Negative und positive Freiheit

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Negative Freiheit bezeichnet als „Freiheit von“ allgemein das Freisein von äußeren und inneren Zwängen. Davon unterschieden wird die positive Freiheit, die als „Freiheit zu“ gefasst wird. Negative und positive Freiheit können sich sowohl auf Willens- als auch auf Handlungsfreiheit beziehen.

Philosophiegeschichte

Gottfried Wilhelm Leibniz unterscheidet hinsichtlich der Handlungsfreiheit zwischen liberté de droit als Freiheit von Zwang, durch die sich der Freie vom Sklaven unterscheidet, und liberté de fait als einer positiven Freiheit, durch die sich der Kranke vom Gesunden unterscheidet.[1][2]

Jean-Jacques Rousseau definiert Freiheit zunächst negativ als das Fehlen eines instinktiven Eingefügtseins des Menschen in die Natur.[3][4]

Explizit unterscheidet Immanuel Kant zwischen negativer und positiver Freiheit (verstanden als Willensfreiheit). Für Kant ist Freiheit zuerst transzendentale Freiheit als Spontaneität, womit er das Vermögen des Menschen bezeichnet, „einen Zustand von selbst anzufangen“ bzw. einen Anfang machen zu können.[5] Die transzendentale Freiheit ist eine Idee und insofern begrifflich negativ, d. h. wir können uns dieser Freiheit weder bewusst werden noch aus der Erfahrung auf sie schließen. Auf der transzendentalen Freiheit gründet der praktische Freiheitsbegriff, der von Kant erst einmal negativ als „Unabhängigkeit der Willkür durch die Antriebe der Sinnlichkeit“[6] bestimmt wird. Die negative Freiheit ist die Bedingung für die positive Freiheit als das Vermögen der Vernunft, sich selbst ihre Gesetze zu geben.[7] Das Vermögen des Menschen, sich unabhängig von seinen Neigungen und Trieben bestimmen zu können, befähigt ihn zur sittlichen Selbstbestimmung (Autonomie).[8] Kants politischer Freiheitsbegriff orientiert sich an dieser Autonomiebestimmung: Rechtliche Freiheit ist „die Befugnis, keinen äußeren Gesetzen zu gehorchen, als zu denen ich meine Beistimmung habe geben können“.[9]

Friedrich Wilhelm Joseph Schelling kritisiert die Freiheitstheorien, die die menschliche Freiheit durch Unabhängigkeit von der Natur bestimmen wollen, und kehrt gleichsam die Fragerichtung um, indem er auch nach der Freiheit des Menschen von einem Gott fragt, dem das Prädikat der Allmacht zugesprochen wird: „Die Vertheidiger der Freiheit denken gewöhnlich nur daran, die Unabhängigkeit des Menschen von der Natur zu zeigen, die freilich leicht ist. Aber seine innere Unabhängigkeit auch von Gott, seine Freiheit auch in Bezug auf Gott lassen sie ruhen, weil dies eben das Schwerste ist.“[10] Die spezifisch menschliche Freiheit definiert sich nach Schelling durch eine zweifache negative Freiheit:

„Dadurch also, daß der Mensch zwischen […] der Natur und […] Gott in der Mitte steht, ist er von beiden frei. Er ist frei von Gott dadurch, dass er eine unabhängige Wurzel in der Natur hat, frei von der Natur dadurch, daß das Göttliche in ihm geweckt ist […]“

Schelling: Stuttgarter Privatvorlesungen[10]

Positive Freiheit ist für Schelling Religiosität, die er etymologisch von Gebundenheit her versteht und der Moralität entgegensetzt: „Religiosität“ ist die „höchste Entschiedenheit für das Rechte, ohne alle Wahl“.[11] Für Schelling ist Freiheit primär Willensfreiheit.

Martin Heidegger nennt in seiner Vorlesung zu Schellings Philosophischen Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit fünf Freiheitsbegriffe. Er bestimmt dort negative Freiheit als „Ungebundenheit, Freiheit von“ und positive Freiheit „als Sichbinden an, libertas determinationis, Freiheit zu“.[12]

Nach Isaiah Berlin ist negative Freiheit im Gegensatz zu positiver Freiheit ein Zustand der Freiheit, in dem keine von anderen Menschen ausgehenden Zwänge ein Verhalten erschweren oder verhindern. Das Pendant bezeichnet nach Isaiah Berlin einen Zustand der Freiheit, in dem die Möglichkeit der passiven Freiheit auch tatsächlich genutzt werden kann, oder nach noch weitergehender Auffassung einen Zustand, in dem die Möglichkeit tatsächlich genutzt wird.[13]

Beispiele

Ein Beispiel für negative Freiheit ist, wenn jemand seine Meinung frei äußern darf, ohne dass die entsprechende Person von anderen z. B. durch Zensur daran gehindert wird.

Positive Freiheit würde beispielsweise bedeuten, dass die Kommunikationsmittel und der Zugang zu Medien zur Verfügung stehen, um eine freie Meinungsäußerung auszuüben, oder nach weitergehender Auffassung, dass die jeweilige Meinung auch tatsächlich geäußert wird.

Literatur

  • Charles Taylor: Negative Freiheit? Zur Kritik des neuzeitlichen Individualismus. Übersetzt von H. Kocyba. mit einem Nachwort von Axel Honneth. Frankfurt am Main 1988.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Gottfried Wilhelm Leibniz: Die Philosophischen Schriften, hrsg. v. C. J. Gerhardt. Reprint der Ausgabe Berlin 1890, Hildesheim 1978, Bd. 7, S. 109.
  2. Vgl. Artikel: Freiheit, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 2, 1090.
  3. Vgl. Jean-Jacques Rousseau: Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen, in: ders.: Schriften, hrsg. v. Hennig Ritter, Fischer Verlag, Frankfurt M. 1988, Bd. 1, S. 203f.
  4. Vgl. Artikel: Freiheit, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 2, 1091.
  5. Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, Der Antinomie Dritter Widerstreit, B 472ff., siehe auch Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, BA 107ff.
  6. Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft, B 562ff.
  7. Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft, A 59.
  8. Immanuel Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, BA 107ff.
  9. Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden, BA 21.
  10. a b Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Stuttgarter Privatvorlesungen, in: ders.: Sämtliche Werke, hrsg. v. Karl Friedrich August Schelling, Stuttgart 1856–1861, I. Abt., Bd. VII, S. 458.
  11. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit, in: SW I, VII, S. 392.
  12. Martin Heidegger: Schellings Abhandlung über das Wesen der menschlichen Freiheit (1809) hrsg. v. Hildegard Feick, Max Niemeyer Verlag, 2. durchgesehene Aufl. Tübingen 1995, S. 106.
  13. Isaiah Berlin: Freiheit. Vier Versuche. ISBN 3-596-16860-0