Mettigel
Mettigel (auch Mett-Igel, Hack-Igel, Hackepeterigel) sind ein Bestandteil von kalten Platten bzw. kalten Buffets. Sie bestehen aus Mett mit Garnierung in der Form eines Igels.
Geschichte
Die Entstehung des Mettigels wird häufig auf einen Zeitraum von den 1950er Jahren[1] bis in die 1970er Jahre[2] datiert. Peter Peter bezeichnet ihn in seiner Kulturgeschichte der deutschen Küche (2008) als „Beginn der kreativen Küche“.[3] Das Wort „Mettigel“ und Rezepte zur Garnierung von Mett als Igel gibt es jedoch erst seit den 2000er Jahren.[4] Der Stuttgarter Koch Vincent Klink gibt an, dass der erste Fernsehkoch Clemens Wilmenrod den Mettigel populär gemacht habe.[5] In Wilmenrods Kochbüchern findet sich jedoch kein Rezept dafür;[6] ebenso wenig in zahlreichen Kochbüchern zu Hackfleischgerichten und kalten Platten aus den 1960er bis 1980er Jahren.[7]
Der Schriftsteller Erich Loest erwähnt in seinem 1987 veröffentlichten Roman Froschkonzert ein Büffet mit kalten Speisen, darunter „Lachs und Forelle, Waldorfsalat, Braten- und Käseplatten, Eier mit Kaviar, Schinkenröllchen, als Igel aufgemotzter Mett-Berg“.[8] Zur Popularität des Mettigels trug seine Verwendung als Requisit in Fernsehsendungen wie Die 70er Show mit Hape Kerkeling (2003),[9] Switch Reloaded in einer Parodie der Sendung Das perfekte Dinner (2008),[10] TV total (2008)[11] sowie in der Reality-Show Schwiegertochter gesucht (2010)[12] bei.
Frühere Gerichte in Igelform
Warm
Bereits im Grossen vollständigen Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste (Band 14, 1739) findet sich ein Rezept namens Igel: Igel, ist auch ein gewisses Essen, .... Im Rezept wird eine Kalbsleber gekocht, zerrieben, zu einem Igel geformt, garniert und gebacken[13]. Ein ähnliches Rezept findet sich in der Regionalküche des Westerwalds unter dem Namen „Hachenburger Ischel“. Dabei werden Hackfleischbällchen mit Zwiebelstreifen gespickt, die während des Garens aus dem Brät hervortreten.[14] In der Küche des 19. Jahrhunderts gab es eine Garnierung verschiedener warmer Speisen in Igelform, die als „en hérisson“ (frz.: „als Igel“) bezeichnet wurde. Es sind unter anderem Rezepte mit Kalbsbries und Poularde[15] sowie Haselhühner[16] belegt. Bei Wilhelm Heinse wird eine gespickte Quitte mit einem Igel verglichen.[17]
Kalt
Seit den 1950er Jahren sind Rezepte für Eierigel belegt,[18][19] seit den 1960er Jahren Käseigel,[20] seit den 1970er Jahren Gurkenigel[21]. Weitere Rezepte wie Fliegenpilzeier und -tomaten, Käsespieße mit Weintrauben, oder Schinkenröllchen und -tüten gehörten in den 1970er Jahren zum Standardrepertoire von kalten Buffets. Oft wurden diese Speisen auch zusammen mit Brot und Butter etc. zum Bier gereicht.
Zubereitung
Man kann kleine und große Mettigel machen, die Zubereitung ist in etwa ähnlich. Für die Zubereitung wird eine große Portion Mett in die Form eines Igels gebracht und mit hineingesteckten Salzstangen oder rohen geviertelten Zwiebelringen als „Stacheln“, manchmal mit Gurkenscheiben als „Ohren“ sowie mit Oliven o. ä. als „Augen“ und „Nase“ dekoriert. Angerichtet wird er oft auf einem Bett aus Salatblättern, rohen gehackten Zwiebeln oder Zwiebelringen. Dazu werden Brot, Brötchen oder Brezeln und Butter sowie Pfeffer und Salz zum etwaigen Nachwürzen nach Belieben gereicht. Kleine Mettigel (auch „Mini-Mettigel“) werden als Snack zubereitet und auf Unterlagen wie Pumpernickel oder Brot, Cracker etc. angerichtet.[22][23]
Hygiene
Der Mettigel zählt wegen seines Hauptbestandteils Rohfleisch zu den sensiblen, leicht verderblichen Lebensmitteln. Krankheitserregende Bakterien wie Escherichia coli, Salmonellen und Listerien können sich in Hackfleisch schnell vermehren. Durch die Zubereitung ohne Keimabtötung (Erhitzung) und durch nachfolgende Präsentation des Mettigels wird die Haltbarkeit verkürzt. Je nach Umgebungstemperatur kann der Mettigel schon wenige Stunden nach der Zubereitung nicht mehr für den Verzehr geeignet sein und muss entsorgt werden.
Literatur
- Peter Peter: Kulturgeschichte der deutschen Küche. Verlag C. H. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-57224-1, S. 182.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Tobias Dorfer, Lena Jakat: Spaghettieis? Was wir den USA noch empfehlen. Abgerufen am 15. Mai 2021.
- ↑ Wörter der 70er- und 80er-Jahre - Im Wortantiquariat der deutschen Sprache. Abgerufen am 15. Mai 2021 (deutsch).
