NS-Zwangsarbeit im Erzbergwerk Rammelsberg

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Der Rammelsberg mit den früheren Bergwerksanlagen

Die NS-Zwangsarbeit im Erzbergwerk Rammelsberg in Goslar war während des Zweiten Weltkriegs wegen der Gewinnung von Buntmetallerzen im Rammelsberg von großer Bedeutung für die Kriegswirtschaft des NS-Staates. Im Erzbergwerk Rammelsberg waren von 1941 bis 1945 etwa 350 Zwangsarbeiter, darunter rund 20 Frauen, tätig. Sie stellten etwa 40 % der Belegschaft.

Allgemeines

Während des Zweiten Weltkriegs beschäftigten über 60 Betriebe in Goslar und der näheren Umgebung etwa 5000 Menschen aus dem Ausland als Zivilarbeiter und Ostarbeiter. In der Stadt Goslar leisteten 1944 über 2300 Personen NS-Zwangsarbeit. Zu den größten Arbeitgebern zählten die chemische Fabrik Gebr. Borchers, das Erzbergwerk Rammelsberg und der Fliegerhorst Goslar, wo sich ein Außenlager des KZ Buchenwald befand. Die Unterbringung der Zwangsarbeiter erfolgte in mehreren Sammellagern in Baracken und Firmenunterkünften.

Der bereits seit 1937 bestehende Arbeitskräftemangel im Erzbergwerk verschärfte sich mit Kriegsbeginn 1939 aufgrund der Einberufung von Mitarbeitern zur Wehrmacht. Zusätzlich forderte der NS-Staat von der Betriebsleitung des Erzbergwerks eine Erhöhung der Kupferproduktion, da zu dem Zeitpunkt fast die Hälfte des Kupfers importiert wurde. Um die Produktion aufrechtzuerhalten und die zum Militär einberufenen Arbeitskräfte zu ersetzen, forderte die Betriebsleitung ausländische Arbeitskräfte an. Sie wurden systematisch über die Arbeitsamtsverwaltung des Deutschen Reichs in die Zwangsarbeit gepresst.

Zwangsarbeiter

Geschichts- und Erinnerungstafel auf dem „Ausländerfriedhof“ des Alten Friedhofs in Goslar, 2022

Im Oktober 1941 kamen 22 Arbeiter als die ersten deportierten „Zivilrussen“, die später als Ostarbeiter bezeichnet wurden, am Erzbergwerk Rammelsberg an. Im Mai 1942 folgten 24 junge Männer mit einem Transport aus Charkow, wo die SS ein Sammellager für Arbeiter im dortigen Erz- und Kohlerevier eingerichtet hatte. Einen Monat später kamen von dort weitere 46 Grubenarbeiter, da der Untertagebetrieb qualifizierte Arbeitskräfte erforderte. 1943 wurden 40 Franzosen nach Goslar verschleppt. Anfang 1944 kamen etwa 140 italienische Militärinternierte an den Rammelsberg, die sich zuvor als Kriegsgefangene im Stalag XI B in Fallingbostel befunden hatten. 1944 gab es rund 350 Zwangsarbeiter am Rammelsberg, die aus 16 europäischen Staaten stammten, unter anderem aus der Sowjetunion, Italien, Frankreich, Polen, Ungarn, Jugoslawien, den Niederlanden und der Tschechoslowakei. Ein beachtlicher Teil der Zwangsarbeiter war jung und zwischen 17 und 25 Jahren alt. Verstorbene Zwangsarbeiter wurden auf dem Alten Friedhof in Goslar innerhalb des „Ausländerfriedhofs“ unweit vom Deutschen Ehrenfriedhof bestattet.[1] Bei der Besetzung von Goslar am 10. April 1945 durch amerikanische Truppen wurden die Zwangsarbeiter befreit.

Unterbringung und Bewachung

Die ersten Zwangsarbeiter wurden 1941 in dem mit Stacheldraht umzäunten Holzgebäude der Behelfskaue untergebracht. Das Gebäude war von minderer Qualität, da es wenige Jahre zuvor als provisorische Waschkaue für Bergarbeiter aus Teilen eines Pferdestalls errichtet worden war. Die Bewachung erfolgte durch Belegschaftsangehörige des Erzbergwerks.[2]

Später wurden die männlichen Zwangsarbeiter in einem Barackenlager mit der Bezeichnung Lager Wintertal unterhalb des Staudammes des Herzberger Teiches untergebracht. Die dazugehörigen fünf Baracken für rund 230 Personen wurden 1944 in Bergwerksnähe errichtet. Während sich die Zwangsarbeiter aus westeuropäischen Ländern relativ frei bewegen durften, wurden die Ostarbeiter aus der Sowjetunion und Polen strenger bewacht.

Die weiblichen Zwangsarbeiter, bei denen es sich 1942 um 21 Frauen aus der Sowjetunion aus dem Gebiet Lugansk handelte, waren anfangs in einer ehemaligen Gaststätte am Fuße des Rammelsberges untergebracht. Sie arbeiteten als Küchenhilfe oder Reinigungskraft. 1943 wurden die Frauen auf dem Bergwerksgelände in das Maschinistenhäuschen neben dem Umspannwerk einquartiert.

Lebensumstände

Etwa 40 % der Zwangsarbeiter waren für Arbeiten unter Tage eingesetzt während die anderen über Tage tätig waren. Obwohl die körperliche Züchtigung von Ostarbeitern ab 1942 offiziell verboten war, sind einige Fälle von Misshandlungen durch Steiger und Aufsichtspersonen überliefert.

