Netznutzungsentgelt

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Die Netznutzungsentgelte oder kurz Netzentgelte sind im liberalisierten Energiemarkt Entgelte, die Strom- und Gasnetzbetreiber für die Netznutzung zur Netzdurchleitung von den Netznutzern erheben.

Hintergründe

Netznutzer sind in der Regel – vor allem bei Privatkunden – die Lieferanten, größere Industriekunden nutzen aber zunehmend das Netz selbst und bezahlen den Strom- bzw. Gasnetzbetreiber direkt. Alle Netzbetreiber in Deutschland haben ihre jeweils gültigen Netznutzungsentgelte im Internet zu veröffentlichen. Die Regularien über die Erhebung von Netznutzungsentgelten wurden ursprünglich durch Verbändevereinbarungen geregelt und die Ausführung im zugehörigen Kommentarband des Verband der Netzbetreiber (VDN) beschrieben. Entsprechend dem Energiewirtschaftsgesetz wird die Ermittlung der Netznutzungsentgelte in der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) und der Gasnetzentgeltverordnung (GasNEV) – beide in Kraft getreten am 29. Juli 2005 – geregelt.

Gemäß Energiewirtschaftsgesetz mussten die Netzbetreiber ihre Netznutzungsentgelte der Bundesnetzagentur erstmals zum 1. November 2005 zur Genehmigung vorlegen. Nach der Antragstellung hatte die Bundesnetzagentur sechs Monate Zeit zur Prüfung. Seit dem 1. Januar 2009 unterliegen die Netzentgelte zudem einer Anreizregulierung, die die Betreiber zu Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen bewegen soll.

Berechnungsgrundlagen

Die Berechnung der Netzentgelte erfolgt durch Festsetzung einer Erlösobergrenze für die betroffenen Netzbetreiber, welche die gesamten zulässigen Netzkosten und sonstigen Erlöse decken darf. Diese Obergrenze wird vor Beginn der Regulierungsperioden für jedes Jahr der kommenden Regulierungsperiode ermittelt, wobei eine Regulierungsperiode 5 Jahre dauert. Eine individuelle Anpassung der Erlösobergrenzen an die Preisentwicklung kann durch den Netzbetreiber vorgenommen werden. Ergeben sich darüber hinaus unvorhergesehene Änderungen, kann eine Anpassung beantragt werden, um unzumutbare Härten zu vermeiden. Auch die Regulierungsbehörde kann Anpassungen nach Qualitätskriterien vornehmen.

Die Erlösobergrenze wird bei den Unternehmen durch eine Kostenprüfung ermittelt. Die Daten müssen von einem Wirtschaftsprüfer bestätigt sein. Die Differenz zwischen Erlösobergrenze und tatsächlichem Erlös wird von der Bundesnetzagentur jährlich auf einem Regulierungskonto eingetragen. Übersteigen die tatsächlichen Erlöse die Obergrenze um fünf Prozent bei Gas und Strom, müssen unverzüglich Anpassungen der Netzentgelte vorgenommen werden.

Die Grundlage der Kostenrechnung baut auf den Bestimmungen der 2005 verabschiedeten Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV), bzw. Gasnetzentgeltverordnung (GasNEV) auf. Außerdem fließen bei der Bewertung der Netzkosten auch die dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteile ein. Das sind u. a.: gesetzliche Vorgaben, Konzessionsabgaben, Betriebssteuern, vorgelagerte Netzebenen, bestimmte Investitionen, Mehrkosten für den Betrieb von Erdkabeln, betriebliche und tarifliche Vereinbarungen zu Lohnzusatz- und Versorgungsleistungen (soweit bis zum 31. Dezember 2016 entstanden und im Netzentgeltgenehmigungsverfahren der BNetzA anerkannt), Betriebsratstätigkeit (im Falle der gesetzlichen Kostenerstattungspflicht durch den Netzbetreiber), Verfahrensregelungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel sowie für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen.

Ändert sich die Versorgungsaufgabe eines Netzbetreibers, können jährlich Anpassungen der Erlösobergrenzen bei der Regulierungsbehörde beantragt werden. Faktoren sind hier: Fläche des Versorgungsgebiets, Anzahl der Anschluss- bzw. Ausspeisepunkte, Jahreshöchstlast, sonstige von der Regulierungsbehörde festgelegte Parameter.

