Mauren

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Als Mauren (spanisch moros) werden all jene in Nordafrika – teilweise als Nomaden – lebenden Berberstämme verstanden, die vom 7. bis ins 10. Jahrhundert von den Arabern islamisiert wurden und diese bei ihrer Eroberung der Iberischen Halbinsel als kämpfende Truppe unterstützten. Doch ist damit keine homogene Volksgruppe gemeint – die Truppen, die als erste auf das europäische Festland vordrangen, bestanden nur zur Minderheit aus Arabern; der größte Teil der Truppen bestand aus Berbern, die im Gebiet der heutigen Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko beheimatet waren. Im späteren Mittelalter, insbesondere seit der Zeit der Kreuzzüge, nannte man die Mauren vornehmlich „Sarazenen“.

Die Etymologie des Begriffs ist nicht endgültig geklärt. Neben der Herleitung von griechisch mauros „dunkel“ kommt auch die Herkunft aus einer nordafrikanischen Berbersprache in Betracht. Die Mauren waren ihrerseits Namensgeber für das antike Reich Mauretanien, die römischen Provinzen Mauretania Caesariensis und Mauretania Tingitana sowie für den modernen Staat Mauretanien.

Die Bezeichnung „Mohr“ ist im Althochdeutschen des 8. Jahrhunderts in der Form

mōr

belegt, im Mittelhochdeutschen als

mōr

oder

mōre

. Es bezeichnete zunächst einen Mauren, also einen „Bewohner Mauretaniens (Marokkos), Äthiopiens“, dann auch einen Menschen mit dunkler Hautfarbe, und ist eine Entlehnung aus lateinisch Maurus, „Bewohner der nordafrikanischen Provinz Mauretanien, Maure, Nordwestafrikaner“.[1]

Giralda von Sevilla (um 1195)

Geschichte

Nordafrika und al-Andalus

Im Altertum bewohnten zahlreiche Berberstämme den Norden Afrikas von der Atlantikküste bis zur Westgrenze des Pharaonenreiches, die Kanarischen Inseln und den Süden der iberischen Halbinsel. Die in Stämmen lebenden Berber stellten keine politische Einheit dar. Der hellenistische Einfluss, teils durch Griechen und Punier, führte im Westen Nordafrikas zur Herausbildung von neuen Herrschaften, die schließlich zu Klientelkönigreichen aufstiegen, so in Mauretanien und Numidien. Nach der Schlacht bei Thapsus 46 v. Chr. ging Numidien in die Provinz Africa auf. Die römische Provinz stellte in der Kaiserzeit Soldaten für die Auxiliartruppen, zumeist als leichte Kavalleristen. Das Pferd war das bevorzugte Reittier in Nordafrika und es bestand lange vor der römischen Eroberung ein reger Pferdehandel mit Sizilien und Sardinien.

Trajansäule: Darstellung römischer Auxiliarreiter aus Numidien bei der Verfolgung dakerischer Fußsoldaten.

Die Römer wehrten im Westen des Reiches am Limes Mauretania die plündernden Marusier ab. Als in der Spätantike das weströmische Reich zerfiel, bildeten sich im 5. Jahrhundert mindestens sieben kleine maurische Kleinkönigreiche (regna). Die 429 n. Chr. eingefallenen Vandalen hatten ebenfalls ein eigenes Königreich errichtet, konnten jedoch die Berberfürsten im Atlas nicht kontrollieren. Die römischen Traditionen wurden weiter aufrechterhalten, so bezeichnete sich der christliche Berber Masties als Imperator seines im Osten des heutigen Algerien liegende Gebietes.[2] Der Exarchat von Karthago musste sich gleichzeitig gegen ihre Herrschaftsansprüche wehren.

Im späten 7. Jahrhundert gelang es den muslimischen Arabern die animistischen, jüdischen und mehrheitlich christlichen Berberstämme gegen den hartnäckigen Widerstand einiger Stämme zu einigen. Behilflich war ihnen wie einst bei der vandalischen Eroberung die Verbreitung endzeitlicher (Donatismus) und arianischer Vorstellungen im Westen Nordafrikas.

