Nahverkehrswagen-Prototypen von Linke-Hofmann-Busch

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
LHB-Wagen
Steuerwagen Bnrzf732 am 25. März 1985 in Haste
Steuerwagen Bnrzf732 am 25. März 1985 in Haste
Anzahl: 3× ABnrzb705/706
6× Bnrzb726/727/731
2× Bnrzf732
Hersteller: LHB (10×)
MBB (1×)
Baujahr(e): 1976
Ausmusterung: bis 1998
Achsformel: 2’2’
Gattung: Mittelwagen 1./2. Kl.: ABnrzb705/706
Mittelwagen 2. Kl.: Bnrzb726/727/731
Steuerwagen 2. Kl.: Bnrzf732
Spurweite: 1435 mm (Normalspur)
Länge über Puffer: Steuerwagen: 26.400 mm
Höhe: Steuerwagen: 3859 mm über SO
Breite: 2830 mm
Drehzapfenabstand: 19000 mm
Drehgestellachsstand: 2500 mm
Leermasse: Steuerwagen: 23.500 kg
Mittelwagen: 28.000–29.000 kg
Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h, später auf 140 km/h reduziert
Laufraddurchmesser: 730 mm
Zugbremse: Druckluftscheibenbremse KE-GPR-A mit elektropneumatischer Bremssteuerung
Zugbeeinflussung: Indusi
Zugheizung: elektrisch Lhzes
Steuerung: konventionelle Wendezugsteuerung
Sitzplätze: AB: 24/27 (1. Kl.), 48 (2. Kl.),
B: 88 (2. Kl.), Bf: 80 (2. Kl.)
Fußbodenhöhe: 1000 mm

Die Nahverkehrswagen-Prototypen von Linke-Hofmann-Busch waren eine Reisezugwagen-Bauart der Deutschen Bundesbahn.

Geschichte

Die Waggonfabriken Linke-Hofmann-Busch (heute Alstom Transport Deutschland) und Messerschmitt-Bölkow-Blohm bauten 1976 elf vom Bundesbahn-Zentralamt Minden entwickelte Prototypen eines neuen, niederflurigen Nahverkehrswagens. Dieser Typ sollte den ab 1958 in großen Stückzahlen gebauten n-Wagen nachfolgen, deren Komfort bereits in den 1970er Jahren als nicht mehr ausreichend angesehen wurde.

Die Prototypen unterschieden sich von den n-Wagen durch eine niedrigere Flurhöhe mit bequemeren Einstiegen, eine hochwertigere Inneneinrichtung mit größerem Sitzteiler, ein deutlich verbessertes Heizungs- und Belüftungskonzept und auch durch ein konstruktionsbedingt geringeres Gewicht. Die Inneneinrichtung kombinierte viele Elemente aus den wenige Jahre zuvor gebauten Dieseltriebwagen der Baureihen 614 und 628.0 sowie den direkt im Anschluss entwickelten x-Wagen, zugleich wurden verschiedene Anordnungen erprobt.

Konstruktion

Die zehn LHB-Wagen waren in Stahlbauweise, der MBB-Wagen in Aluminiumbauweise gefertigt. Die Beblechung der LHB-Wagen bestand aus gesicktem rostfreiem Edelstahl nach einer Lizenz der amerikanischen Budd Company. Neben der weiterentwickelten Leichtbauweise waren niedrigere Einstiege mit elektro-pneumatisch betätigten Doppelschwenkschiebetüren mit Klapptrittstufen, neue luftgefederte Drehgestelle Bauart LD 76, eine Luftheizung sowie deutlich komfortablere Sitze mit längerem Sitzteiler Merkmale der Prototypen. Dabei wurden verschiedene Sitztypen und Sitzanordnungen erprobt. Die Sitze im Steuerwagen im Abteil hinter dem Führerstand wurden später allerdings entfernt, die Wagen bekamen die neue Bauartbezeichnung BDnrzf.