Der Effizienzvergleich, den die Bundesnetzagentur vor jeder Regulierungsperiode durchführt, ergibt sich aus den Gesamtkosten des Netzbetriebs nach Abzug der nicht beeinflussbaren Kostenanteile. Dieses Kostenvolumen fließt einmal unternehmensindividuell und einmal standardisiert, um beispielsweise Effekte aus der Altersstruktur des Netzes zu neutralisieren, in die Effizienzwertermittlung ein. Zudem wird der Effizienzwert mit Hilfe von zwei verschiedenen Verfahren (DEA & SFA) ermittelt. Es ergeben sich vier Effizienzwerte (→ 2 Kostenbasen mit 2 Verfahren), aus denen der höchste Wert für den Netzbetreiber herangezogen wird. Dieser Effizienzwert wird in Prozent angegeben und darf 60 Prozent nicht unterschreiten. Beim Effizienzvergleich werden verschiedene gegebene Unterschiede bei den einzelnen Netzbetreibern berücksichtigt: Versorgungsaufgabe (siehe oben), geografische, geologische und topografische Merkmale, Leitungslänge.

Sind alle Daten ermittelt, wird die Erlösobergrenze in das Netzentgelt umgesetzt.

Entwicklung der Netzentgelte

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Entwicklung der Netznutzungsentgelte 2010 bis 2016[1]

Laut Bundesnetzagentur betrugen die Kosten der Netzentgelte (Strom) für Haushaltskunden in der Grundversorgung 2010 etwa 6 ct/kWh und somit etwa 25 % des Strompreises für Privatkunden, eine Verringerung von über 20 % seit 2006.[2] Bis 2013 sind die Netzentgelte auf circa 6,5 ct/kWh angestiegen. 2015 werden 24 der 33 großen Netzbetreiber ihre Gebühren zwischen 10 und 19 % anheben.[3] Bis 2023 wird (Stand 2014) ein Anstieg der Netznutzungsentgelte auf durchschnittlich 7,6 ct/kWh prognostiziert.[4]

Beim Gas steigen die entsprechenden Netzentgelte tendenziell seit 2006 und lagen 2010 bei etwa 1,3 ct/kWh, was ungefähr 20 % des damaligen Gaspreises für Haushaltskunden ausmachte.[5] Für Industriekunden sind die Netzentgelte wesentlich geringer.

Struktur und Bestandteile der Netznutzungsentgelte für Strom

Entscheidend für die Bestimmung der Netznutzungsentgelte ist, ob der Lastverlauf der jeweiligen Verbrauchsstelle gemessen wird oder synthetisch ermittelt wird.

Verbrauchsstellen ohne Leistungsmessung (Standardlastprofil)

Bis zu einer Jahresarbeit von 100.000 kWh/a kann eine Belieferung über ein synthetisches Lastprofil (Standardlastprofil, SLP) erfolgen.

In Abhängigkeit vom Entnahmeverhalten des Netzkunden erfolgt die Einteilung in ein Standardlastprofil nach BDEW. Die Zuordnung der Profile nimmt der Netzbetreiber vor. Die zukünftige Anwendung eines geeigneten analytischen Verfahrens nach entsprechender Vorankündigung behalten sich die Betreiber weiterhin vor.

Für die Netzkunden im Niederspannungsnetz ohne Leistungsmessung gilt ein pauschaliertes Arbeitsentgelt.

  • Arbeitspreis in ct/kWh
  • Grundpreis in EUR/a

Verbrauchsstellen mit 1/4 h-Leistungsmessung (gemessener Lastgang)

Für die Bestimmung der Netznutzungsentgelte bei Netzkunden mit 1/4 h-Leistungsmessung (Registrierende Leistungsmessung, RLM) sind in der Regel die folgenden Daten erforderlich:

  • die Jahresarbeit in kWh
  • der höchste Leistungsmittelwert des Abrechnungszeitraums in kW. Er dient zur Bestimmung des Leistungspreises.
  • die Netzebene des Netzkunden
  • die Jahresbenutzungsdauer, ermittelt aus der Jahresarbeit dividiert durch die maximale Leistung.

