Staatliches Museum für Naturkunde Karlsruhe

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Andrias scheuchzeri

Das Staatliche Museum für Naturkunde Karlsruhe (kurz SMNK), früher Landessammlungen für Naturkunde Karlsruhe, ist eines der großen naturwissenschaftlichen Forschungsmuseen Deutschlands. Seine Ursprünge liegen bei der Mitte des 18. Jahrhunderts angelegten markgräflich-badischen Sammlungen von Kuriositäten und Naturalien. Die Dauerausstellungen zeigen neben Fossilien, Mineralien, Präparaten von einheimischen und exotischen Tieren auch lebende Tiere im Vivarium. Eine enge Zusammenarbeit besteht mit dem Naturwissenschaftlichen Verein Karlsruhe.

Das Wahrzeichen des Naturkundemuseums ist der Riesensalamander Andrias, dessen Fossil aus Öhningen von Johann Jakob Scheuchzer 1726 irrtümlich als ein in der Sintflut ertrunkener armer Sünder (

Homo diluvii testis

‚Bein-Gerüst eines in der Sündflut ertrunkenen Menschen‘) beschrieben wurde.

Zum Museum gehört eine der Öffentlichkeit nicht allgemein zugängliche Präsenzbibliothek.

Das SMNK liegt mit etwa 150.000 Besuchern pro Jahr an dritter Stelle unter den Museen der Stadt Karlsruhe hinter dem Badischen Landesmuseum und dem Zentrum für Kunst und Medien.[1]

Geschichte

Caroline Luise von Baden

Zwischen 1752 und 1783 wurde durch die Interessen und das Engagement von Markgräfin Caroline Luise (1723–1783) die markgräflich-badischen Sammlungen von Kuriositäten und Naturalien so stark erweitert, dass eine bedeutende wissenschaftliche Sammlung entstand. Das Naturalienkabinett wurde 1785 erstmals für die Bürger zugänglich, nachdem es ein Jahr zuvor in die Räume der Hofbibliothek verlagert worden war. Das Gebäude am Friedrichsplatz, in dem sich das Museum befindet, wurde zwischen 1866 und 1872 durch Josef Berckmüller für das Naturalienkabinett und die Hofbibliothek errichtet.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm die Botanik einen besonderen Platz ein, da die ersten drei Direktoren Karl Christian Gmelin, Alexander Braun und Moritz August Seubert bekannte Botaniker waren, die zudem Herbarien hinterließen.

Das Vivarium entstand aus in einer privaten Sammlung mit Aquarien und Terrarien, die ein Lehrer an der Volksschule Daxlanden für seinen Biologieunterricht 1938 eingerichtet hatte. Es war zuerst im damaligen Lehrerseminar in der Rüppurer Straße untergebracht.

Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Gebäude in der Nacht vom 2. zum 3. September 1942 durch Phosphorbomben zerstört, und große Teile der Sammlung gingen verloren. Dabei wurden neben Teilen der ebenfalls im Gebäude befindlichen Badischen Landesbibliothek auch die Bibliotheken der geologisch-paläontologischen, der mineralogischen und der botanischen Abteilung vollständig vernichtet. Mitarbeiter und 50 freigestellte Lehrer konnten nur die zoologische Bibliothek vor den Flammen retten. Deshalb besitzt die Bibliothek nur 97 Bücher aus der Zeit vor 1800.

Die Reste der Museumssammlung wurden vernichtet, als im September 1944 auch das Schloss Karlsruhe bombardiert wurde, wohin die Reste der zoologischen Schauobjekte und Teile der Sammlung ausgelagert worden waren. Einzig die Molluskensammlung blieb weitgehend erhalten.

Nach dem Krieg galt die Sammeltätigkeit des Museums vorrangig dem Wiederaufbau der Schausammlung, die Helmut Knipper durch seine Ostafrikareisen vorantrieb. Heute liegt der Schwerpunkt dagegen bei der wissenschaftlichen Sammlung. Ab 1948 war das Vivarium im Keller des Museums untergebracht und zeigte neben einheimischen auch exotische Tiere, bevor es 1962 im Erdgeschoss eine neue Bleibe fand. Ende der 1960er Jahre entstanden Dioramen, die einheimische Tiere in ihren natürlichen Lebensräumen zeigen.

Für die Bibliothek blieben unersetzliche Verluste trotz der gezielten Ankäufe nach dem Krieg und dem Erhalt von Schenkungen und Nachlässen. Die Bibliothek steht den Mitarbeitern und mit Einschränkungen Fachwissenschaftlern und naturkundlich tätigen Privatpersonen zur Verfügung.[2]

Der Wiederaufbau des Gebäudes am Friedrichsplatz unter Federführung von Baudirektor Langenbach und Oberregierungsbaudirektor Franz Schillinger wurde 1972 vorläufig abgeschlossen.[3] Im Juli 2016 wurde die im November 2013 begonnene Sanierung des Westflügels abgeschlossen und dem Museum damit 1200 Quadratmeter weitere Ausstellungsfläche hinzugefügt.[4] Die ursprünglich ebenfalls vorgesehene Wiedererrichtung der originalen Kuppel als Planetarium ist aufgrund der fehlenden Finanzierung bis auf Weiteres ausgesetzt.

