[5] Neben dem Beleg aus Inden-Altdorf werden zwei weitere Inschriften aus Merzenich und Thorr als Belege für die Matronae Hamavehae gelesen.[6] Da diese Inschriften jedoch durch Abbrüche, Abriebe und anderen Störungen des Schriftbilds nur durch erhebliche Konjekturen herstellbar sind, muss der Beleg aus Altdorf als der bislang einzige für die Matronae Hamavehae gelten.

Beiname und Deutung

Seit Jacob Grimm wird der Beiname Hamavehae mit dem protofränkischen westgermanischen Volk der Chamaver in Verbindung gebracht.[7] Günter Neumann führt in seiner Untersuchung der Matronen-Beinamen den Beleg der M. Hamavehae neben anderen als ein Beispiel eines Bildungstyps auf Basis einer Ableitung von einem Ethnonym. Ebenfalls verbindet Piergiuseppe Scardigli Hamavehae mit dem Gau der Chamaver an der IJssel (Tacitus, Annales 13, 55).[8] Neumann zeigt, dass diese Matronenbeinamen bis auf das Genus mit dem Stammesnamen formidentisch erscheinen.[9] Beim Beleg der Hamavehae ist der Stammesname Chamavi abweichend suffixal erweitert worden. Des Weiteren vermutet er im Beinamen einen Gruppennamen germanisch *Hamawiz und zieht die mittelalterlichen Gaunamen aus der Region um das niederländische Deventer Hamaland, oder Hameland hinzu. Eine in der Forschung anerkannte zufriedenstellende Etymologie des Beinamens steht bisher noch aus.[10] Jürgen Udolph setzt hierzu eine neue Etymologie für Hamaland an und vulgo für Chamavi, ausgehend von deutschen und englischen Ortsnamenbelegen setzt er für das Bestimmungswort hama- eine Wurzel *ham- mit der Bedeutung „Winkel, winkelförmiges Terrain an Flüssen, Bucht“ an.[11]

Für die M. Hamavehae sieht Neumann den Grund in der Benennung darin liegen, dass die Matronen im Gebiet der (rechtsrheinischen) Chamaver zu Hause waren oder optional, dass Kleinstgruppen der Chamaver um ein Matronenheiligtum in der Germania inferior siedelten. Nach Wolfgang Spickermann zeigt die Matronenverehrung in der Region, dass eine „Gruppenidentität von Kleingruppen wie der Sippenverbände“ im engen Kontext steht.[12] Für den Raum Inden wird in der heutigen Wüstung Geuenich ein Heiligtum angenommen. Karl Helm hat den Bildungstyp als eine Form der gentilen Schutzgottheiten nach keltischem Vorbild, beziehungsweise Einfluss bewertet.[13]

Siehe auch

Literatur

  • Thomas Franke: Ein Matronenheiligtum in Inden-Pier, Kreis Düren. In: Bonner Jahrbücher. Band 199, 1999, S. 117–140; hier S. 135–136, Nr. 12, Abb. 20–22.
  • Brigitte Galsterer, Hartmut Galsterer: Die römischen Steininschriften aus Köln. IKöln². (= Kölner Forschungen. Band 10). unter Mitwirkung von Stefan Breuer, Bettina Goffin, Michael Herchenbach, Stephan Meusel, Sabine Schmall und Stefan Schrumpf. Philipp von Zabern, Mainz 2010, ISBN 978-3-8053-4229-2, S. 141f. Nr. 147.
  • Siegfried Gutenbrunner: Die germanischen Götternamen der antiken Inschriften. Max Niemeyer, Halle/S. 1936, S. 169–170, 216.
  • Max Ihm: Der Mütter- oder Matronenkultus und seine Denkmäler. In: Bonner Jahrbücher. Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande. 83 (1887), S. 151. (Internet Archive)
  • Andreas Kakoschke: Annotationes Epigraphicae V. Zu einigen Inschriften aus den römischen Provinzen Germania inferior und Germania superior. In: Frankfurter elektronische Rundschau zur Altertumskunde 30, 2016, S. 1–25, hier S. 3–4.
  • Günter Neumann, Harald von Petrikovits: Chamaver. In: Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer (Hrsg.): Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. 2. neue erweiterte Auflage. Band 4. de Gruyter, Berlin u. a. 1981, ISBN 3-11-006513-4, S. 368–370 (kostenpflichtig Germanische Altertumskunde Online bei De Gruyter online).
  • Günter Neumann: Die germanischen Matronenbeinamen [Matronen und verwandte Gottheiten (1987), S. 103–132. Beihefte der Bonner Jahrbücher 44]. In: Astrid van Nahl, Heiko Hettrich (Hrsg.): Günter Neumann – Namenstudien zum Altgermanischen (= Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde). Band 59. de Gruyter, Berlin u. a. 2008, ISBN 978-3-11-020100-0, S. 263 (kostenpflichtig Germanische Altertumskunde Online bei De Gruyter online).
  • Hermann Reichert: Lexikon der altgermanischen Namen, Band I, Teil 1: Textband. (= Thesaurus Palaeogermanicus. 1,1). Unter Mitarbeit von Wilibald Kraml. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1987, ISBN 3-7001-0931-8, S. 418.
  • Hermann Reichert: Lexikon der altgermanischen Namen, Band I, Teil 2: Registerband. (= Thesaurus Palaeogermanicus. 1, 2). Unter Mitarbeit von Robert Nedoma. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1990, ISBN 3-7001-1718-3, S. 534.
  • Rudolf Simek: Lexikon der germanischen Mythologie (= Kröners Taschenausgabe. Band 368). 3., völlig überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2006, ISBN 3-520-36803-X, S. 166–167.

