Nadelbinden

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Nadelgebundene Socken aus Ägypten (300–500 n. Chr.)
nadelgebundene Fausthandschuhe

Nadelbinden ist eine Technik zur Herstellung von textilen Flächengebilden mit Hilfe einzelner Einzelfäden und einer Nadel. Beim Nadelbinden wird der Faden spiralförmig mit einem Grundstich in Schlingenketten gebunden. Jede neue Schlinge ist dabei durch einen Verbindungsstich mit der vorherigen Schlinge seitlich verhängt. Hierbei bildet sich zunächst eine Schlingenkette. Ein flächiges Textil entsteht, wenn eine Schlingenkette mit einem zusätzlich in die Schlingenbögen der Vorreihe geführten Verbindungsstich senkrecht verhängt wird. Das kann in der Regel spiralförmig in Runden geschehen, aber seltener in Hin- und Herreihen mit Wendestichen. Es entstehen je nach Garnstärke, individueller Arbeitsweise und Stichvarianten unterschiedlich dichte Textilien.

Weitere Bezeichnungen für diese Technik sind: Nadelbindung, Nalbinding, Naalbinding, Nålbinding, Laddebinden, Nålbindning, Schlingentechnik oder auch Schlingennähtechnik.

Technik

Die Grundlage der zahlreichen Stichvarianten ist der vom Nähen bekannte Knopflochstich oder auch Schlingenstich, was das Nadelbinden eher dem Sticken, Nähen oder dem Knüpfen von Fischernetzen vergleichbar macht. Im Gegensatz zum Stricken und Häkeln wird beim Nadelbinden jeweils der gesamte Fadenvorrat durch bereits entstandene Schlingen geführt, um eine neue offene Schlinge zu binden. Nadelgebundene Textilien erscheinen oberflächlich in Struktur und Aussehen manchmal gestrickten oder gehäkelten Textilien ähnlich. Der größte Vorteil gegenüber Strick-, Häkel- und anderer Maschenware ist, dass nadelgebundene Textilien beim Reißen eines Fadens keine Laufmaschen bilden und sich damit nicht auflösen.

Die Nadeln, mit der Nadelbindearbeiten durchgeführt werden, sind in der Regel flach, aus Holz und haben eine Länge von 8 bis 12 cm. Daneben sind Nadeln aus Geweih, Horn oder Knochen historisch belegt. Ebenfalls eignen sich vergleichbare Metall- oder Plastiknadeln. Als Garn eignet sich jedes gebräuchliche Handarbeitsgarn, besonders gut jedoch Wolle, wegen ihrer Filzeigenschaft.

Anleitung

Textilkundler entwickelten verschiedene Möglichkeiten zur Erstellung von Musterbriefen und Arbeitsanleitungen. Eine schematische Darstellung des Fadenverlaufs im fertigen Nadelbindestück als Formel veröffentlichte der dänische Textilkundler Egon Hansen im Jahre 1990:

Der Faden läuft zunächst nach links in die rückwärtigen Schlingen. Ein U (under) steht dabei dafür, dass der Faden mit der Nadel unter den nächstliegenden Faden geführt wird, ein O (over) dafür, dass der Faden über den nächstliegenden Faden geführt wird. An der Stelle, wo der Faden die Richtung von links nach rechts wechselt, wird das Zeichen „/“ in die Formel eingesetzt. Eine komplette Formel kann dann z. B. so aussehen: UO/UOO. Hansen hängt die Bezeichnung für den Verbindungsstich mit der Vorreihe an die Formel an. Wird von vorn (frontal) in den Schlingenbogen der Vorreihe gestochen, erscheint ein F, wird von hinten (backwards) eingestochen, ein B; die angefügte Zahl gibt die Anzahl der Schlingenbögen an. Beispiel: UO/UOO F1

Diverse Anleitungen für Sticharten wie den Åsle-Stich, den Mammen-Stich, den Oslo-Stich und andere findet man inzwischen auf Webseiten, Blogs und Foren im Internet. Viele, vor allem junge Leute beschäftigen sich heute gerne mit den Handwerkstechniken vergangener Zeiten im Rahmen einer historischen Darstellung vergangener Epochen und können Hilfestellungen und Anleitungen zum Erlernen geben.