Nachdem die Zwangsarbeiter 1941 noch als Gefangene gehalten wurden, besserte sich ab 1942 ihre Behandlung. So wurde der Stacheldrahtzaun um die als Unterkunft dienende Behelfskaue auf Weisung der Betriebsleitung entfernt. Die Zwangsarbeiter erhielten einmal wöchentlich geschlossenen Ausgang. Dabei mussten sie den Aufnäher „Ost“ als Kennzeichen der Ostarbeiter an der Kleidung tragen. Sie durften weder Gaststätten, Geschäfte, Veranstaltungen oder Kirchen besuchen noch Kontakte zur Bevölkerung knüpfen. Zum Kriegsende 1944 wurde die Bewachung wieder aufgenommen, da man dies aufgrund der militärischen Lage für notwendig hielt. Die italienischen Militärinternierten bekamen Ende 1944 den Status als Zivilarbeiter und konnten sich dann frei bewegen.

Bei Verstößen gegen die Lagerordnung, Diebstählen oder Arbeitsunwilligkeit wurden die Lagerinsassen der Gestapo gemeldet, die sie in das Arbeitserziehungslager Hallendorf einwies. Etwa 40 Einweisungen sind dokumentiert.

Forschungen

Ende der 1990er Jahre führte der Verein Spurensuche Goslar Recherchen zur NS-Zwangsarbeit am Rammelsberg durch. Die Ergebnisse führten vor Ort zu einer Ausstellung[3] mit dem Titel „Gebt uns unsere Würde wieder - Kriegsproduktion und Zwangsarbeit in Goslar 1939 - 1945“. Parallel dazu gab es eine als Oral History angelegte Studie anhand von Interviews mit früheren Zwangsarbeitern aus der Ukraine als Zeitzeugen.[4] Die Recherchen konzentrierten sich auf das Leid der Zwangsarbeiter und reichten bis zum Ende der Diskussion zur Zwangsarbeiterentschädigung Anfang der 2000er Jahre.

Ein neueres, auf zwei Jahre ausgelegtes interdisziplinäres Forschungsprojekt begann im Jahr 2021.[5] Es trägt den Titel „Räume der Unterdrückung. Neue geschichtswissenschaftliche und archäologische Forschungen zu den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern am Erzbergwerk Rammelsberg im Harz“. Die Forschungen, die von der Friede-Springer-Stiftung gefördert werden, nehmen die Arbeitsstelle Montanarchäologie des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege und das Weltkulturerbe Rammelsberg vor.[6] In das Forschungsprojekt wurden Schulklassen, Studierende der Universität Hannover und Jugendliche einbezogen.

Die neueren Forschungen konzentrierten sich auf die Akteure für die Zwangsarbeit aus den Reihen des Erzbergwerks und auf die Räume, in denen die Unterdrückung stattfand. Als Methoden kamen geophysikalische Prospektionen und Ausgrabungen an den Standorten der Zwangsarbeiterunterkünfte zum Einsatz. Dabei wurde im Boden nach den Resten von baulichen Anlagen gesucht. Die Suche galt ebenso materiellen Hinterlassenschaften von Zwangsarbeitern, wie zum Beispiel Geschirr, Besteck oder Schmuck. Die archäologischen Untersuchungen begannen 2021 im Bereich des früheren Barackenlagers für Männer auf einer Grünfläche unterhalb des Herzberges Teichs. Dort wurde mit Messungen durch Georadar und Geomagnetik eine Fläche von etwa 5000 m² prospektiert.[7] 2022 suchten Sondengänger eine Fläche von rund 2400 m² auf Metallgegenstände ab.[8] Darüber hinaus wurden Suchschnitte angelegt[9] und die dabei entdeckten Grundmauern sowie Bodenplatten von Gebäuden durch Schüler in einer Ausgrabung freigelegt.[10] Des Weiteren kam es 2022 zu einer zweiwöchigen Ausgrabung durch ein internationales Workcamp, dessen Teilnehmer von den Internationalen Jugendgemeinschaftsdiensten vermittelt wurden.[11]

Auch die Stelle des früheren Frauenlagers wird archäologisch untersucht. Es befand sich in einem Gebäude auf dem Betriebsgelände des Bergwerks, das nach dem Krieg abgerissen wurde. Geschichtswissenschaftliche Forschungen erfolgen durch Recherchen in den Akten der Preussag als damaliger Betreiberin des Erzbergwerks.[12]

Siehe auch

Literatur

  • Peter Schyga: „Gebt uns unsere Würde wieder“ – Kriegsproduktion und Zwangsarbeit in Goslar 1939–1945. Goslar 1999.
  • Bernhild Vögel (Hrsg.): System der Willkür. Betriebliche Repression und nationalsozialistische Verfolgung am Rammelsberg und in der Region Braunschweig. Goslar 2002.
  • Bernhild Vögel: „Wir waren fast noch Kinder“. Die Ostarbeiter vom Rammelsberg. Goslar 2003.
  • Johannes Großewinkelmann, Katharina Malek-Custodis, Henning Haßmann: Das Projekt „Räume der Unterdrückung. Neue geschichtswissenschaftliche und archäologische Forschungen zu den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern am Erzbergwerk Rammelsberg im Harz“. in: Der Anschnitt 73, 2021, Heft 6, S. 299–303 (Online)

Weblinks

Einzelnachweise