Die Höhendifferenz zwischen dem niedrigeren Wagenboden und dem normalen Übergang wurde mit Rampen überwunden, die Wagen konnten so mit allen normalen Reisezugwagen gekuppelt werden. Alle Wagen verfügen über einen identischen Grundriss mit gleicher Lage der Einstiege; beim Steuerwagen fällt das Endabteil am Wagenende 2 um ein fiktives Abteil kürzer aus, um Platz für den geräumigen Führerraum zu haben. Der Steuerwagen besaß bereits den mit der Baureihe 111 eingeführten ergonomischen Einheitsführerstand. Die Wendezugsteuerung des geführten Triebfahrzeuges erfolgte über die damals noch übliche 36-polige konventionelle Wendezugsteuerung.

Eng mit den LHB-Nahverkehrsprototypen verwandt sind die für die S-Bahn-Netze Rhein-Ruhr und Nürnberg konstruierten x-Wagen. Neben der optischen und waggonbaulichen Ähnlichkeit wurden die niedrige Flurhöhe, einige Elemente der Inneneinrichtung, die Luftheizung sowie mit wenigen Änderungen auch die Drehgestelle übernommen.

Einsatz

Diese Fahrzeuge kamen nach Ablieferung und Abnahme zunächst fast ausschließlich im Nahverkehr des Großraums Hannover zum Einsatz. Befahren wurden dabei vorwiegend die Strecken des späteren Stadtexpress- und heutigen S-Bahn-Netzes (Deisterbahn); als Triebfahrzeug wurde meist die Baureihe 141 verwendet.

In einer Zeit, in der der Schienenpersonennahverkehr immer mehr unter Kostendruck geriet, waren die LHB-Nahverkehrswagen-Prototypen vergleichsweise teure Fahrzeuge, nicht zuletzt auch durch die gegenüber dem n-Wagen aufwändigere Inneneinrichtung und die mit 88 Plätzen um acht Plätze geringere Sitzplatzzahl. Eine Serienbeschaffung war der Bundesbahn daher zu teuer, so dass es bei dieser Vorserie blieb. Stattdessen wurden die n-Wagen noch bis 1980 in leicht verbesserter Ausführung weitergebaut.

Umbau zum Intercity-Wendezug

Inneneinrichtung des Azf 209 am 6. Mai 1998
Umgebauter Azf 209 am 6. Mai 1998 in Frankfurt als IC 922 nach Düsseldorf Flughafen
Umgebauter Bz 298 in Frankfurt für den IC 922 nach Düsseldorf Flughafen

Im Jahre 1988 wurde der erste Teil der Schnellfahrstrecke Hannover–Würzburg eröffnet und damit der gesamte Intercity-Verkehr in Deutschland neu geordnet. Die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden wurde nach dem dann geltenden Fahrplansystem nicht mehr von Intercity-Zügen bedient. Die Anbindung allein mit Nahverkehrs- und S-Bahn-Zügen erschien der Landesregierung als nicht ausreichend und so wurde ein Pendelverkehr nach Frankfurt beziehungsweise Mainz durchgesetzt. Die DB besann sich auf die LHB-Nahverkehrswagen-Prototypen und baute einen Teil davon zu Intercity-Wagen um, so dass zwei vollständige Intercity-Wendezüge zur Verfügung standen.

Die beiden Steuerwagen Bnrzf732 erhielten unter Beibehaltung der Großräume eine 1.-Klasse-Inneneinrichtung und wurden fortan als Azf209 bezeichnet. Die fünf Bz298 entstanden aus den vier Bnrz726 und dem Bnrz727 und erhielten dabei die aus den Bpmz-Wagen bekannte Inneneinrichtung sowie eine Lackierung in den damaligen IC-Produktfarben der Deutschen Bundesbahn Orientrot, Pastellviolett und Lichtgrau.[1]

