Montanwissenschaften
Als Montanwissenschaften (in Österreich; teilweise auch Montanistik und Montanwesen) oder Berg(bau)wissenschaften bzw. Bergbaukunde (in Deutschland) wird die Lehre vom Bergbau bezeichnet. Dazu gehört Bergbau im weiteren Sinne (einschließlich Tunnel-/Stollenbau, Fels-/Gesteinsbau), Markscheidewesen, Hüttenwesen, Aufbereitung und Mineralogie[1] sowie jene Kenntnisse und Techniken, die sich mit dem Auffinden von Rohstoffen in der Erdkruste, dem günstigen Betrieb von Bergwerken und der Verhüttung von Erzen sowie der Grundlagen- und Anwendungsforschung zu Bautätigkeiten unterhalb des Bodens beschäftigen. Teilweise gehören auch Aspekte der weiterverarbeitenden Industrie (siehe Sekundärsektor) zu den Bereichen der Montanwissenschaften.
Geschichte der Fachdisziplin
Der Name Montanwissenschaft (sowie Montanwesen) ist eine Wortzusammensetzung mit dem Adjektiv montan als Bestimmungswort. Die Wurzel in der Wortableitung Montanistik ist dasselbe Adjektiv, das vom lateinischen montanus ins Deutsche entlehnt wurde und auf das Substantiv mons ‚Berg‘ zurückgeht. Das Adjektiv wird auch in zahlreichen anderen deutschen Wörtern, die das Berg- und Hüttenwesen betreffen, verwendet.
Ihre Wurzeln haben die Montanwissenschaften neben dem Siedlungs- und Straßenbau im Bergland, der wohl bis in die Anfänge der Kultur zurückreicht, und dem Bergbau auf Bodenschätze, der von erstem über Steinauflesen hinausgehenden Abbau von der Jungsteinzeit in die Bronzezeit leitet, speziell in den beiden militärischen Fachgebieten der Mineure und Sappeure als Teile der Pioniertruppe, zu deren Aufgaben sowohl der Bau von Befestigungen auch in schwierigem Gelände wie auch die Belagerungstechnik derselben gehörten. Spezialisten in diesen Truppengattungen sind seit der Antike nachweislich.
Als eigene wissenschaftliche Disziplin in Europa gilt die Montanwissenschaft seit dem Hochmittelalter. Prägend dafür waren vor allem:
- Ulrich Rülein von Calw (1465–1523), Verfasser des ersten gedruckten Werkes über Montanwissenschaften, Ein nützlich Bergbüchlin
- der Geowissenschafter und Mineraloge Georgius Agricola (1494–1555), er gilt als Vater der modernen Montanwissenschaften[2],
- den Volkswirt und Freiberger Berghauptmann Friedrich Anton von Heynitz (1725–1802), der Gründer der Bergakademie Freiberg, und
- der Südtirol/steirische Bergbau-Pionier Peter Ritter von Tunner (1809–1897), auf den die Montanuniversität Leoben zurückgeht.
Fachbereiche
Als Montanist kann man sich – in mehr angewandt-technischer (etwa als Montaningenieur, Bergingenieur, Bergbauingenieur, Rohstoffingenieur) oder mehr grundlagenwissenschaftlicher Ausrichtung (etwa als Ingenieurgeologe oder Geomechaniker) in verschiedene Fachrichtungen spezialisieren, u. a.:
- Tiefbautechnik (wie Tunnelbau, technischer Untertagebau von Stollen und Kavernen für Anlagen oder Lagerung einschließlich Entsorgung, der Hohlraumbau), insbesondere der Felsbau (technischer Grundbau im Fels)
- Bergbau: Untertagebau- und Tagebautechnik
- Markscheidewesen (Vermessung unter Tage einschließlich Lagerstättenkunde)
- Aufbereitungstechnik der Rohstoffe
- Tiefbohrtechnik (insbesondere in Erdöl- und Erdgasgewinnung)
Ausbildung
Die Montanwissenschaft hat in den deutschsprachigen Ländern eine große Tradition. In Lehre und Forschung ist die Bergbauwissenschaft an mehreren deutschsprachigen Universitäten wie der Montanuniversität Leoben in Österreich und in Deutschland vor allem an der Technischen Universität Clausthal und der Technischen Universität Bergakademie Freiberg vertreten. Die TU Freiberg und die TU Clausthal wurden mit einem Schwerpunkt in den Bergbauwissenschaften gegründet. Die dort ausgebildeten Bergbauingenieure haben trotz des in im deutschen Sprachraum stark reduzierten Bergbaus weltweit gute Berufsaussichten.[3] An der RWTH Aachen bietet die Fakultät Bergbau den Studiengang Rohstoffingenieurwesen an. Die Schwerpunkte liegen dabei in den Bereichen der Rohstoffgewinnung, Aufbereitungstechniken der Rohstoffe und deren Recycling.
Typischer allgemeiner Abschluss ist beispielsweise Diplomingenieur der Montanistik/montanistischen Wissenschaften (Dipl.-Ing. mont.) respektive Doktor der Montanistik/montanistischen Wissenschaften (Dr.-Ing.) mit dem Titelzusatz rerum montanarum. Heute gibt es auch etliche speziellere Abschlüsse.
Einzelnachweise
- ↑ Georgius Agricola - Biographie, Agricola-Forschungszentrum Chemnitz
- ↑ Agricola als Vater der Montanwissenschaften, Ausstellung Höfflichkeit und Bergkgeschrey, Georgius Agricola 1494–1555, Bibliothek der ETH Zürich (Memento vom 10. Juni 2007 im Internet Archive)
- ↑ Hans-Willy Bein: Bergbauingenieure – Immer weiter buddeln. In: Süddeutsche Zeitung. 1. Juli 2012, abgerufen am 2. Juli 2016.