MedEvac
Der Begriff engl. MEDical EVACuation (Med Evac) bzw. dt. MEDizinische EVAKuierung (med. Evak.) bezeichnet den Abtransport verletzter Personen aus unsicheren Gebieten oder Verbringung derselben in qualifizierte medizinische Versorgung. Dies kann sowohl über Land oder See oder per Lufttransport (AirMedEvac) erfolgen. Die militärische MedEvac ist Teil der Rettungskette (Tactical Evacuation Care) im Rahmen der Verwundetenversorgung im Gefecht .
Beim AirMedEvac werden Patienten meist mit Einsatzmitteln des Such- und Rettungsdienstes über lange oder kurze Strecken verlegt. Genutzt werden flexibel einsetzbare Hubschrauber und auch Flugzeuge für internationale oder interkontinentale Einsätze.
Geschichte
Die erste fliegerische MedEvac-Operation fand im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 statt, als 164 verwundete Personen mit Beobachtungsballons aus Paris in Sicherheit gebracht wurden.
Deutschland sammelte im Spanischen Bürgerkrieg erste Erfahrungen mit MedEvac. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gab es hauptsächlich MedEvac-Operationen in Polen, bei denen etwa 2.500 Soldaten mit Junkers Ju 52 ausgeflogen wurden. Erste Einsätze mit Luftfahrzeugen erfolgten während des Russlandfeldzuges mit dem Fieseler Fi 156, der für das Frontgebiet eine extrem gute Kurzstarteigenschaft aufweist. Erste Erfahrungen mit Hubschraubern Focke-Achgelis Fa 223 wurden im Kaukasus durch die eingesetzten Gebirgsdivisionen gewonnen.
Einbindung am Boden
Unabdingbarer Bestandteil jeder MedEvac-Operation ist der adäquate bodengebundene Transport der Patienten aus dem Schadengebiet zum Luftfahrzeug und vom Zielflughafen zur klinischen Finalversorgung. Dazu werden oftmals Fahrzeuge des Rettungsdienstes und des Katastrophenschutzes genutzt.
Arten der luftgestützten MedEvac
Strategic-Aeromedical-Evacuation
Für den Langstreckenintensivtransport (Strategic-Aeromedical-Evacuation / StratAirMedevac) stehen der Bundeswehr folgende Flugzeugtypen der Luftwaffe und der Multinational MRTT Unit zur Verfügung.
- Airbus A400M – Mittelstrecke, 4535 km Reichweite bei einer Nutzlast von 30 t und 6390 km bei 20 t.[1]
- Airbus A310 MRTT – Langstrecke, Reichweite 10.560 km[2]
- Airbus A319 CJ – Mittel- und Langstrecke, Reichweite 7.400 km[3]
- Airbus A330 MRTT – Langstrecke, Reichweite ca. 13.400 km. (Im Rahmen der Teilhabe am NATO multinationalen Lufttransportverband Multinational MRTT Unit)[4][5][6]
Zu den modernsten MedEvac-Flugzeugen der Welt zählen die umgebauten Airbus A310 MRTT (Multi Role Transport Tanker) der deutschen Bundeswehr. Diese sind der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) unterstellt, am Flughafen Köln/Bonn stationiert und können an Bord maximal 56 Verletzte aufnehmen. Daneben gibt es auch sechs Intensivbetten für Schwerstverletzte (Patiententransporteinheit).
Die Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung hält ständig einen A310 MRTT und einen A319 CJ in StratAirMedEvac-Bereitschaft.[7]
Vom Lufttransportgeschwader 62 wird ein A400 M für Intensive Care Aeromedical Evacuation-Einsätze in Bereitschaft gehalten (24/7).[8]
Forward Air Medical Evacuation
Für die luftgestützte Rettung von Verwundeten (Forward Air Medical Evacuation / FAM) stehen der Bundeswehr mittelschwere militärische Transporthubschrauber vom Typ NATO-Helicopter 90 (NH90) zur Verfügung.
Casualty Evacuation
Für Verwundetenrettung (Casualty Evacuation / CasEvac) werden international weitere Hubschraubertypen verwendet.
- Rettungshubschrauber (RTH) für die Notfallrettung
- Intensivtransporthubschrauber (ITH) und
- Großraum-Rettungshubschrauber (GRH) für Katastropheneinsätze
Einsatz in Katastrophen- und Kriegsgebieten
In akuten Konfliktsituationen verfügen die meisten Militärs über ein Evakuierungs- bzw. Unterstützungsprotokoll, das den Transport von Verletzten oder auch das Zubringen von Sanitätsfachpersonal regelt. Im Normalfall werden diese 'MedEvac'-Einsätze von Hubschraubern geflogen, da sie für Evakuierungseinsätze während laufender Gefechte aufgrund ihrer Flexibilität am besten geeignet sind.