Dies waren die ersten Wendezüge im Fernverkehr der Deutschen Bundesbahn überhaupt, denn die ersten serienmäßig umgebauten Fernverkehrssteuerwagen kamen erst 1995 mit den Interregio-Steuerwagen Bimdzf269 zum Einsatz. Mit den beiden „Wiesbaden-City“ genannten Wendezügen wurde zunächst die Pendelverbindung zwischen Wiesbaden und Mainz im Taktverkehr als Intercity bedient, ab 1991 auch die Relation zwischen Wiesbaden und Frankfurt Hauptbahnhof. Eigens dafür wurden mehrere 141 ins orientrote Farbschema umlackiert.

Da die umgebauten Wagen erst verspätet fertiggestellt wurden, kamen anfangs Ersatzgarnituren aus normalen Intercity-Wagen mit je einer Lok an beiden Zugenden zum Einsatz. Ein Zustand, der auch später immer wieder auftreten sollte, denn durch ihren Prototypen-Status galten sie zeitlebens als Splittergattung, die Ersatzteilhaltung wurde zuletzt zunehmend schwierig und es war nicht immer möglich, die Wagen ausreichend verfügbar zu halten. Oft verkehrten auch gemischte Züge aus umgebauten zusammen mit (noch) nicht umgebauten LHB-Wagen oder anderen Reisezugwagen. Die Steuerwagen konnten in ihren letzten Einsatzjahren nur noch als „normale“ Wagen eingesetzt werden.

In den 1990er Jahren kamen zu den Taktzügen als Wiesbaden-City noch nächtliche Tagesrandleistungen mit der Baureihe 111 als Flughafenzubringer aus Karlsruhe und Düsseldorf Flughafen hinzu. Mit Ende des Winterfahrplans 1994/95 wurde der Wiesbaden-City eingestellt. Zuletzt wurde nur noch das nächtliche Intercity-Zugpaar zwischen Frankfurt Hauptbahnhof und Düsseldorf Flughafen gefahren, ehe die Wagen Ende Mai 1998 abgestellt wurden.

Verbleib

Die nicht umgebauten Fahrzeuge wurden bereits alle verschrottet, während die Wagen mit Intercity-Ausstattung größtenteils noch erhalten sind. Nach ihrem Einsatzende wurden die zum „Wiesbaden-City“ umgebauten Wagen zunächst in Frankfurt (Main) abgestellt. Nach und nach wurden die Wagen dann in verschiedene Richtungen abgefahren. Einer steht heute im schleswig-holsteinischen Marne und dient als Versammlungsraum. Beide Steuerwagen stehen auf dem LHB-Werksgelände.

Übersicht

Es wurden folgende Wagentypen gebaut:[2][3]

Typ Hersteller Baujahr Umbau Ausmusterung Anzahl Anmerkungen Verbleib
ABnrzb705 LHB 1976 1993 2 Abteile in der 1. Klasse verschrottet
ABnrzb706 LHB 1976 1993 1 Großraum in der 1. Klasse verschrottet
Bnrzb726 LHB 1976 1988/93 1998 4 Umbau in Bpz(b)298
Bnrzb727 LHB 1976 1988 1998 1 Umbau in Bpzb298
Bnrzb731 MBB 1976 1993 1 Aluminiumbauweise, geänderte Seitenwände verschrottet
Bnrzf732 LHB 1976 1988 1998 2 Steuerwagen Umbau in Apzf209

Die Wagengattungen wurden später geändert, der Kennbuchstaben b wurde umdefiniert und entfiel ebenso wie der Kennbuchstabe p ersatzlos.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Autorenkollektiv: Die Wagen der DB – Stand: 1. Januar 1997. EK Verlag.
  2. Horst J. Obermayer, J. Deppmayer: Reisezugwagen Deutsche Bundesbahn. Weltbild Verlag GmbH, Augsburg 1990, ISBN 3-89350-819-8
  3. https://www.revisionsdaten.de/wagendatenbank/