Auf dem Platz vor dem Gebäude steht die Skulptur „Springende Panther“ von Andreas Helmling.

Das Museum ist seit dem 24. September 2009 Gründungsmitglied des Humboldt-Rings.

Museumsschwerpunkte

Auf über 4000 m² Ausstellungsfläche zeigt das Museum Dauerausstellungen, das Vivarium und wechselnde Sonderausstellungen. Die Dauerausstellungen umfassen:

Zoologie

Alpensteinbock im Diorama

Die Dioramen aus den 1960er Jahren im Erdgeschoss zeigen eine Wildschweinfamilie an der Suhle, ein Wolfsrudel, Gämsen im Schwarzwald und Alpensteinböcke in den Alpen, eine Fähe mit Jungfüchsen vor dem Bau sowie Elche und Rehe.

Der Bereich Afrika zeigt die drei typischen Landschaften Wüste, Savanne und tropischer Regenwald. Neben Präparaten von Löwen und Impalas, einer Streifenhyäne, einem Serval und einem Strauß, sind auch lebende Dornschwanzagamen und Afrikanische Lungenfische zu sehen.

Insekten

Insekten bilden den größten Sammlungsbestand und viele Präparate der Dauerausstellung zeigen den Farben-, Formenreichtum dieser Tiergruppe. Lebende Blattschneiderameisen, Rosenkäfer, Stab- und Gespenstschrecken zeigen die Anpassungen an verschiedene Lebensräume und klimatische Bedingungen.

Mineralien

Die Mineralienausstellung zeigt neben Mineralien der Region vom Kaiserstuhl und aus dem Schwarzwald Mineralien aus der ganzen Welt wie Feueropal, Schwefelkies, Topas, Achat, Rosenquarz, Rubin, Smaragd, Tigerauge, Malachit, Azurit, Lapislazuli und Türkis. Um die fluoreszierenden Eigenschaften mancher Mineralien zu zeigen, gibt es eine mit ultraviolettem Licht beleuchtete Dunkelkammer. Außer Flussspat (Fluorit), das der Fluoreszenz den Namen gab, sind der weiß-grünliche Skapolith, der leuchtend gelbes Licht emittiert, und Cölestin aus Sizilien, der leuchtend grünes Licht aussendet, zu sehen.

Geologie

Der Geologiesaal wurde Mitte 2006 neu gestaltet und zeigt die geologische Vergangenheit des Oberrheins. Das Modell eines Gletschertores zeigt wie die Landschaft durch die Naturkräfte geformt wird – die „Spur der Steine“ zeigt den Transport von Gestein, das auf seinem Weg vom Gletscher zum Meer durch die Kraft des Wassers zu feinem Sand zerrieben wird. Diese grenzüberschreitende Thematik hat Infotafeln in deutscher und französischer Sprache.

Fossilien

Datei:Seirocrinus subangularis 01.jpg
Seirocrinus subangularis im Treppenaufgang des Museums

Der große Treppenaufgang und die Holzmaden-Wand zeigen etwa 140 Millionen Jahre alte, versteinerte Seelilien, Ammoniten, den Ganoidfisch Dapedius punctatus mit glänzendem Schuppenpanzer, einen Fischsaurier (Ichthyosauria) und das Skelett des Meereskrokodils Steneosaurus. Das kompletten Skelett eines Coloborhynchus und das Armskelett eines Quetzalcoatlus, der größten je gefundenen Flugechse mit einer Spannweite von 13 Metern, ist im Obergeschoss zu sehen.

Von der Fundstelle Höwenegg im Hegau sind zirka 11 Millionen Jahre alte Überreste von Pflanzen und Tieren, die am Abhang eines erloschenen Vulkans lebten, zu sehen. Darunter befinden sich Hipparion und Rüsseltier Deinotherium.

Aus Öhningen am Bodensee sind Versteinerungen von Pflanzen und Tieren, die an und in einem See lebten, ausgestellt. Unter den gezeigten Exponaten befinden sich Fische, Amphibien, Reptilien, Insekten und Säugetiere.

Bei dem Skelett eines etwa 280 Millionen Jahre alten Dimetrodon handelt es sich um einen Abguss mit Rekonstruktionen einzelner Teile, da das Original der paläontologischen Sammlung der Universität Tübingen nicht komplett ist.