Das Netznutzungsentgelt hat dann die folgenden Bestandteile:

  • Leistungspreis in EUR/kW (Jahreshöchstleistung)
  • Arbeitspreis in Ct/kWh
  • Grundpreis in EUR/a
  • gegebenenfalls auch ein Entgelt für Blindarbeit in Ct/kvarh (meist ab 50 % der bezogenen Wirkarbeit je Abrechnungsperiode)

Vermiedene Netznutzungsentgelte

Für die dezentrale Einspeisung elektrischer Energie, die verbrauchsnah ins Niederspannungs- oder ins Mittelspannungsnetz erfolgt, wurde vermutet, dass dem Netzbetreiber durch die dezentrale Einspeisung geringere Aufwendungen als bei Einspeisung aus Großkraftwerken entstehen. Dem lag die Annahme zu Grunde, dass die dezentral eingespeiste Energie nicht erst aus Großkraftwerken in Hochspannungsleitungen eingespeist und von dort in Mittelspannungs- und Niederspannungsnetze transformiert werden muss, bis der Endkunde den Strom abnimmt. Erstmals wurden im Jahr 1999 in der Verbändevereinbarung II Entgelte für vermiedene Netznutzung eingeführt und später in § 18 der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) übernommen. Für EEG-Anlagen werden die vermiedenen Netzentgelte nicht ausgezahlt, sondern vom Netzbetreiber in das EEG-Konto eingezahlt, sie sind mit der EEG-Vergütung abgegolten.

Inzwischen zeigt sich, dass die dezentrale Einspeisung – insbesondere bei Einspeisung aus volatilen Energieträgern wie Sonne und Wind – keinen Netzausbau einspart, sondern für den Anschluss in lastschwachen Gebieten einen Netzausbau erst erforderlich macht. Zudem werden Fehlanreize gesetzt, einen Netzanschluss in einer möglichst niedrigen Spannungsebene und in Gebieten mit möglichst hohen Netzentgelten zu realisieren[6]. Mit dem Netzentgeltmodernisierungsgesetz[7] und einer im Ausschuss für Wirtschaft und Energie abgestimmten Änderung[8] wird die Höhe der vermiedenen Netzentgelte ab dem 1. Januar 2018 auf den Stand 31. Dezember 2016 eingefroren. Für Anlagen mit volatiler Erzeugung werden die vermiedenen Netzentgelte schrittweise bis zum 31. Dezember 2019 abgeschafft und dürfen ab dem 1. Januar 2020 nicht mehr gezahlt werden. Für andere bestehende oder bis zum 31. Dezember 2022 neu errichtete dezentrale Erzeugungsanlagen bleiben sie weiterhin erhalten. In der Antwort auf eine Stellungnahme des Bundesrates hat die Bundesregierung in einigen Punkten eine Prüfung bzw. Evaluierung zugesagt.[7]

Im Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NEMoG) vom 22. Juli 2017 wurden diese Änderungen mit der Änderung der StromNEV und des EnWG umgesetzt.[9] Vermiedene Netzentgelte erhalten nur noch dezentrale Erzeugungsanlagen, die vor dem 1. Januar 2023 in Betrieb genommen worden sind bzw. bei Anlagen mit volatiler Einspeisung, wenn sie vor dem 1. Januar 2018 in Betrieb genommen worden sind. Anlagen, bei denen die Stromeinspeisung

  1. nach § 19 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes gefördert wird,
  2. nach § 6 Absatz 4 Satz 1 des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes und § 13 Absatz 5 vergütet wird und in dieser Vergütung vermiedene Netzentgelte enthalten sind oder
  3. aus KWK-Anlagen nach § 8a Absatz 1 des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes gefördert wird.

erhalten keine vermiedenen Netzentgelte. Für Anlagen mit volatiler Erzeugung dürfen ab dem 1. Januar 2020 keine Entgelte für dezentrale Einspeisung mehr gezahlt werden. Bis dahin werden sie stufenweise abgesenkt.