Man kann Nadelbinden auf zwei verschiedenen Arten ausführen, in der Freihand- und in der Daumenfangmethode, auch Daumenfesselmethode genannt. Bei der Freihandtechnik kann die Hansenformel direkt als Anleitung umgesetzt werden, indem ein Stich zuerst bis zum Zeichen „/“ ausgeführt wird, danach im Rückstich bis zum Ende der Formel. Dabei wird der Fadenvorrat mit der Nadel zweimal durch die jeweils erfassten Schlingen geführt.

Bei der Daumenfangtechnik führt die Hansenformel eher zu Verwirrungen. Im Gegensatz zur Freihandmethode werden hier Hin- und Rückstiche in einem einzigen Arbeitsgang auf die Nadel genommen und der Fadenvorrat wird nur einmal durch alle erfassten Schlingen geführt. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass die Freihandmethode die ältere Methode beim Nadelbinden ist. Sie lässt sich noch gut ausführen, wenn der Stich mit ein bis drei Schlingen gefertigt wird. Die Daumenfangtechnik ist dagegen ab zwei bis zu acht Schlingen noch problemlos zu arbeiten. Dabei dient der Daumen als immer gleichbleibendes Regulativ für die Größe der neuen Schlinge, da diese jedes Mal um den Daumen geschlungen wird. Würde diese Schlinge nicht mit dem Daumen abgefangen und der Faden stark angezogen, würde sich die Schlinge zu einem festen Knoten zusammenziehen.

Anfänger erlernen das Nadelbinden schnell und leicht mit einem Stich, der im Grundstich drei Schlingen umfasst. Der Verbindungsstich in die Vorreihe kann dann wahlweise in ein oder zwei Schlingenbögen der Vorreihe ausgeführt werden. Dieser „Einsteigerstich“ beim Nadelbinden nennt sich Oslostich, benannt nach einem Archäologischen Fund in Norwegen in der Nähe von Oslo.

Zunächst wird in dauernder Wiederholung des Grundstichs, wie oben bereits erwähnt, eine Schlingenkette gebildet. Diese kann im Gegensatz zum Häkeln, wo es die aus Kettmaschen bestehende Luftmaschenkette gibt, je nach Stichart beim Nadelbinden bereits von Anfang an in unterschiedlichen Grundstichen gefertigt werden.

Geschichte

Nadelgebundene Textilien waren in nahezu allen Kulturen der Welt verbreitet. Der älteste Fund einer Nadelbindearbeit stammt aus der Mittelsteinzeit (Tybrind vig). In Deutschland wurden nadelgebundene Textilien bis etwa 1550 noch in nennenswertem Umfang hergestellt, also noch etwa 300 Jahre nach der Verbreitung des Strickens. Allerdings verschwand das Nadelbinden danach fast völlig. Es gibt historische Funde von nadelgebundenen Handschuhen, Socken, Mützen, Milchsieben aus Tierhaar, daneben existieren ebenfalls einige Funde von jacken- und hemdähnlichen Textilien in Nadelbindetechnik. In Teilen von Skandinavien, besonders in Finnland, ist das Nadelbinden in der Tradition bis heute erhalten geblieben. Es ist ansonsten dort in großen Teilen der Bevölkerung noch im Gedächtnis geblieben und wird außer in der geschichtsdarstellenden Szene auch in Handarbeitsgruppen noch häufig betrieben. In zahlreichen Museen sind Fundstücke vorhanden.

Ein wissenschaftlich von Arnold Lühning kommentierter Dokumentarfilm des Instituts für den Wissenschaftlichen Film in Göttingen zeigt den 90-jährigen Altbauern A. Meyer aus Schleswig-Holstein, der das Nadelbinden von seinem 1820 geborenen Großvater gelernt hatte. Es wird gezeigt, wie der Mann aus Wollgarn einen Handschuh in Nadelbindung anfertigt.

Literatur

  • Egon Hansen, Nalebinding. In: Penelope Walton, John Peter Wild: Textiles in Northern Archaeology: NESAT III Textile Symposium in York 6–9 May 1987. Archetype Publications, London 1990.
  • Ulrike Claßen-Büttner, Nadelbinden – Was ist denn das? Geschichte und Technik einer fast vergessenen Handarbeit. Isenbrunn 2012. ISBN 978-3-8482-0124-2.

Weblinks