Weblinks

Anmerkungen

  1. Galsterer/Galsterer: Die römischen Steininschriften aus Köln. IKöln². Mainz 2010, S. 141 (ebenso Galsterer/Meusel in R.I.D.24.de, ID-Nr. 820), geben das Fundjahr nach CIL mit 1582 an (CIL 13, 7864 Arachne DFG-Viewer). Die Epigraphische Datenbank Heidelberg verzeichnet abweichend das Jahr 1552.
  2. CIL 13, 7864
  3. B. H. Stolte: Die religiösen Verhältnisse in Niedergermanien. In: Wolfgang Haase (Hrsg.): Aufstieg und Niedergang der römischen Welt Band II 18, 1 Religion (Heidentum: Die religiösen Verhältnisse in den Provinzen). de Gruyter, Berlin/ New York 1986, ISBN 3-11-010050-9, S. 662–665.
  4. Robert Nedoma: Matronae Grusduahenae. In: Beiträge zur Namenforschung NF 49, 4, 2014, S. 441–449; hier S. 442.
  5. Brigitte Galsterer, Hartmut Galsterer: Die römischen Steininschriften aus Köln. IKöln². Mainz 2010, S. 142.
  6. CIL 13, 7874, CIL 13, 12072
  7. Jacob Grimm: Geschichte der deutschen Sprache. S. Hirzel, Stuttgart 1868, S. 408.
  8. Piergiuseppe Scardigli: Sprache im Umkreis der Matroneninschriften. In: Heinrich Beck (Hrsg.): Germanische Rest- und Trümmersprachen (= Reallexikon der Germanischen Altertumskunde - Ergänzungsbände). Band 3. De Gruyter, Berlin u. a. 1989, ISBN 3-11-086471-1, S. 143–156; hier S. 149. (online – kostenpflichtiger Zugang).
  9. Matribus meis [Ger]manis Suebis CIL 13, 8224; Matribus Frisavis paternis CIL 13, 8633; Matribus [M]arsacis paternis sive maternis CIL 13, 8630; Matribus paternis Kannanef[atibus] CIL 13, 8219
  10. Alexander Sitzmann, Friedrich E. Grünzweig: Altgermanische Ethnonyme. Ein Handbuch zu ihrer Etymologie unter Benutzung einer Bibliographie von Robert Nedoma. Herausgegeben von Hermann Reichert. (= Philologica Germanica, 29), Fassbaender, Wien 2008, ISBN 978-3-902575-07-4, S. 87.
  11. Jürgen Udolph, Anna Wirtz: Hamaland. In: Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer, Dieter Timpe (Hrsg.): Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 13. De Gruyter, Berlin u. a. 1999, ISBN 3-11-016315-2, S. 469 f. (online – kostenpflichtiger Zugang).
  12. Wolfgang Spickermann: Kultorganisation und Kultfunktionäre im Gebiet der Colonia Ulpia Traiana Wichtiges. In: Thomas Grünewald (Hrsg.): Germania inferior. Besiedlung, Gesellschaft und Wirtschaft an der Grenze der römisch-germanischen Welt (= Reallexikon der Germanischen Altertumskunde - Ergänzungsbände). Band 28. De Gruyter, Berlin u. a. 2001, ISBN 3-11-016969-X, S. 215 (online – kostenpflichtiger Zugang).
  13. Karl Helm: Altgermanische Religionsgeschichte. Band 1, Universitätsverlag Winter, Heidelberg 1913, S. 402f.