Bundeseinheitliches Übertragungsnetzentgelt

Grundsätzlich werden die Netzkosten auf die Stromkunden im Netzgebiet eines Netzbetreibers umgelegt und dem Verbrauch entsprechend verteilt. Im Bereich der Übertragungsnetze führt das zu einer Benachteiligung der nord- und ostdeutschen Länder, da dort die Netze für die hohe erneuerbare Einspeisung insbesondere aus Windkraft ausgebaut werden mussten, dort jedoch inzwischen dauerhaft mehr erneuerbarer Strom eingespeist wird als verbraucht werden kann und dieser Strom in den Süden und Westen transportiert wird. Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages kam in Auswertung von Studien zur Aussage, dass bundeseinheitliche Übertragungsnetzentgelte einer nicht verursachungsgerechten Mehrbelastung in Regionen mit hohem Netzausbau entgegenwirken können. Eine Wirkung tritt insbesondere bei Kunden auf hohen Spannungsebenen ein. Auf niedrigeren Spannungsebenen wird die Senkung bzw. Erhöhung der Netzentgelte von den weiterhin bestehenden regionale Netzentgelten überlagert. Insbesondere im Haushaltbereich werden prognostizierte Entgeltsteigerungen höher ausfallen als die Wirkung der Ausgleichsmechanismen.[10] Im Gutachten noch nicht erfasst sind die Kosten für sogenannte "besondere netztechnische Betriebsmittel", die als Netzstabilierungsanlagen ausschließlich im Süden, als Ausgleich für die ab 2022 abzuschaltenden Kernkraftwerke bis zur Inbetriebnahme der HGÜ-Leitungen Südostlink und Südlink errichtet werden. Diese Kosten werden gleichfalls bundesweit umgelegt und wirken dem Entlastungseffekt der bundesweiten Übertragungsnetzentgelte entgegen.

Im NEMoG ist eine Verordnungsermächtigung für das BMWi enthalten, Regelungen zur Vereinheitlichung der Übertragungsnetzentgelte zu treffen.[9] Am 25. April 2018 hat das Bundeskabinett eine Verordnung beschlossen, nach der die Vereinheitlichung in fünf Schritten erfolgen soll, so dass die betroffenen Netzentgelte ab dem 1. Januar 2023 bundeseinheitlich sind. Im Kalenderjahr 2019 wird für 20 Prozent der Erlösobergrenzen, die für die Entgeltbildung relevant sind, ein bundeseinheitlicher Entgeltanteil an den Übertragungsnetzentgelten ermittelt. In den Folgejahren steigert sich dieser Anteil an den Erlösobergrenzen um jeweils 20 Prozent. Damit werden ab dem Kalenderjahr 2023 die Übertragungsnetzentgelte vollständig bundeseinheitlich gebildet.[11][12]

Einzelnachweise

  1. Strom-Report: Entwicklung der Netzentgelte
  2. Broschüre Markt Wettbewerb Energie Kennzahlen2010. (pdf) Netzentgelte Strom (S. 24). BnetzA, abgerufen am 1. November 2012.
  3. Entwicklung der Netzentgelte seit 2010/Liste der Netzentgelte 2015 nach Netzbetreibern@1@2Vorlage:Toter Link/1-stromvergleich.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  4. Abschätzung der Entwicklung der Netznutzungsentgelte in Deutschland. (pdf) Abschätzung der Netznutzungsentgelte und ihrer Zusammensetzung (S. 33). TU Dresden, abgerufen am 5. März 2015.
  5. Broschüre Markt Wettbewerb Energie Kennzahlen2010. (pdf) Netzentgelte Gas (S. 55). (Nicht mehr online verfügbar.) BnetzA, ehemals im Original; abgerufen am 1. November 2012.@1@2Vorlage:Toter Link/www.bundesnetzagentur.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  6. Bernd Petermann: Entgelt für dezentrale Einspeisung nach § 18 StromNEV – ein Auslaufmodell. In: EWeRK 3/2016, pdf, 435 kB
  7. a b Bundestagsdrucksache 18/11528 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur (Netzentgeltmodernisierungsgesetz), pdf 364 kB
  8. Bundestagsdrucksache 18/12999 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zum Netzentgeltmodernisierungsgesetz, pdf, 1,14 MB
  9. a b [BGBl. 2017 I S. 2503] Gesetz zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur (NEMoG)
  10. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages: Regionale Auswirkungen einer Vereinheitlichung der Netzentgelte für Übertragungsnetze, pdf, 2,84 MB
  11. Pressemitteilung des BMWi vom 25. April 2018 zu bundeseinheitlichen Übertragungsnetzentgelten
  12. Verordnung zur schrittweisen Einführung bundeseinheitlicher Übertragungsnetzentgelte, pdf, 108 kB

Weblinks