Im Jahr 711 drangen Mauren und Araber in das christliche Reich der Westgoten ein. Unter ihrem Anführer Tāriq ibn Ziyād brachten sie den größten Teil der Iberischen Halbinsel in einem achtjährigen Feldzug unter islamische Herrschaft. Die herrschenden Westgoten waren durch innere Konflikte geschwächt und hatten dem Ansturm der Mauren nicht viel entgegenzusetzen. Womöglich boten auch die unter den Westgoten teilweise unterdrückten Sepharden den einrückenden Mauren ihre Unterstützung an.

Beim Versuch, auch Gebiete nördlich der Pyrenäen zu erobern, wurden die Mauren allerdings vom fränkischen Hausmeier Karl Martell in der Schlacht von Tours und Poitiers (732) zurückgeschlagen. Bis zum Jahr 759 war die vollständige Vertreibung der Mauren nördlich der Pyrenäen mit der Eroberung der Küstenlandschaft Septimanien durch Pippin den Jüngeren vollzogen. Dennoch konnten die Mauren bis ins 10. Jahrhundert hinein in Südfrankreich operieren.

Das islamische al-Andalus (um 910)

Die Mauren herrschten mehrere Jahrhunderte lang über weite Teile der Iberischen Halbinsel und Nordafrikas. Im Jahr 750 wurde das Maurenreich durch einen Bürgerkrieg erschüttert. Das Land zerbrach in der Folge in zahlreiche islamische Lehen unter dem Kalifat von Córdoba. Im Rahmen der Reconquista dehnten die christlichen Reiche ihre Macht im Norden und Westen allmählich wieder über die ganze Iberische Halbinsel aus. Es entstanden die christlichen Königreiche Asturien, Galicien, León, Navarra, Aragón, Katalonien und Kastilien, später aus diesen Spanien und Portugal.

Die frühe Periode der arabisch-maurischen Herrschaft ist bekannt für die gegenseitige Toleranz und Akzeptanz, die Christen, Juden und Muslime einander entgegenbrachten. Im Jahr 1031 brach jedoch das Kalifat von Córdoba zusammen, und es bildeten sich die Taifa-Königreiche, die bald unter die Herrschaft nordafrikanischer Mauren kamen. In einem dieser Kleinreiche, dem schon 1019 gegründeten der Ziriden von Granada, kam es 1066 zum ersten Judenpogrom Europas. Mit der Zeit konzentrierte sich die Macht in den Händen der Berber-Dynastien der Almoraviden (ca. 1050–1147), Almohaden (1147–1269) und Meriniden (1269–1465).

Reconquista

Am 16. Juli 1212 vertrieb ein Bund christlicher Könige unter Führung Alfons VIII. von Kastilien in der Batalla de Las Navas de Tolosa die Muslime aus Zentralspanien. Dennoch gedieh das maurische Emirat von Granada unter den Nasriden weitere drei Jahrhunderte. Dieses Königreich wurde später für architektonisch-ästhetische Meisterleistungen wie die Alhambra bekannt. Am 2. Januar 1492 wurde Boabdil, der Führer der letzten muslimischen Hochburg, von den Truppen des vereinigten christlichen Spaniens besiegt. Die verbliebenen Muslime und alle spanischen Juden (Sephardim) mussten nach Erlass des Alhambra-Edikts Spanien verlassen oder zum Christentum konvertieren. Nachkommen der konvertierten Muslime wurden Moriscos genannt. Sie bildeten z. B. in Aragón, Valencia oder Andalusien einen wichtigen Anteil der bäuerlichen Bevölkerung, bis sie der Herzog von Lerma in den Jahren 1609–1615 endgültig vertrieb. Die meisten wanderten nach Nordafrika aus; einige ließen sich auch im Osmanischen Reich nieder. Wieder andere zogen als Fahrendes Volk (Zigeuner, Musikanten, Akrobaten, Moriskentänzer etc.) durch Europa.

Maurische Kunst

Definition

Unter „Maurischer Kunst“ wird gemeinhin die Kunst des islamischen Westens (Andalusien, Maghreb) verstanden. Streng genommen müsste man jedoch die Frühphase, d. h. die Mezquita de Córdoba noch der Tradition des islamischen Ostens (Damaskus) zurechnen. Stand die Islamische Kunst in ihrer Anfangszeit noch in hohem Maße unter antik-römischem bzw. byzantinischem Einfluss, so bildete sich im Westen (Maghreb) der islamischen Welt mit der Okkupation der Macht durch verschiedene – teilweise untereinander verfeindete – Berberstämme im 11. und 12. Jahrhundert ein Kunststil heraus, der als 'maurisch' bezeichnet wird. Die Kunsthandwerker übernahmen Elemente aus der arabischen Kunst des vorderen Orients und verknüpften diese mit Materialien und Dekormotiven aus der eigenen Tradition.