Aus der Pisco-Formation in Chile ist das fossile Skelett eines Wales (Balaenoptera siberi) ausgestellt.

Vivarium

Das Vivarium umfasste über 30 Aquarien. Zu beobachten waren sowohl Vertreter der tropischen Süßgewässer und Korallenriffe als auch Lebensräume des Mittelmeeres und seine Bewohner. Den zweiten Teil des Vivariums stellten die Terrarien dar, die viele Reptilien und Amphibien aus tropischen Wäldern und Steppen zeigen. Die Nachzuchten der verschiedenen Tiere konnten in einer eigens eingerichteten Babyecke eingesehen werden.

Ein Bambushai-Weibchen konnte hier seit 2001 mehrfach lebenden Nachwuchs zur Welt bringen, ohne von einem Männchen befruchtet worden zu sein. Hierbei handelt es sich um die erste bekanntgewordene Jungfernzeugung bei Haien in Europa.[5]

Im Zuges des Umbaus des Westflügels wurde das Vivarium in die neu konzipierte Dauerausstellung „Form und Funktion“ integriert und um ein 260.000 Liter fassendes Korallen- und Haifischbecken sowie eine Anlage für Australische Süßwasserkrokodile erheblich erweitert. Der Saal „Klima und Lebensräume“ mit etlichen Aquarien und Terrarien war vom Umbau nicht betroffen und blieb weiterhin bestehen.

Bionik

Im neu eröffneten Westflügel des Museums inklusive einiger Flächen des Vivariums wurde im Jahr 2016 die neue Dauerausstellung „Form und Funktion“ eröffnet. Thematischer Schwerpunkt der Ausstellung ist Bionik – der Aufbau natürlicher Materialien und Funktionsprinzipien und wie der Mensch diese technisch nachbilden kann.

Kontroverse

Das Museum ist wegen unethischer und möglicherweise illegaler Aneignung von Fossilien in die Kritik geraten. Das Fossil von Ubirajara jubatus, einem einzigartigen Dinosaurier aus der Kreidezeit mit Strukturen, bei denen es sich um frühe Federn handeln könnte, wurde 1995 mit einer Genehmigung für nicht näher bezeichnete Exemplare aus Brasilien ausgeführt, so dass das Dokument nicht direkt mit dem Ubirajara-Fossil in Verbindung gebracht werden kann. Außerdem erlaubt das brasilianische Gesetz keine dauerhaften Exporte von Fossilien, sondern nur Leihgaben.[6] Die brasilianische Gesellschaft für Paläontologie kündigte an, die Angelegenheit zu untersuchen, und mehrere brasilianische Paläontologen fordern die Rückgabe des Fossils.[7] Die von zwei Forschern des Museums mitverfasste Publikation in der Fachzeitschrift Cretaceous Research, in der das Fossil beschrieben wird und deren Erscheinen im Dezember 2020 die Diskussion ausgelöst hatte, wurde von Elsevier vorübergehend entfernt.[8] Andere Fossilien im Museum, wie die von Unwindia und Susisuchus, sind mit ähnlichen ethischen Bedenken konfrontiert.[9]

Siehe auch

Weblinks

Commons: Staatliches Museum für Naturkunde Karlsruhe – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Stadtentwicklung, Besucher der Museen und Sammlungen – Teil I (Zahlen für 2005).
  2. Bibliothek auf smnk.de.
  3. Franz Schillinger: Das Gebäude der Landessammlungen für Naturkunde in Karlsruhe. In: Beiträge zur naturkundlichen Forschung in Südwest-Deutschland. Band 32, 1972, S. 21–29.
  4. Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg: Pressemitteilung. Abgerufen am 15. August 2016.
  5. Karlsruhe: Jungfernzeugung im Haifischbecken. In: Nachrichten › Südwest. 13. Februar 2010. Badische Zeitung. Auf Badische-Zeitung.de, abgerufen am 14. September 2022.
  6. Chicken-size dino with a furlike mane stirs ethics debate. Abgerufen am 11. September 2021 (englisch).
  7. One-of-a-kind dinosaur removed from Brazil sparks backlash, investigation. 22. Dezember 2020, abgerufen am 11. September 2021 (englisch).
  8. TEMPORARY REMOVAL: A maned theropod dinosaur from Gondwana with elaborate integumentary structures. In: Cretaceous Research. 13. Dezember 2020, ISSN 0195-6671, S. 104686, doi:10.1016/j.cretres.2020.104686 (sciencedirect.com [abgerufen am 11. September 2021]).
  9. One-of-a-kind dinosaur removed from Brazil sparks backlash, investigation. 22. Dezember 2020, abgerufen am 11. September 2021 (englisch).

Koordinaten: 49° 0′ 26,3″ N, 8° 24′ 1,4″ O