Erstmals wurde eine MedEvac-Maschine vom Typ Airbus im November 2000 eingesetzt, als verletzte Palästinenserkinder aus dem Gazastreifen zur Behandlung nach Deutschland gebracht wurden. Darüber hinaus kamen die Maschinen unter anderem auch 2002 während des Jahrhunderthochwassers der Elbe, 2003 nach dem Anschlag auf Bundeswehrsoldaten in der afghanischen Hauptstadt Kabul, 2004 bei den Rücktransporten Verletzter nach dem Seebeben im Indischen Ozean 2004 in Phuket (Thailand) und von verwundeten Soldaten Anfang April 2010 nach Gefechten der Bundeswehr mit den Taliban zum Einsatz. 2019 wurden verletzte deutsche Touristen nach einem Busunglück auf Madeira zur Behandlung nach Deutschland ausgeflogen. MedEvac-Einsätze finden fortlaufend nach Bedarf und gegebenenfalls auch im Rahmen zwischenstaatlicher Hilfeleistung statt. So fand zum Beispiel im September 2014 eine Mission statt, dabei flog die A310 bei der Krise in der Ukraine verletzte ukrainische Soldaten zur Behandlung nach Deutschland.[9] Weitere Flüge zum Transport von ukrainischen oder kurdischen Patienten aus den Reihen der Peschmerga im Nordirak nach Deutschland fanden 2015 und 2016 wiederholt statt.
Während der COVID-19-Pandemie wurden mit MedEvac-Flugzeugen der Bundeswehr Intensivpatienten aus Italien nach Deutschland geflogen. Je Flug wurden sechs Patienten mit Beatmungsgeräten transportiert.[10]
Die Maschine A310 MedEvac fliegt vom Flugplatz in Rzeszów, schwerverletzte ukrainische Kinder und Erwachsene nach Deutschland. Die Ukraine bat die Europäische Union um Hilfe, die Bitte wurde der Bundesregierung weitergereicht. Diesen Auftrag führt die Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung aus.[11]
Literatur
- Holger Scholl: Luftrettung, S+K Verlag, ISBN 3-932750-77-2, S. 315 ff.
- Jochen Hinkelbein, Eckard Glaser (Hrsg.): Flugmedizin, UniMed Verlag, Bremen, 2007.
Siehe auch
Weblinks
- Webpräsenz des Sanitätsdienstes mit weiterführenden Informationen, abgerufen am 21. Februar 2011
- Webpräsenz der Luftwaffe mit weiterführenden Informationen, abgerufen am 21. Februar 2011
- MedEvac: Die fliegende Intensivstation der Luftwaffe, Bild.de, erschienen am 16. April 2010, abgerufen am 21. Februar 2011
- Königshaus besucht Flugbereitschaft und besichtigt MedEvac-Airbus, bundestag.de, erschienen am 17. Januar 2011, abgerufen am 21. Februar 2011
- Bundeswehr TV: Transall C160 – AirMedEvac Ausbildung der Bundeswehr (YouTube-Video, 29. Februar 2016)
Quellen
- ↑ https://www.bmvg.de/de/aktuelles/a400m-intensivstation-26564.
- ↑ A310 MedEvac auf Luftwaffe.de, abgerufen am 31. Januar 2013.
- ↑ Erster Einsatz des Airbus A319 CJ als MedEvac, Luftwaffe.de, abgerufen am 31. Januar 2013.
- ↑ ssc: Hoch hinaus: Vom Airbus A330 MRTT zur fliegenden Intensivstation. www.dbwv.de, 2. März 2021, abgerufen am 26. Mai 2021.
- ↑ Bundeswehr/Stefan Seufert & Stephan Ink: Gleicher Auftrag – Neues Flugzeug. www.bundeswehr.de, 21. Mai 2021, abgerufen am 21. September 2021 (deutsch).
- ↑ Dr. Tilmann Moll: Die Wachablösung steht bevor! Der A310 wird durch den A330 ersetzt. www.wehrmed.de, 11. Juli 2019, abgerufen am 29. Oktober 2021 (deutsch).
- ↑ Bundeswehr: Der Airbus A310 MedEvacMedical Evacuation – in 60 Sekunden. www.bundeswehr.de, 15. November 2017, abgerufen am 29. Oktober 2021 (deutsch).
- ↑ Torsten Kraatz: Der A400M als fliegende Intensivstation. www.bundeswehr.de, 21. März 2020, abgerufen am 29. Oktober 2021 (deutsch).
- ↑ Verletzte Soldaten aus der Ukraine nach Hamburg gebracht. In: Hamburger Abendblatt. 3. September 2014, abgerufen am 3. September 2014.
- ↑ tagesschau.de: Bundeswehr bringt Covid-19 erkrankte Italiener nach NRW. Abgerufen am 3. April 2020.
- ↑ Volksfreund: Evakuierungsflug: Luftwaffe fliegt kriegsverletzte Ukrainer nach Deutschland. 11. April 2022, abgerufen am 12. April 2022.