Architektur

Löwenhof mit Löwenbrunnen in der Alhambra von Granada

In der Architektur wird dies besonders deutlich: Säulen, Kuppeln, Innenhöfe etc. stammen vornehmlich aus der antiken Baukunst, die die Araber im Zuge ihrer Eroberungs- und Beutezüge kennenlernten und adaptierten. Auch die meisten – oft zu Endlos-Mustern vereinten – Dekorelemente (Flechtbänder, Rauten, Sechsecke, Sterne etc.) waren in der spätantiken Mosaikkunst bereits vorgebildet, wurden aber von den Kunsthandwerkern der islamischen Welt, speziell des Maghreb, zu wahren Meisterwerken weiterentwickelt (siehe auch: Sebka).

Materialien

Typische Materialien der maurischen Architektur sind Ziegelsteine für die tragende Struktur, Kachelmosaike, Stuck und Zedernholz als Verblendungen und grünglasierte Dachziegel (anfangs nur für Moscheen, später auch für Mausoleen und Paläste). Behauene Natursteine wurden nur bei Säulen und Kapitellen verwendet.

Sonstige

In der Keramik- und Schmuckkunst sowie in der Teppich- bzw. Stoffweberei verwendete man oft ähnliche Motive wie in der Architektur. Ursprünglich hatten diese – über ihren rein dekorativen Zweck hinaus – auch unheilabwehrende (apotropäische) Funktionen.

Siehe auch

als Namensgeber:

Literatur

  • Marianne Barucand, Achim Bednorz: Maurische Architektur in Andalusien. Taschen-Verlag, Köln, ISBN 3-8228-0424-X.
  • Arnold Betten: Marokko. Antike, Berbertraditionen und Islam – Geschichte, Kunst und Kultur im Maghreb. DuMont, Ostfildern 2012, ISBN 978-3-7701-3935-4.
  • Georg Bossong: Das maurische Spanien. Geschichte und Kultur. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-55488-9.
  • Burchard Brentjes: Die Mauren. Der Islam in Nordafrika und Spanien (642–1800). Wien 1989, ISBN 3-7008-0381-8.
  • Burchard Brentjes: Die Kunst der Mauren. Islamische Traditionen in Nordafrika und Südspanien. DuMont, Köln 1992, ISBN 3-7701-2720-X.
  • Michael Brett, Werner Forman: Die Mauren. Islamische Kultur in Nordafrika und Spanien. Atlantis-Verlag, Luzern 1986, ISBN 3-7611-0684-X.
  • André Clot: Das maurische Spanien. 800 Jahre islamische Hochkultur in Al Andalus. Patmos, Düsseldorf 2004, ISBN 3-491-96116-5.
  • Wolfgang Creyaufmüller: Nomadenkultur in der Westsahara. Die materielle Kultur der Mauren, ihre handwerklichen Techniken und ornamentalen Grundstrukturen. Burgfried, Hallein 1983, ISBN 3-85388-011-8.
  • Catherine Gaignard: Maures et chrétiens à Grenade 1492–1570. Paris u. a. 1997, ISBN 2-7384-5656-1.
  • Arnold Hottinger: Die Mauren – arabische Kultur in Spanien. Fink, München 2005, ISBN 3-7705-3075-6.
  • Franz Wördemann: Die Beute gehört Allah. Die Geschichte der Araber in Spanien. Piper, München/Zürich 1985, ISBN 3-492-02794-6.
  • Michael Kassar: Maurische Architektur und Kultur in Andalusien am Beispiel des Real Alcázar von Sevilla. Salzburg 2011, ISBN 978-3-7357-3772-4.

Weblinks

Commons: Mauren – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, erarbeitet unter der Leitung von Wolfgang Pfeifer, 7. Auflage, München 2004 s. v. Mohr. Kluge, Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, 25. Auflage, Berlin/Boston 2011, s. v. Mohr
  2. Mischa Meier: Geschichte der Völkerwanderung. Europa, Asien udn Afrika vom 3. bis zum 8. Jahrhundert n.Chr., Beck, München 2021, S. 718.