Nauarch

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Im antiken Griechenland war der Nauarch (griechisch ναύαρχος naúarchos) der Oberkommandierende der spartanischen Seestreitkräfte. Er trug die Befehlsgewalt über die Aktivitäten der von Sparta befehligten Flotte. Die Befehlsgewalt bezog sich aber auch auf eingenommene fremde Städte und Territorien. In Athen bezeichnete der Begriff Nauarch dagegen einen Schiffsführer (Kapitän) oder einen untergeordneten Geschwaderkommandanten.

Quellenlage

Der Titel wurde im Sparta des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. verwendet. Der Begriff des Nauarchen wurde erstmals aus dem Jahr der Seeschlachten gegen die Perser von 480 v. Chr. überliefert,[1] wobei die Quelle freilich erst um 425 entstand. Aristoteles, allerdings kein Kenner der spartanischen Militärorganisation, verglich die Stellung eines Nauarchen mit derjenigen des spartanischen Königs.[2] Dennoch sind die weiteren Quellenangaben über das Amt des spartanischen Flottenführers spärlich.

Das Amt des Nauarchen

Die Nauarchie gehört nicht zu den ursprünglichen Institutionen Spartas. Ihre größte Bedeutung wurde der Nauarchie in der Zeit der Auseinandersetzungen mit Athen und der Herrschaftsausdehnung Spartas, während des Peloponnesischen Kriegs, beigemessen. Der wohl wichtigste Nauarch für Sparta war Lysander, der im Krieg gegen Athen dessen gesamte Flotte zerstörte und somit eine Kapitulation erzwang. Das Amt des Nauarchen war vom Amt der Ephoren losgelöst, im Ansehen und den Befugnissen dem Amt des Königs verwandt, was damit begründet werden kann, dass der Nauarch auch die Befehlsgewalt an Land besaß und es keine zwei Nauarchen gleichzeitig gab. Die Nauarchie entstand womöglich, als ein Teil der königlichen Befehlsgewalt auf einen anderen Beamten übertragen wurde. Für die Wahl zu einem Nauarchen wurden reiche Bürger in Betracht gezogen. Die Wahl lag bei der Volksversammlung.[3] Anfangs herrschten unregelmäßige Amtszeiten vor, die jedoch nach der Niederlage von Kyzikos 410 durch ein Gesetz geregelt wurden und nun von Frühjahr bis Frühjahr ging. Jedoch konnte die Dauer der Amtszeit am Umfang der bevorstehenden militärischen Operation festgemacht werden. Die wiederholte Ernennung zum Nauarchen war möglich, bis um 400 v. Chr. ein Gesetz die Iteration des Amtes verbot.

Den Nauarchen waren die Harmosten als Befehlshaber zu Lande gleichgestellt. Ein Nauarch konnte einen Harmosten ernennen, sodass dieser ihm untergeordnet blieb.[4] Auch ein Epistoleus, ein Sekretär, Bote und Stellvertreter, war dem Nauarchen untergestellt. Nach dem Amt des Epistoleus konnte man später zum Flottenführer gewählt werden. Die Nauarchen bekamen genaue Aufträge und Befehle von den Ephoren und der Apella. Da sie den spartanischen Behörden rechenschaftspflichtig waren, wurde den Nauarchen ein Berater (Symboulos) mitgeschickt, die bei ausbleibendem militärischen Erfolg oder Unzufriedenheit über die Kriegsführung im schlimmsten Falle auch absetzen konnten. Nach der Niederlage bei Leuktra 371 wurde die spartanische Flotte aufgelöst und mit ihr auch das Amt des Nauarchen.

Im klassischen Athen hingegen wurden auch die Flotten von einem Strategos befehligt. In den späteren hellenistischen Reichen blieb das Amt des Nauarchen bestehen und konnte auch durchaus über mehrere Jahre ausgeübt werden.

Liste bekannter spartanischer Nauarchen

(nach Thukydides und Xenophon)

Jahr Name
481/480 Eurybiades
480/479 Leotychidas II.[5]
479/478 Pausanias[6]
477/476 Dorkis (?)
430/429 Knemos[7]
428/427 Alkidas[8]
426/425 Thrasymelidas
413/412 Melankridas
412/411 Astyochos
411/410 Mindaros (gefallen),
Hippokrates
410/409 Pasippidas
409/408 Kratesippidas
408/407 Lysandros
407/406 Kallikratidas
406/405 Arakos (pro forma),
faktisch Lysandros
404/403 Libys
403/402 Panthoidas
402/401 Samos
401/400 Anaxibios[9]
400/399 Polos
398/397 Pharax
397/396 Archelaidas
396/395 Pollis
395/394 Cheirikrates
393/392 Podanemos (gefallen),
Herippidas
392/391 Teleutias
391/390 Ekdikos
390/389 Teleutias (2. Mal)
389/388 Hierax
388/387 Antalkidas
387/386 Teleutias (3. Mal)
377/376 Pollis
376/375 Nikolochos
375/374 Aristokrates
374/373 Alkidas
373/372 Mnasippos

Literatur

  • Nauarchos. In: The Oxford Classical Dictionary. 3. Auflage. Oxford University Press, Oxford u. a. 1996, ISBN 0-19-866172-X, S. 1028.
  • Raphael Sealey: Die spartanische Nauarchie. In: Klio. Band 58, 1976, S. 335–358.
  • Lukas Thommen: Sparta. Verfassungs- und Sozialgeschichte einer griechischen Polis. 2. erweiterte Auflage. Stuttgart 2017, ISBN 978-3-476-04330-6, S. 145–147.

Anmerkungen

  1. Herodot 8,42.
  2. pol. 1271a.
  3. Xenophon, Hellenika 1,6,5.
  4. Xenophon, Hellenika 5,1,6.
  5. Herodot, Historien 8,131.
  6. Diodor, 11,44. Thukydides, Der Peloponnesische Krieg 3,16,3.
  7. Thukydides, Der Peloponnesische Krieg 2,80–85.
  8. Thukydides, Der Peloponnesische Krieg 3,16,3.
  9. Walther Judeich: Anaxibios. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band I,2, Stuttgart 1894, Sp. 2082.