- ↑ Elisabeth Raether: Deutschland in Häppchen. In: Die Zeit. 22. April 2010, abgerufen am 16. Januar 2022.
- ↑ Google Books Ngram Viewer. Abgerufen am 15. Mai 2021 (englisch).
- ↑ Vincent Klink: Angerichtet, herzhaft und scharf!: Aus meinem Tage- und Rezeptebuch. Klöpfer & Meyer Verlag, 2018, ISBN 978-3-86351-346-7 (google.de [abgerufen am 13. Mai 2021]).
- ↑ Clemens Wilmenrod: Es liegt mir auf der Zunge. Hoffmann & Campe, Hamburg 1954; Clemens Wilmenrod bittet zu Tisch. Hoffmann & Campe, Hamburg 1956.
- ↑ Dr. Oetker: Die kalte Küche, 12. Aufl., Ceres, Bielefeld 1964; Dr. Oetker: Garnieren, verzieren, dekorieren. Salzig und süß in über 250 Variationen, Ceres, Bielefeld 1975; Isolde Bräckle: 222 leckere Hackfleischgerichte, 1979; Annette Wolter/Christian Teubner: Kalte Köstlichkeiten wie noch nie: d. erste große Bildkochbuch d. Kalten Küche. Mit den 555 besten Garnier-Ideen der Welt ganz in Farbe, 1981; Erika Köhler: Die vielseitige Hackfleischküche – Mit 122 Rezepten, für alle die gut, gern und deftig essen, 1984.
- ↑ Erich Loest: Froschkonzert: Roman. Dt. Taschenbuch-Verlag, 1987, ISBN 978-3-8135-0581-8, S. 273 (google.de [abgerufen am 13. Mai 2021]).
- ↑ „Nichts gegen Kerkeling, wenn er ein Mettigel-Brötchen in sich hinein stopft“; „Mandarine / in Ketchup / Die "wilden" Siebziger im TV“, Frankfurter Rundschau, 20. Oktober 2003.
- ↑ Switch reloaded - Das perfekte Dinner mit Herbert. 27. Februar 2014, abgerufen am 13. Mai 2021.
- ↑ Mett-Igel und Schampus: Mit Stefan Raab ins neue Jahr. Abgerufen am 16. Januar 2022.
- ↑ Antje Hildebrandt: Neue TV-Formate: Im Namen der Quote vorgeführt und gedemütigt. In: DIE WELT. 2. Dezember 2011 (welt.de [abgerufen am 16. Januar 2022]).
- ↑ Igel, ist auch ein gewisses Essen, so also zugerichtet wird. In: Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste. Band 14, Leipzig 1735, Sp. 507.
- ↑ Lothar Bendel: Deutsche Regionalküche von A-Z. Anaconda Verlag, 2013, ISBN 978-3-7306-9042-0 (google.de [abgerufen am 16. Januar 2022]).
- ↑ B. Clermont: The Professed Cook; Or, The Modern Art of Cookery, Pastry, & Confectionary, Made Plain and Easy: Consisting of the Most Approved Methods in the French, as Well as English Cookery ... With the Addition of the Best Receipts, which Have Ever Appeared in the French Or English Languages. C. Richards, No. 18, Warwick Street, Golden Square, 1812 (google.de [abgerufen am 13. Mai 2021]).
- ↑ C. W. SAMETZKY: Neuestes praktisches Berliner Kochbuch für bürgerliche Haushaltungen ... Dritte Ausgabe, vermehrt, etc. 1840 (google.de [abgerufen am 13. Mai 2021]).
- ↑ Wilhelm Heinse: Bd. Begebenheiten des Enkolp [von Petronius Arbiter. Insel, 1903, S. 127 (google.de [abgerufen am 13. Mai 2021]).
- ↑ „Ein Ei längsgeteilt, mit Möhrenschnitzeln gespickt und zwei Gewürzkörnern als Augen ergibt einen lustigen Igel“, ZB, Zeit im Bild. 1955, S. 12 (google.de [abgerufen am 16. Januar 2022]).
- ↑ „Igel – eine Eihälfte auf die Schnittfläche legen, die gewölbte Seite mit Salzstangenstücken bestecken, 2 Tupfer Tomatenmark als Augen auf das Ei geben, eine Cervelatwurstscheibe halbrund um das spitze Ende des Eies legen.“ Dr. Oetker: Garnieren, verzieren, dekorieren. Salzig und süß in über 250 Variationen, Ceres, Bielefeld 1975, S. 76 f.
- ↑ Deutsche Milchhandels und Feinkost Zeitung. 1961, S. 432 (google.de [abgerufen am 13. Mai 2021]).
- ↑ Annette Wolter/Christian Teubner: Kalte Köstlichkeiten wie noch nie: d. erste große Bildkochbuch d. Kalten Küche. Mit den 555 besten Garnier-Ideen der Welt ganz in Farbe, 1981, S. 284.
- ↑ Lars Middendorf: Mett-Igel von Lars Middendorf. In: Hier und Heute / Verbraucherrepzepte. Westdeutscher Rundfunk Köln, abgerufen am 6. April 2021.
- ↑ Mini-Mettigel. In: Heimat Häppchen / Verbraucherrepzepte. Westdeutscher Rundfunk Köln, abgerufen am 6. April 2021.